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WirtschaftsethikGerechtes Wirtschaften

Leiterschaft: Mit Werten führen

Warum es sich lohnt, „anständig Geschäfte zu machen“

Das Thema „Werte“ ist überall „in“.1Veröffentlicht in Christliches Medienmagazin pro 1, 2011 www.pro-medienmagazin.de Moral hat Konjunktur. Ob in Politik, Schule oder an Stammtischen – überall wird Ethik angemahnt. Auch in der Wirtschaft. Zu Recht, denn werteorientierte Führung ist ein Erfolgsfaktor. Mit Werten kann man tatsächlich in Führung gehen.

An der Harvard Business School, dem Mekka der Wirtschaftswissenschaften, passierte 2008 etwas Außergewöhnliches. Einige der dortigen Studenten schworen einen feierlichen Eid, der auf den ersten Blick im völligen Kontrast zu ihrer Ausrichtung auf „Big Business“ stand. Sie schworen, in ihrer beruflichen Laufbahn loyal, fair, nach- haltig und integer zu handeln, auf Korruption zu verzichten und sich für das Wohl der ganzen Gesellschaft einzusetzen. Dieser „MBA-Oath“, formuliert auf dem Hintergrund der größten Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten 75 Jahre, zieht seither weite Kreise. Bis heute wurde er weltweit von 4.500 Absolventen der Wirtschaftswissenschaft an über 300 Universitäten unterschrieben. Er gilt mittlerweile – ähnlich wie der „Hippokratische Eid“ bei den Medizinern – als Standesethik junger Ökonomen.

So etwas wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen, galten doch Wirtschaft und Ethik als Gegensätze, die nicht zusammenpassen. Hier der Himmel im Sinne des moralischen Handelns, dort die Erde mit den harten Fakten der Marktwirtschaft. Mittlerweile kommen sich Himmel und Erde jedoch erstaunlich nah. Ökonomen erkennen immer mehr die Bedeutung ethischer Werte für das Unternehmen. Äußerte sich vor Jahren noch Niklas Luhmann, der bekannte Sozialwissenschaftler, kritisch: „Es gibt Wirtschaft, es gibt Ethik, es gibt keine Wirtschaftsethik“, so stehen die Zeichen heute auf Integration. Profit und Moral werden Geschwister. „Anständig“ Geld verdienen – ruhig im doppelten Sinn des Wortes – hat Konjunktur.

Aber nicht nur in der Wirtschaft. Kein Parteiprogramm kommt heute ohne den Begriff „Werte“ aus. An deutschen Schulen ist Ethik längst zum Pflichtfach geworden. In der Pädagogik spricht man neuerdings über „werteorientierte Konzepte“. Von ausländischen Mitbürgern fordert man die Anpassung an „deutsche Werte“ – wobei niemand genau weiß, was das eigentlich ist. „Kinder brauchen Werte“ heißt ein Forum von 100 Organisationen, die sich die moralische Erziehung auf ihre Fahnen geschrieben haben. Alle reden über Werte – und das ist auch gut so.

Der Verlust der Werte

Woher kommt die Popularität des Themas? Ganz einfach: Die Wertedebatte trifft den Puls der Zeit. Seit Jahren beobachtet man eine „Wertekrise“, oder zumindest einen „Wertewandel“. Offensichtlich sind uns selbstverständliche Regeln des Zusammenlebens abhanden gekommen. Deshalb sehnen sich die Menschen wie- der nach verlässlichen Normen. Die bodenlose Beliebigkeit der jüngeren Vergangenheit führte offensichtlich zu einer großen Orientierungslosigkeit. Der grenzenlose Individualismus verdrängte die gemeinsame Moral. Allgemeingültige Regeln des Zusammenlebens sind nur noch selten zu finden. Eigennutz zerstörte das Gemeinwohl. Jetzt merken viele: So können wir nicht weiterleben. Es muss sich etwas ändern.

Folglich sucht man händeringend nach moralischen Fundamenten. Dem Leben fehlt heute nicht die Breite, sondern die Tiefe. Die derzeitige Wertedebatte ist deshalb Ausdruck einer Sinnkrise, und ein Indiz für eine Rückbesinnung auf das, was wirklich zählt.

Wertekrise in der Wirtschaft

Von der Wertekrise ist auch die Finanz- und Wirtschaftswelt betroffen, nicht erst seit der großen Depression 2008/2009. Schon vorher hagelte es Skandale: Bilanz- betrug, Lustreisen, Korruption, Steuerhinterziehung und millionenschwere Abfindungen von Top-Managern. Die Spirale der Gier nach immer höheren Renditen, die einseitig auf den schnellen Erfolg getrimmte Unternehmensstrategie, das Wegdrücken der Verantwortung an andere und die Illusion einer völlig freien Marktwirtschaft ohne Regulierung haben ein Desaster herbeigeführt, das seinesgleichen sucht. Die Folgen haben die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds getrieben.

