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Bio- & MedizinethikAllgemein

Ethische und theologische Perspektiven zur künstlichen Befruchtung

Gezeugt, nicht gemacht?!

I. Problemstellung

„Gib mir Kinder, sonst sterbe ich!“ (1Mo 30,1) Auf den ersten Blick scheinen diese Worte, die Rahel an ihren Ehemann Jakob richtete, unverhältnismäßig stark zu sein. Doch die dahinterliegenden Emotionen sind vielen der etwa zwei Millionen Paare in Deutschland bekannt, die unter ihrer ungewollten Kinderlosigkeit leiden. Unfruchtbarkeit kann bei den Betroffenen eine tiefe Krise auslösen. Die damit einhergehenden Gefühle von Trauer, Wut und Eifersucht führen dabei häufig zu Stress, Identitätsproblemen, Depressionen, Ehespannungen und sozialer Isolation. 

Doch während Rahel und die vielen anderen unfruchtbaren Frauen (und Männer) in der Bibel keine direkten Einflussmöglichkeiten auf ihren bedrückenden Zustand hatten, gibt es heutzutage einige medizinische Maßnahmen, die den Leidtragenden auf künstlichem Weg zu ihrem Kinderwunsch verhelfen. Seit 1978 Louise Brown, das erste sogenannte „Retortenbaby“, auf die Welt gekommen ist, wächst die Anzahl der reproduktionsmedizinischen Behandlungen. Weltweit kamen auf diesem Wege bereits etwa fünf Millionen Kinder zur Welt. 

Die vielen technischen Fortschritte der heutigen Medizin bringen allerdings auch ethische Fragestellungen mit sich. Denn es ist klar: nicht alles, was technisch machbar ist, ist zwangläufig auch ethisch akzeptabel. Hier stellt sich die offensichtliche Frage: Kann man die Anwendung von assistierten Reproduktionstechniken ethisch verantworten? Die Komplexität dieses Fachgebiets macht es dabei unmöglich, einfache schwarz-weiß Argumente und Ergebnisse zu präsentieren. Dennoch soll in dieser Dokumentation der Versuch unternommen werden, dieses vielschichtige Konfliktfeld zu durchdringen und zu einer ethisch angemessenen Perspektive zu gelangen.

Zunächst werden dafür die verschiedenen medizinischen Methoden, die rechtliche Situation in Deutschland und die ethischen Herausforderungen der vielschichtigen Entscheidungsprozesse erläutert. Diese werden daraufhin aus theologischer und ethischer Perspektive analysiert, um ein ganzheitliches Resultat zu gewinnen.  

II. Medizin und Recht

2.1. Medizinische Methoden

Ist es einem Paar unmöglich, ihren Kinderwunsch auf „natürlichem“ Wege (in vivo) zu erfüllen, bietet ihnen die Medizin einige „künstlichen“ Wege an. Da die vielfältigen Möglichkeiten unterschiedliche ethische Problematiken mit sich bringen, ist es erforderlich, sich mit ihnen einzeln vertraut zu machen.1Für die medizinische Erklärungen und Begriffe siehe Rae und Riley, Womb, 23–28.; Cooper and Glazer, Choosing, 40–45.; und http://www.onmeda.de/behandlung/kuenstliche_befruchtung.htm.

Assistierte Reproduktionstechnik (ART) ist der allgemeinste Begriff für künstliche Befruchtungsmethoden. Er umfasst dabei sowohl die Inseminationsvarianten, wie auch die In-vitro-Verfahren. 

Die einfachste, kostengünstigste, und für die Frau am wenigsten invasive Technik der Befruchtung ist die sogenannte Intrauterine Insemination (IUI). Hier werden die männlichen Samenzellen direkt in die Gebärmutter, den Gebärmutterhals oder den Eileiter gespritzt.  Dabei werden zwei Formen der Insemination unterschieden: Während bei der homologenen Insemination der Samen des Partners verwendet wird, wird die Eizelle bei der heterologenen Insemination mit dem Samen eines (anonymen) Spenders befruchtet (Samenspende). 

Die für viele wohl klassische Form der künstlichen Befruchtung ist die In-Vitro Fertilisation (IVF). Die Eierstöcke der Ehefrau oder einer Spenderin (Eizellenspende) werden dabei durch eine intensive Hormonbehandlung stimuliert, damit mehrere Eizellen heranreifen. Diese entnimmt der Arzt dann während des Eisprungs und bringt sie in einer Petri-Schale mit den Samen zusammen. Im Falle einer Befruchtung der Eizellen werden nach zwei bis fünf Tagen eine festgelegte Anzahl von Embryonen in die Gebärmutter eingepflanzt werden (Embryotransfer [ET]), in der Hoffnung dass sich daraus eine Schwangerschaft mit mindestens einem Embryo entwickelt. 

Es gibt auch einige Sonderformen der IVF. Hierzu gehört unter anderem die intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), auch Mikroinjektion genannt. Hierbei wird ein einzelnes, sorgfältig ausgewähltes Spermium direkt in die Eizelle injiziert. Kommt es dann zur erhofften Verschmelzung der Zellkerne, wird der Embryo in die Gebärmutter transferiert. 

Ebenfalls eine Abwandlung der IVF ist die In-vitro Maturation (IVM), bei der der Frau unreife Eizellen entnommen werden, die im Reagenzglas mittels natürlicher Hormone herangereift werden. Erst dann findet der Befruchtungsvorgang mit den männlichen Samenzellen statt. 

Beim intratubaren Gametentransfer (GIFT) findet die Befruchtung selbst im Körper der Frau statt. Durch Punktion werden der Frau  dabei Eizellen entnommen, die dann zusammen mit dem männlichen Samen in den Eileiter (nicht die Gebärmutter) implantiert werden, um dort die Befruchtung zu erzeugen. Der intratubare Zygotentransfer (ZIFT) stellt eine Variante des GIFT dar, bei der stattdessen die bereits im Reagenzglas befruchte Eizelle in den Eileiter gespritzt wird. 