Allerdings sollte man den Finger nicht vorschnell auf andere richten. Nicht nur bei den Großen, auch bei mittelständischen Familienunternehmen und kleinen Handwerkerbetrieben ist längst nicht mehr alles Gold, was glänzt. Filz und Klüngel haben auch diese Bereiche erfasst. Auch der kleine Anleger ließ sich anstecken vom schnellen Geld und den großartigen Versprechungen der Anlageberater. Die Spirale der Gier und Maßlosigkeit wurde nach unten durchgereicht. Die Gründe für die Turbulenzen am Finanzmarkt und in der Realwirtschaft liegen deshalb nicht nur in äußeren Strukturen. Die Niedrigzinspolitik der USA, die mangelnde Aufsicht der Investmentbanker, die niedrige Eigenkapitalquote der Banken und das undurchschaubare Geflecht von Spekulationsanlagen und Risikoabsicherungen sind nur der äußere Rahmen eines dahinterliegenden viel größeren inneren Problems: des Verlustes ethischer Werte.

Warum wir Werte brauchen

Genau deshalb braucht es vor allem eine moralische Wende. Unser Land braucht Werte für Führungskräfte, ethische Leitlinien für Leute, die Verantwortung tragen. Dabei sind Werte und Erfolg keine Gegensätze. Wer integer ist, dem kann man zum Beispiel vertrauen – ein Megawert in unserer Zeit. Wer Transparenz zu seiner Unternehmensphilosophie macht, erntet Respekt. Verlässlichkeit, Loyalität, Fleiß, Disziplin und Korrekturfähigkeit sind „Mehrwerte“, die sich durchaus am Markt behaupten können. Dies gilt nach außen wie nach innen. Wer seine Mitarbeiter fördert, kann sie auch fordern. Wer geradlinig ist, ist auch berechenbar. Werteorientierte Führung ist deshalb ein Erfolgsfaktor! Es stimmt: Mit Werten kann man in Führung gehen.

Welche Werte sind besonders wichtig?

Alle Menschen in Leitungsverantwortung sollten bestimmte ethische Prinzipien beherzigen. Fundamental ist die eigene Glaubwürdigkeit, die Integrität. Wer nach seinen eigenen Maßstäben lebt, dem kann man vertrauen. Wer Ehrlichkeit auf seine Fahnen schreibt, der ist am Ende nicht der Dumme. Zu den Schlüsselwerten für Führungskräfte zählen aber auch die „alten“ Tugenden wie Disziplin, Fleiß und Bescheidenheit, die jahrelang nur mit Hohn und Spott bedacht wurden. Zu den wichtigen Werten zählen auch Korrektur- und Verantwortungsbereitschaft, die Teamfähigkeit und die Klugheit, die soziale Verantwortung und das ehrenamtliche Engagement für andere. Führung mit Werten heißt, sich für seine eigenen Fehler entschuldigen können, die Verantwortung für sein Handeln nicht auf andere abzuwälzen, die Mitarbeiter zu fördern und zu motivieren.

Vorbilder der Vergangenheit

Werteorientierte Führung ist dabei kein Novum aus unseren Tagen. Menschen mit Rückgrat und moralischem Profil hat es in der Geschichte immer gegeben. Einige Beispiele für ethische Führung finden wir schon in der Bibel, einem Buch, das viele gute Leiter kennt. Ob Moses oder Daniel, Nehemia oder David, Samuel oder Paulus – von ihnen zu lernen lohnt sich. Für viele Menschen in unserem Land ist das größte moralische Vorbild bis heute Jesus Christus, ein Sinnbild in Selbstlosigkeit, Zielstrebigkeit, Hingabe und Opferbereitschaft. Sein Umgang mit anderen Menschen war vorbildlich.

Führung mit Werten braucht Vorbilder der Vergangenheit, an denen wir uns orientieren können. Werteorientierte Führung hat sich bewährt. Und was damals gut war, kann heute nicht falsch sein.

Was unser Land braucht

Unser Land steht und fällt mit den Führungskräften. Sie tragen die Verantwortung für das Gemeinwesen, seies global oder lokal. Deutschland darf nicht nur als Exportweltmeister und Land der Ingenieure bekanntsein, sondern auch als Land der werteorientierten Führungskräfte. Wir müssen wieder ein Land werden, in dem man sich auf den anderen verlassen kann, wo das Wort des anderen etwas zählt, wo man demanderen vertrauen kann. Wir brauchen Leiter, die durch ihre Tugenden bekannt sind, Menschen mit Integrität. Wenn das wahr wird, haben wir einen unschätzbaren Standortvorteil, der in Euro nicht zu beziffern ist.

Prof. Dr. Stephan Holthaus

Prof. Dr. Stephan Holthaus

Endnoten