Neben den verschiedenen Befruchungsmethoden gibt es noch einige andere medizinische und ethische Fragestellungen der künstlichen Befruchtung:

Von einer Leihmutterschaft spricht man dann, wenn eine andere Frau als die (soziale) Mutter das Kind austrägt, d.h. ihre Gebärmutter „verleiht“. Dabei wird der „Tragemutter“ entweder ein in-vitro befruchteter Embryo eingesetzt (meist von den „bestellenden“ Eltern [gestationelle Leihmutter]) oder aber sie wird lediglich mit dem Spermium des Mannes inseminiert, so dass sie selbst die genetische Mutter des Kindes ist (genentische Leihmutter). Je nach Vereinbarung kann die austragende Frau ihren Dienst ohne oder mit Bezahlung durchführen (altruistische und kommerzielle Leihmutterschaft).

Durch die Kryokonservierung werden Gameten und für den jeweiligen Behandlungszyklus überflüssige Embryonen in flüssigem Stickstoff eingefroren. Auf diesem Weg können die Zellen über einen langen Zeitraum gelagert werden, ohne ihre Vitalität zu verlieren.

Kommt es bei der IVF zu mehr Embryonen als nötig, die auch in späteren Zyklen nicht mehr verwendet werden wollen oder können, kann sich das Paar dazu entscheiden, ihre Embryos einem anderen Paar (unentgeltlich) zur Verfügung zu stellen: die Embryo-Adoption.

Zuletzt sei noch auf die Präimplantationsdiagnostik (PID) hingewiesen, die in-vitro befruchtete Embryos auf bestimmte Gendefekte hin untersucht. Meist führt das Ergebnis dieser Untersuchung zu der Entscheidung, ob ein Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt oder aufgrund seiner Defekte verworfen wird. 

2.2. Rechtliche Situation in Deutschland

Im Umgang mit dieser Vielfalt an biotechnischen Möglichkeiten sind klare rechtliche Maßstäbe notwendig. Viele der oben beschriebenen Maßnahmen sind in Deutschland, wenn überhaupt, nur mit Einschränkungen erlaubt. Obwohl ein auf die spezifischen Fragestellung der künstlichen Befruchtung ausgerichtetes Reproduktionsgesetz in Deutschland nicht existiert, wird das Thema doch durch ein komplexes „Netzwerk gesetzlicher Regelungen behandelt.“2Vgl. Franz Geisthövel, Monika Frommel et al., “Rechtslage der Reproduktionsmedizin in Deutschlands,” in Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 7.2 (2010): 96. Hierzu gehören unter anderem das Grundgesetz, das Embryonenschutzgesetz (ESchG), das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gewebegesetz. 

Die Gesetze haben dabei das Ziel, jeglichen Missbrauch des entstehenden menschlichen Lebens zu verhindern. Als Embryo gilt dabei bereits „die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an“ (ESchG §8 Abs.1). Dies hat einige Implikationen für die künstliche Befruchtung. Unter keinen Umständen darf dabei eine Eizelle zu einem anderen Zweck befruchtet werden, als die Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt. Somit sind sowohl die Forschung an und Experimente mit diesen Embryonen wie auch die Gewinnung von embryonalen Stammzellen ordnungswidrig.Beim Prozess der künstlichen Befruchtung dürfen in einem Zyklus nicht mehr als drei Eizellen befruchtet und nicht mehr als drei Embryonen übertragen werden. Während die Kryokonservierung vollständig befruchteter Eizellen untersagt ist, es sei denn, die Einpflanzung der Embryonen ist aus vorher unbekannten Gründen nicht durchführbar, sind die Betroffen jedoch dazu berechtigt, die Embryonen zu verwerfen, die nicht transferiert werden.3Vgl. Geisthövel, “Rechtslage,” 100.  Ei- und Samenzellen sowie sogenannte „Vorkernstadien“ dürfen allerdings kryokonserviert werden.4Hierbei handelt es sich um Samenzellen, die bereits in die Eizelle eingedrungen sind, bei denen jedoch die Verschmelzung der Zellkerne noch nicht stattgefunden hat.

Allgemein bevorzugt die Bundesärztekammer dabei die Behandlung verheirateter Paare. In Bezug auf die Mitwirkung von Drittparteien sind die Eizellenspende, die Leihmutterschaft sowie die Embryonenadoption untersagt. Ausschließlich die Samenspende ist zugelassen.5Auf diesem Wege können theoretisch auch lesbische Paare ihren Kinderwunsch erfüllen, wie ein Präzedenzfall Anfang 2014 gezeigt hat. Für schwule Partnerschaften allerdings bleibt dies zunächst verwehrt, da eine Leihmutterschaft notwendige Voraussetzung ist. 

Während die PID in Deutschland grundsätzlich verboten ist, einigte sich der Bundestag 2011 darauf, diese im Falle einer möglichen schwerwiegenden Erbkrankheit zuzulassen. Geschlechtsselektion sowie andere Auswahlkriterien, die mit Hilfe der PID festgestellt werden können, bleiben indessen verboten.  

In all diesen juristischen Fragestellungen bilden die folgenden rechtlichen und ethischen Grundprinzipien das maßgebende Fundament: die Freiheit zur Fortpflanzung, die Autonomie und das Wohl der Frau und des Paares, sowie der Lebensschutz und das Wohl des zukünftigen Kindes. 

Da die rechtlichen Bestimmungen in Deutschland im internationalen Vergleich als (zu) streng empfunden werden, ziehen es einige betroffene Paare in Betracht, ihre Behandlung im Ausland durchführen zu lassen, der sogenannte „Fruchtbarkeitstourismus“. Darüber hinaus sind biomedizinische Rechtsfragen durch den kontinuierlichen Fortschritt einem ständigen Wandel unterworfen. Daher ist es durchaus sinnvoll, auch die in Deutschland noch nicht erlaubten Methoden der künstlichen Befruchtung ethisch unter die Lupe zu nehmen. 

III. Entscheidungsprozesse

Sucht sich ein Paar, das akut mit ihrer Infertilität kämpft, ärztlichen Rat, fühlt es sich oft mit den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung überfordert. Denn jeder Behandlungsschritt bringt neue Entscheidungsspielräume und ethische Fragestellungen mit sich, die durchdacht werden müssen. Figur 1 stellt die verschiedenen Optionen überblicksartig dar. 

Fig. 1: ART Entscheidungen

Schritt #1: Die Grundsatzentscheidung

Zweifellos ist die Frage nach dem „ob“ die entscheidende, jedoch zugleich die allerschwierigste. Sollte die künstliche Befruchtung überhaupt in Betracht gezogen werden oder nicht? Denn ganz abgesehen von den ethischen Problematiken, geben  die niedrige „Erfolgsrate“, medizinische Risiken und die benötigten Finanzen berechtigte Gründe zur Zurückhaltung. 

Aus statistischer Perspektive scheint es überraschend, dass pro Behandlungszyklus nur knapp 30% der Eingriffe zu einer Schwangerschaft führen, von denen allerdings wieder nur etwa die Hälfte zu einer tatsächlichen Geburt führen. Die sogenannte „Baby-take-home-Rate“ liegt somit bei nur 18%.6Vgl. Deutsches IVF Register, “Jahrbuch 2012,” Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 10, Sonderheft 2, 12–14. Nach drei Behandlungszyklen bleiben also noch immer 50% der Paare kinderlos. Bei höherem Alter der Frau, bestimmten Gesundheitsfaktoren, psychischer Belastung des Paares und vorheriger Kryokonservierung können die Zahlen sogar noch weiter sinken. 

Auch die physischen und psychischen Belastungen sind keineswegs zu unterschätzen.7Für eine ausführliche Auflistung der Risiken siehe „Part 3: Risk Assessment“ in  Patricia Stephenson und Marsden G. Wagner, eds. Tough Choices: In Vitro Ferilization and the Reproductive Technologies. Health, Society, and Policy. Philadelphia: Temple University Press, 1993, 98–143. Hierzu gehören unter anderem unangenehme Nebenwirkungen und Risiken der Hormonbehandlung, das Risiko der Mehrlingsschwangerschaften (20-fach erhöhte Rate), Komplikationen bei den verschiedenen Eingriffen sowie der psychische Stress durch erfolglose Behandlungszyklen, „endloses“ Warten, fehlende Intimität des Verfahrens und partnerschaftliche Probleme. Auch das Kind selbst ist einigen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Zwar fehlt es aufgrund der relativen Novität der verschiedenen Behandlungsmethoden an Langzeitstudien, doch „die auffallend häufig vorkommenden Geburtsschäden, Entwicklungsstörungen und Erbdefekte“ können heutzutage nicht mehr wegretuschiert werden – auch wenn die direkten Ursachen noch nicht eindeutig festgestellt werden können.8Hofheinz, Gezeugt, 27.

Das größte Risiko birgt jedoch die bereits erwähnte Mehrlingsbildung – nicht nur für die Mutter, deren Organismus nicht auf eine Mehrlingsaustragung ausgerichtet ist, sondern auch für das Kind. Die dabei häufig viel zu früh geborenen Kinder sind den damit verbundenen Komplikationen unterworfen, die Entwicklungsstörungen, neurologische Defekte und spastische oder andere zerebrale Lähmungen beinhalten. Selbst ein selektiver Fetozid, die absichtliche Tötung eines Föten zur Reduzierung einer Mehrlingsschwangerschaft, euphemistisch als „Mehrlingsreproduktionsmaßnahme“ bezeichnet, bleibt eine Gefahr für die erwünschten Föten.9Ibid., 30.

Zuletzt sei aus praktischer Hinsicht auf die Finanzierungsproblematik hingewiesen. Denn die Kosten für eine Behandlung sind beträchtlich. Selbst wenn man die entsprechenden Voraussetzungen der Krankenkassen erfüllt, werden insgesamt nur 50% der Kosten für maximal drei Behandlungszyklen erstattet, so dass pro Zyklus noch immer mit ca. 1.500 bis 1.800 € Selbstbeteiligung zu rechnen ist.10Voraussetzungen für diese Unterstützung sind, dass die Frau das 40., der Mann das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, die beiden verheiratet sind und nur ihre eigenen Eizellen und Samen verwenden. 

Zieht es ein Paar trotz allem in Betracht, eine Behandlung in Kauf zu nehmen, müssen die vielen ethischen Fragen ergründet werden, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werden sollte. Hierzu gehören vier ethische Grundsatzprobleme, die alle im folgenden Teil ausführlich erläutert und theologisch evaluiert werden: a) die menschliche Geschöpflichkeit und ihre Grenzen; b) der Status des Embryos und seine Schutzwürdigkeit; c) die Beziehung zwischen Sexualität und Reproduktion; d) Wirtschaft, Forschung und der Dominoeffekt. 

Entscheidet man sich hier grundsätzlich gegen die Inanspruchnahme der künstlichen Befruchtung, bleiben einem Paar drei Alternativen: grundsätzlicher Verzicht auf Kinder, Adoption/Pflegekinder und gegebenenfalls andere medizinische Optionen.11So gibt es für Frauen derzeit bereits die Möglichkeit, sich einer Eierstocktransplantation oder einer Tuboplastie zu unterziehen. 

Schritt #2 und #3: Mithilfe – ja oder nein?

Ist man aus medizinischen oder rein pragmatischen Gründen auf die Mithilfe anderer Menschen angewiesen, um den Kinderwunsch zu erfüllen, gibt es die folgenden Optionen: die Eizellen- und Samenspende, die Embryoadoption und das Konzept der Leihmutterschaft. 

All diese Varianten werfen ähnliche ethische Problematiken auf. Hier geht es vor allen Dingen um Fragen der Sexualität, des Familienverständnisses und der Kommerzialisierung der Reproduktion. 

Schritt #4: Welche Methode?

Wie oben bereits ausführlich beschrieben, gibt es eine Vielfalt von Methoden der künstlichen Befruchtung. Während die Inseminationsmethoden weniger umstritten, jedoch auch weniger erfolgreich sind, werfen vor allem die In-vitro-Optionen einige ethische Fragen auf. Hier müssen die Chancen und Risiken zusammen mit den ethischen Konfliktbereichen verantwortlich abgewogen werden. 

Schritt #5: Und dann?

Hat man sich schließlich für eine Option entschieden, bleiben noch zwei Gegenstände zu besprechen: 

  1. Wie viele Embryonen sollten befruchtet werden? Präferiert man mehr Embryonen als für den IVF-Zyklus nötig, muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Embryos eingefroren, verworfen oder der „verbrauchenden Embryonen-Forschung“ überlassen werden können. Alle diese Alternativen rufen ernsthafte ethische Bedenken in Bezug auf den Embryonenschutz hervor. 
  2. Welche Rolle spielt die „Eugenik“ in der Durchführung? Sind PID und Fetozid akzeptierbare Selektionsverfahren? Und wie weit dürfen Forscher im Hinblick auf die menschliche Genmanipulation gehen?  

All diese hier genannten Fragestellungen werden nun im folgenden Teil aus ethischer und biblisch-theologischer Perspektive beleuchtet. 

IV. Theologie und Ethik der künstlichen Befruchtung

4.1. Menschliche Geschöpflichkeit 

a. Schöpfer vs. Schöpfung

Die Ausgangsfrage bleibt: Darf die Medizin alles praktizieren, was sie kann? Oder persönlich formuliert: Dürfen und sollten Betroffene reproduktionsmedizinische Verfahren in Anspruch nehmen? 

In der ethischen Diskussion aus christlicher Sicht haben bioethische Fragen dabei grundsätzlich sowohl eine theologische wie auch anthropologische Dimension. Insbesondere das Schöpfungshandeln des dreieinigen Gottes und die Ebenbildlichkeit des Menschen bilden hier die Eckpfeiler vieler bioethischer Schlussfolgerungen. Nach christlichem Verständnis befinden sich alle Menschen in ihrem Handeln in einer direkten Abhängigkeit von Gott. Gott, den Schöpfer, in seinem schöpferischen Handeln zu erkennen und zu fürchten, ist dabei eine wesentliche Bedingung, um sich selbst als Geschöpf mit den Grenzen des eigenen geschöpflichen Handelns wahrzunehmen und zu bewerten.12Vgl. Hofheinz, Gezeugt, 58. Daraus folgt eine Verantwortung des Menschen vor Gott. Denn als Ebenbilder Gottes sind die Menschen dazu berufen, über die Schöpfung zu herrschen (Gen 1:27–28). Die Geheimnisse der Natur zu lüften und sich diese in einer verantwortungsvollen Weise zu Nutze zu machen, ist ein wesentlicher Bestandteil dieses göttlichen Auftrags.13Vgl. Rae und Cox, Bioethics, 94–95. Die Möglichkeit,  naturwissenschaftliche und technische Erkenntnisse auf die Medizin anzuwenden, befähigt den Menschen, die negativen Folgen des Sündenfalls so weit wie möglich rückgängig zu machen – auch wenn diese den Tod selbst niemals „bezwingen“ werden.14Vgl. Ibid., 98–99. Wird die Medizin im Einklang mit Gottes Zweckbestimmungen verwendet, um die Schöpfung zu bewahren, und zu vollenden, ist sie also trotz aller Missbrauchsgefahren grundsätzlich ein Segen für die Menschheit. 

Generelle Ziele der Medizin sind dabei die Prävention und Kuration von Krankheiten, die Rehabilitation von Patienten und die Palliation (Linderung) der Beschwerden. Der letztgenannte Aspekt macht dabei deutlich, dass nicht alle medizinischen Eingriffe zwangsläufig der Heilung dienen müssen oder können.15Vgl. Körtner, Unverfügbarkeit, 52–53. Vielmehr geht es darum, trotz der gegebenen physischen Grenzen Leben zu erhalten und so weit wie möglich Leiden zu vermeiden. (Schmerz)medikamente und technische Errungenschaften können dabei die Krankheitssymptome eingrenzen und umgehen. So kann eine Dialysebehandlung zwar das Nierenversagen nicht rückgängig machen, aber dennoch Leben verlängern. Ebenso wenig kann eine Hörprothese den Schaden im Ohr des Patienten heilen, doch es kann ihm Gehör schaffen. 

Das gleiche gilt für die künstliche Befruchtung. Keine dieser Techniken heilt die Unfruchtbarkeit des Paares. Vielmehr umgeht es sie und versucht, die pathologischen Gründe mit technischen Mitteln zu kompensieren.16Vgl. O’Donovan, Begotten, 68–70. Aus dieser Perspektive überschreitet die Medizin bei der künstlichen Befruchtung ihre schöpfungstheologischen Grenzen nicht. 

Dennoch muss betont werden, dass der gewonnene Spielraum an den Grenzen des Lebens neue Verantwortungen mit sich bringt, die zum einen neue Risiken und Folgeprobleme erzeugen, zum anderen aber auch die letztendliche Unverfügbarkeit und Unkontrollierbarkeit des Lebens untermauern.17Vgl. Körtner, Unverfügbarkeit, 47.

b. Der Umgang mit Grenzen

Die theologisch unüberbrückbare Unterscheidung zwischen Schöpfer und Schöpfung schließt für die Menschen als Ebenbilder Gottes nicht nur das Herrschaftsmandat ein, sondern auch das Leben mit einer fundamentalen Begrenztheit. Denn „Geschöpfsein heißt in Grenzen existieren.“18Christian Link, “'Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei'” in Der machbare Mensch, 51. Auch die Unfruchtbarkeit ist eine solche Grenzerfahrung – eine (medizinische) Grenze, die oft eine soziale und geistliche Krise auslöst.19Vgl. Ryan, “Faith and Infertility,” in Moral Medicine, 866. Emotionale Frustration über diese persönliche Limitation ist vollkommen menschlich und nachvollziehbar. Es gibt kaum eine andere Grenzsetzung, die dermaßen existentiell erfahren wird, wie Kinderlosigkeit. Diese Grenzerfahrung allerdings mit in die Behandlung der künstlichen Befruchtung hineinzubringen, ist nicht unproblematisch. Zu hoch ist die Gefahr, das Gebären eines Babys zu überhöhen und seine eigenen Wünsche auf das Kind zu projizieren. Die emotionale Auseinandersetzung und Verarbeitung der Infertilität, so schwer sie ist, ist also äußerst wichtig, um zu einer weisen Entscheidung zu kommen.20Vgl. Stephen P. Greggo und Miriam Stark Parent, “Wisdom from Counseling” in Why the Church für einige Gedanken aus therapeutischer und seelsorgerlicher Perspektive.  Schließlich gehören zu einem holistischen Gesundheitsverständnis nicht nur die physischen Komponenten, sondern ebenso die psychischen. Der christliche Glaube kann dabei eine sehr große Hilfe sein. Gerade die persönliche Beziehung zu Gott und die Erfahrung der Güte und Nähe Gottes auch im Leid helfen in Grenzerfahrungen.21Darüber hinaus ist die Entwicklung von Tugenden ein wesentlicher Bestandteil der geistlichen Verarbeitung der Unfruchtbarkeit. Hierzu gehören: a) Zufriedenheit inmitten des persönlichen Leides – auch wenn das Problem selbst nicht behoben werden kann; b) Mut, Gottes alternativen Plänen zu folgen (z.B. lebenslange Kinderlosigkeit und geistliche Elternschaft); und c) geistliche Haushalterschaft, weise mit den anvertrauten zeitlichen und finanziellen Ressourcen umzugehen (vgl. VanDrunen, Bioethics, 124–27). All dies bedeutet aber keineswegs, dass betroffene Paare grundsätzlich nichts gegen ihre Unfruchtbarkeit unternehmen dürfen, doch es rückt ihr Leiden in ein neues Licht. 

4.2. Der Status des Embryos

a. Die Heiligkeit des Lebens

Jede bioethische Thematik, die sich mit Fragen über den Beginn des menschlichen Lebens auseinandersetzt, trifft früher oder später auf die komplexe Diskussion um den Embryo. Wann genau beginnt das menschliche Leben – sowohl aus medizinischer wie auch philosophischer Perspektive?22Unter anderem schlagen die beteiligten Stimmen dabei die Befruchtung, die Individuation, die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems, das Empfindungsvermögen, die Geburt und die Lebensfähigkeit des Embryos außerhalb der Gebärmutter als möglichen Beginn des Personseins vor (vgl. Rae und Riley, Womb, 89–100).

Trotz vieler Einwände ist bis heute der Abschluss der Befruchtung der Eizelle durch die Samenzelle aus medizinischen und theologischen Gesichtspunkten der überzeugendste Vorschlag zur Beantwortung dieser Frage. Medizinisch betrachtet ist diese Fertilisation ein einzigartiges und radikales Ereignis. Vor diesem Zeitpunkt existiert nichts, was als menschliches Leben erkennbar ist oder sich dazu heranbilden könnte. Weder die unbefruchtete Eizelle noch das Spermium haben die innewohnende Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln. Kommt es allerdings dazu, dass das Spermium in die Eizelle eindringt und die Gameten miteinander verschmelzen (Syngamie), entsteht ein genetisch vollkommen einzigartiges Wesen. Nach dieser einschneidenden Transformation im Prozess der Befruchtung durchlebt der daraus entstandene Embryo eine ununterbrochene, kontinuierliche Entwicklung, die den Embryo an keinem Punkt in ein anderes Wesen umwandelt.23Vgl. VanDrunen, Bioethics, 159–60. In dieser Hinsicht scheint es angebracht, bereits den befruchteten Embryo als Person zu identifizieren und ihn mit der damit einhergehenden Würde zu beachten. 

Biblisch-theologisch betrachtet gibt es keinen Text, der den Personenstatus eines Embryos ausführlich oder mit der erhofften medizinischen Präzision beschreibt. Dennoch weisen die wenigen vorhandenen Textstellen, die pränatales Leben erwähnen, eindeutig darauf hin, dass auch das ungeborene Kind Ebenbild Gottes ist und auch so behandelt werden sollte (Ps 22,10f.; 51,5; 139,13; Jer 1,5; Lk 1,15.41f.; 2.Mo 23,26; Hos 9,14).242.Mo 21,22–25 hat dabei wohl die größte Diskussion ausgelöst, da der Autor hier scheinbar zwischen geborenem und ungeborenem Leben unterscheidet. Der Unterschied liegt hier jedoch zwischen einer Frühgeburt im ersten Fall (mit keinem weiteren Schaden) und dem Tod des Embryos (nicht der Frau) im zweiten Fall (vgl. Ibid., 155–56). Aus christologischer Perspektive spielt auch die Tatsache, dass Jesu Leben mit der Befruchtung durch den Heiligen Geist begann, eine wesentliche Rolle (Lk 1:35). 

Was heißt das nun für die künstliche Befruchtung? Welche Grenzen sollten Betroffene dementsprechend nicht überschreiten? 

Daraus ergibt sich zunächst, dass Embryonen unter keinen Umständen verworfen und somit getötet werden dürfen. Dies gilt sowohl für den befruchteten Embryo in der Petrischale, wie auch für den implantierten Embryo. Ebenfalls tabu ist der Einsatz der Embryonen in der „verbrauchenden Embryonenforschung“. 

Darüber hinaus sollte man alles dafür tun, im jeweiligen Zyklus nur so viele Embryonen zu produzieren, wie nötig. Denn selbst das Einfrieren von überzähligen Embryonen ist unter den oben beschriebenen Gesichtspunkten ethisch bedenklich. Neben der grundsätzlichen Frage, ob man menschliches Leben überhaupt einfrieren sollte, kann selbst bei bester Intention nicht sichergestellt werden, dass diese Embryonen später ein „zu Hause“ finden.25Vgl. Ibid., 140. Daher sollte man das hohe und zugleich vollkommen unnötige Sterberisiko für die Embryonen vermeiden und auf die Kryokonservierung vollständig befruchteter Eizellen verzichten. Vielmehr sollte die Forschung danach streben, die Einfrierkapazitäten für die Eizellen und Spermien zu optimieren. Ist dies nicht möglich, bestehen starke Vorbehalte gegen die In-vitro Varianten, denn die Embryonen müssen auf alle Fälle geschützt werden. Wieviel Risiko ist an dieser aber Stelle legitim?

b. Zu jedem Risiko bereit?

In einer Welt, in der im 20. Jahrhundert achtmal mehr Kinder durch Abtreibung, als Menschen in Kriegen getötet wurden, ist es doch geradezu paradox, wieviel Energie, Zeit und Geld unfruchtbare Paare für ein gesundes Baby aufbringen.26Vgl. Hauerwas, Presence, 146. Eine weitere wichtige Frage lautet: Darf man selbst bei ethisch legitimen Methoden, bei denen keine Embryonen verworfen oder aktiv vernichtet werden, für die Erfüllung des Kinderwunsches das Leben vieler Embryos aufs Spiel setzen? Denn die niedrige Effizienzrate dieses Procederes führt letztendlich ja auch zu einer „Verschwendung“ von Embryonen.  Bedacht werden muss dabei die Tatsache, dass im Prozess der IVF zwar die Befruchtung „gesichert“ ist, aber die Wahrscheinlichkeit der Einnistung der befruchteten Eizelle geringer ist, als bei einer „natürlichen“ Empfängnis. Von daher fordert jedes Verfahren der künstlichen Befruchtung  im Umkehrschluss auch das Leben von mehr Embryonen.27Vgl. O’Donovan, Begotten, 71–72. Zwar nistet sich auch auf natürlichem Weg nicht jede befruchtete Eizelle in den Uterus ein (Erfolgsrate: 50%), doch die Zahlen liegen bei der künstlichen Befruchtung deutlich niedriger (25–30%).28Vgl. Sabine Sütterlin, Ungewollt kinderlos: Was kann die moderne Medizin gegen den Kindermangel in Deutschland tun?(Berlin: Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2007), 28.

Um die Chancen der Schwangerschaft zu erhöhen, werden daher mehrere Embryonen zugleich eingepflanzt. Dies bedeutet entweder, dass einige dieser Embryonen faktisch keine Überlebenschancen haben, da die Gebärmutter nur eine begrenzte Anzahl vollständig aufnehmen kann, oder dass eine Mehrlingsschwangerschaft entsteht. Dadurch steigt aber die Gefährdung für alle Embryonen, wie auch für die Mutter.29Vgl. Mooreland und Rae, Body, 281–82. Die sicherste Variante aus der Sicht des Embryos ist also, die Befruchtung und der Transfer von nur einem Embryo pro Zyklus. 

Wie soll man nun mit diesen Daten umgehen? Setzt die künstliche Befruchtung das Leben zu vieler Embryonen unnötig aufs Spiel? Oder ist es legitim, ein solches Risiko einzugehen, zumal das Sterben der Embryonen ja nicht durch ein aktives Handeln gegen diese ausgelöst wurde, wie dies bei der Abtreibung der Fall ist? 

Diese Frage ist aus ethischer Sicht nicht eindeutig zu beantworten. Doch jeder Mensch ist zu einem gewissen Grad auch für die Konsequenzen des eigenen Handelns verantwortlich. Schließlich sind es die Betroffenen selbst, die den Embryo in diese Gefahrenlage bringen. Daher sollte jedes betroffene Paar in allen Überlegungen auch das Leben des Embryos bewusst im Hinterkopf behalten. Denn, wenn es um Leben geht, ist es zweifellos besser, auf Nummer sicher zu gehen: in dubio pro vita

4.3. Implikationen für Sexualität und Familie

Neben dem hohen Risiko für die Embryos bemängeln Kritiker der künstlichen Befruchtung auch, dass das biblische Sexualitäts-, Fortpflanzungs- und Familienverständnis durch diese medizinischen Verfahren übertreten wird.

a. Sexualität und Fortpflanzung

Im Hinblick auf die intrinsische Zusammengehörigkeit von ehelicher Sexualität und Fortpflanzung meldet sich vor allem die katholische Kirche zu Wort.30Seit 1968 hat der Vatikan drei offizielle Dokumente veröffentlicht, die sich mit den biomedizinischen Aspekten der Sexualität und Fortpflanzung auseinandersetzen: Humanae Vitae (1968), Donum Vitae (1987) und Dignitas Personae (2008). Vgl. für die Texte www.vatican.va. Hauptgrund ihrer Vorbehalte gegen die ART ist die von Gott bestimmte zweigleisige, jedoch untrennbare Zweckbestimmung der Sexualität: Vereinigung und Fortpflanzung. Da diese Funktionen bei der künstlichen Befruchtung auseinandergerissen werden, wird die der Sexualität innewohnende und zu würdigende Beschaffenheit missachtet. Das Kind, das daraus entsteht, wurde ohne Liebesmotiv gezeugt und somit seines Rechtes auf eine natürliche, vollkommene Entstehung beraubt. Während technische Mittel den ehelichen Akt zwar unterstützen und die Zeugungsfähigkeit fördern dürfen, darf ein medizinischer Eingriff diesen aus moralischer Sicht nicht verdrängen.31Vgl. Rae und Riley, Womb, 63.

Ohne Zweifel deckt die katholische Kirche in diesen Verlautbarungen einige fundamentale Grundsätze auf, die die in 1.Mose 1–2 etablierte Schöpfungsordnung reflektieren. Doch während Sexualität und Fortpflanzung eindeutig in die Ehe gehören, ist es ein Fehlschluss, zu behaupten, dass jeder Geschlechtsakt ausnahmslos sowohl den vereinigenden als auch den prokreativen Aspekt beinhalten muss. Vielmehr geht es in den biblischen Darstellungen darum, dass die Ehe als Ganzes beide Aspekte enthält. Ehe wird dabei nicht auf einzelne sexuelle Begegnungen reduziert. Dies würde dem biblischen Eheleitbild nicht gerecht werden.32Vgl. O’Donovan, Begotten, 76–77. Genau wie nicht jeder Intimverkehr automatisch zur Zeugung eines Kindes führen wird und muss, ist es nicht zwingend, dass die Zeugung unbedingt aus dem Sexualakt hervorgeht.33Vgl. Rae und Riley, Womb, 66–68. Wesentlich ist hier, dass die verschiedenen Aspekte innerhalb der Ehe praktiziert werden. So sollte sich Fortpflanzung keineswegs außerhalb der ehelichen Gemeinschaft zutragen und sexuelle Intimität nur im Kontext verantwortungsvoller Fortpflanzung genossen werden.34Vgl. Rae, Brave, 52. Niemals sollte künstliche Befruchtung demnach das Sexualleben des Paares trotz ihrer Unfruchtbarkeit ersetzen.35Für Paare, denen die Spermiengewinnung durch Masturbation verständlicherweise Unbehagen bereitet, gibt es inzwischen Spezialkondome für ART, die die Spermien nach der Ejakulation im Geschlechtsverkehr auffangen, ohne diese wie handelsübliche Kondome abzutöten. 

b. Gezeugt, nicht gemacht

Doch auch wenn in diesem Zusammenhang nicht unmittelbar etwas verloren geht, da die künstliche Befruchtung innerhalb des Ehekontextes praktiziert wird, macht sich eine Verschiebung bemerkbar, die nicht unterschätzt werden darf. Denn in unterschwelliger Weise rückt der Schwerpunkt der Fortpflanzung von der Prokreation zur Reproduktion.36Vgl. VanDrunen, Bioethics, 104. Tatsache ist, dass die Befruchtung im Labor durchaus als „Produkt“ bezeichnet werden kann.37Vgl. Tollefsen, “Fertilization,” 454–56 und Hofheinz, Gezeugt, 106–61. Anstatt dass Kinder von ihren Eltern gezeugt werden, so wie Christus von Gott gezeugt wurde, werden sie heutzutage „gemacht“ und das auf mechanistische Weise.38Vgl. Hofheinz, Gezeugt, 456–82 und Demy und Bouma III, Genetic, 185. Fortpflanzung wird dabei auf die Vereinigung zweier Gameten reduziert und steht so in der Gefahr, ihre Ganzheitlichkeit zu verlieren.39Vgl. Lauritzen, “Whose Bodies? Which Selves? Appeals to the Embodiment in Assessments of Reproductive Technology,” in Moral Medicine, 853. Durch die Abkoppelung der Befruchtung vom Körper kann der Embryo instrumentalisiert werden und steht damit in der Gefahr, seinen Personenstatus zu verlieren.40Vgl. Ibid., 851. Er dient mitunter den Interessen der Eltern und ermöglicht deren Selbstverwirklichung.41Vgl. Meilaender, Bioethics, 13. Denn ganz unvermutet kann ein hierarchisches Denken entstehen, dass den In-vitro Embryo als weniger schützenswert einstuft, als den Embryo in der Gebärmutter oder das bereits geborene Baby. Denn intuitiv betrachtet ist es schwer, Zellen in einem Reagenzglas als menschliches Leben zu bezeichnen.42Vgl. Mooreland und Rae, Body, 273–74.

Es wäre ungerechtfertigt, jedem Paar, das künstliche Befruchtung in Anspruch nimmt, eine solche Distanzierung vom eigenen Nachwuchs vorzuwerfen. Schließlich kann auch das in ungünstigen Umständen entstandene Kind Frucht der liebenden Einheit zwischen Mann und Frau sein.43Vgl. Rae, Brave, 49–52. In-vitro Embryos werden also nicht automatisch zum Eigentum der Eltern. 

Hilfreich ist aber auch dabei die Haltung des Glaubens. Mit einer realistischen Perspektive und demütigen Haltung gegenüber dem Schöpfer der Welt, der – trotz aller menschlichen Betätigung, technologischen Errungenschaften und der dadurch empfundenen Macht (über Leben und Tod) – auch diesen Embryo ins Leben ruft, können auch In-vitro-Kinder als Geschenk Gottes dankbar angenommen werden.44Vgl. Hauerwas, Presence, 152.

c. Spenderoptionen und Leihmütter

Schließlich sei an dieser Stelle noch auf die vielfältigen Implikationen der künstlichen Befruchtung für Ehe und Familie hingewiesen. Hier geht es vor allem um die Reproduktionsmethoden, die dritte Parteien beteiligen.Kritiker sehen in diesen Befruchtungsoptionen einen Fall von „Ehebruch“. Dies begründen sie damit, dass eine außenstehende Person in einen Bereich eindringt, der ausschließlich für die Ehe vorbehalten ist. Doch selbst wenn die Spenderoptionen keine sexuellen Beziehungen außerhalb der Ehe erfordern und der Einsatz des Spendermaterials niemals ohne die Zustimmung des Partners stattfindet, ist es nicht vollkommen unangebracht, im Sinne des Ehebruchsverbotes zu argumentieren.45Vgl. VanDrunen, Bioethics, 132–33. Denn die Fortpflanzung gehört nach dem ethischen Verständnis des christlichen Glaubens in die Ehe – auch dann wenn diese indirekt vom Sexualakt getrennt werden kann. In dieser Hinsicht ist der Embryo in der Gebärmutter der Frau also “außerehelich“ entstanden. Dementsprechend sollten fremde Gameten im Befruchtungsprozess keine Rolle spielen.46Vgl. Ibid., 133.

Einige Befürworter der Spenderoptionen verweisen auf die in der Bibel angeordnete Leviratsehe, um ihre Überzeugung zu rechtfertigen (5.Mo 25,5–10). Hier sollte der überlebende Bruder die Witwe des verstorbenen Bruders heiraten, für diesen Nachkommen zeugen und aufziehen. Doch eine solche Analogie ist hinfällig. Denn theoretisch wird in dieser Konstellation keine dritte Partei in den Befruchtungsprozess miteinbezogen, da die Frau Witwe ist. Zudem handelt es sich nicht nur um einen Inseminationsprozess. Denn der Mann heiratet die Frau und übernimmt Verantwortung für sie und die gezeugten Kinder – auch wenn das erstgeborene Kind nach israelitischem Recht offiziell als Spross des Verstorbenen gesehen wird.47Vgl. Ibid., 44. 

Ist diese Zurückhaltung gegen die Einbeziehung Dritter auch auf die Embryo-Adoption anzuwenden, wie sie z.B. in den USA erlaubt ist? Schließlich kann man durch diese Praxis Embryonen das Leben retten, die ansonsten keine Überlebenschance hätten. 

Während es ethisch gesehen definitiv vorzuziehen wäre, auf die Produktion überschüssiger Embryos vollständig zu verzichten, stellt sich die Frage, ob und wie man die Ungerechtigkeit der vielen bereits existierenden kryokonservierten Embryos beheben kann. Grundsätzlich ist dies aufgrund der Schutzwürdigkeit des Lebens von allen Spenderoptionen sicherlich die am ehesten vertretbare, doch auch bei dieser Praxis treten ethische Komplexitäten zu Tage. Zwar befindet sich auch hier ein genetisch nicht verwandter Embryo in der Gebärmutter der Frau, aber dieser wurde nicht unmittelbar für diese unvorteilhafte Lage ins Leben gerufen. Es ist und bleibt ein Ausnahmezustand, der in keinem Fall die Regel werden sollte, indem man (aus wirtschaftlichen Gründen) verwaiste Embryonen erzeugt. Trotz allem sollte man diese Maßnahme nur nach reichlicher Überlegung in Erwägung ziehen. Denn es ist äußerst notwendig, auch die physischen und psychischen Auswirkungen dieser Entstehung auf das Kind zu berücksichtigen. 

Eine etwas andere Variante der Einbeziehung von außenstehenden Personen ist die Leihmutterschaft. Doch sowohl die genetische wie auch die gestationelle Anwendung dieser Praxis sind ethisch verwerflich. Denn ähnlich wie bei den Spenderoptionen greift auch diese Art der Fortpflanzung in das eheliche Bündnis ein. 

Befürworter der Leihmutterschaft berufen sich hierbei oft auf die verschiedenen Parallelen in der Bibel. Die komplizierten Beziehungen zwischen Abraham, Sarah und Hagar (1.Mo 16) sowie zwischen Jakob, Rahel, Lea und ihren Sklaven (1.Mo 30) sind hier wohl die bekanntesten Beispiele. Zwar werden in beiden Fällen Leihmutterschaftsverhältnisse kommentarlos beschrieben, doch daraus kann man keine normativen Schlüsse ziehen. An keiner Stelle wird diese Praxis explizit gestattet oder verboten. Doch die negativen Auswirkungen der beschriebenen Konstellationen (Streit, Misstrauen, Eifersucht) könnten ein narrativer Indiz dafür sein, sich von ähnlichen Arrangements fernzuhalten. Darüber hinaus sollten Leser nicht übersehen, dass es zwischen den biblischen und heutigen Varianten zwei entscheidende Unterschiede gibt. Zum einen involvierte die biblische Praxis Sklaven, die ohne ihre Einwilligung zu diesem Dienst herangezogen wurden. Zum anderen wurde die Frau in damaliger Praxis durch den eigentlichen Akt des Geschlechtsverkehrs geschwängert, während heute entweder die IUI oder der ET angewendet wird.48Vgl. Rae und Riley, Womb, 46–47.

Aus familientheologischer Sicht gibt es über die sexualethische Kritik hinaus noch zwei weitere Kritikpunkte an der stellvertretenden Schwangerschaft. Erstens hat diese Dienstleistung Auswirkungen auf die Beziehung zwischen der Mutter und dem Kind. Denn zum einen muss sich die austragende Mutter emotional von dem Kind in ihrem Leib distanzieren und ihr Baby nach der Geburt weggeben. Zum anderen kann die soziale Mutter während der Schwangerschaft nicht die für das Kind so wichtige Bindung aufbauen.49Vgl. Ibid., 180–82.

Zweitens stellt sich die Frage, ob es legitim ist, mit Absicht eine Situation zu schaffen, in der biologische Verbindungen durcheinander gebracht oder vollkommen zerrissen werden. Denn im Kern sind sowohl Leihmutterschaft wie auch Spendervarianten nichts anderes als künstlich erzeugte Adoptionsszenarien. Adoption ist biblisch gesehen zwar ein Akt der Nächstenliebe, doch es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der klassischen und der konstruierten Adoption. Denn während die erstgenannte auf die tragische Situation eines verwahrlosten oder verwaisten Kindes reagiertund versucht, das Beste daraus zu machen, kreiert die letztgenannte willentlich einen solchen Krisenzustand.50Vgl. VanDrunen, Bioethics, 135. Hier ist die klassische Adoption in jedem Fall vorzuziehen. 

4.4. Wirtschaft und Forschung

a. Das Problem der Kommerzialisierung

In all diesen Belangen sollten Betroffene die wirtschaftlichen Aspekte und die Gefahr der Kommerzialisierung der Reproduktion nicht aus den Augen verlieren. Besonders die Einbeziehung außenstehender Personen in den Prozess der Fortpflanzung öffnet dabei die Tür für einen „Baby-Markt“. International ist bereits eine große Nachfrage zu beobachten. Ausgelesene Samen, Eizellen und Embryonen werden verkauft, Gebärmütter gemietet. Selbst in Fällen, in denen die Beteiligten lediglich finanziell für die medizinischen Kosten und den sonstigen Aufwand kompensiert werden, kommt dies einem Geschäftsabschluss nahe. 

Dies ist jedoch ein äußerst problematisches Unterfangen. Denn als Ebenbilder Gottes dürfen menschliche Körperteile oder gar Embryonen nicht als Ware behandelt und verkauft werden.51Vgl. Heinrich Bedford-Strohm, “Würde Oder Ware?” in Der Machbare Mensch, 121–40. Selbst die biologische Herkunft macht sie nicht zum Eigentum ihrer Spender.52Vgl. Hauerwas, Presence, 152. Dies verstößt gegen ihre menschliche Würde.53Vgl. Rae, Brave, 160 und Lauritzen, “Bodies,” 851.

Doch auch ohne die Anwendung dieser fragwürdigen Variante, ist und bleibt die künstliche Befruchtung, auch in Deutschland, ein lukratives Geschäft.54Vgl. Scott B. Rae und Helen Eckmann, “Wisdom from Business,” in Why the Church, 44. Aus Sicht der Forschung stellt sich dabei die Frage, warum nicht mehr in (kostengünstigere und effizientere) medizinische Alternativen investiert wird. Aus Sicht der Patienten muss abgewogen werden, ob die finanziellen Ressourcen an dieser Stelle nicht besser eingesetzt werden könnten.55Vgl. Hauerwas, Presence, 154. Hier ist zweifellos Weisheit und Urteilsvermögen gefragt. 

b. Die Gefahr der natürliche Selektion?

Durch den medizinischen Fortschritt gibt es nicht nur mehr Chancen, sondern auch größere Auswahlmöglichkeiten für die Patienten. Dies ist aus ethischer Sicht nicht immer nur ein Vorteil. So bietet die Reproduktionsmedizin einige Behandlungen an, die angeblich der Mutter, einer ganzheitlichen Familienerfahrung und den gesellschaftlichen Bedürfnissen dienen – leider meist auf Kosten des Embryos. Die Wissenschaft wirbt dabei für ein Menschenbild, das starke Tendenzen in Richtung Eugenik aufweist, eine Praxis, die danach strebt, positiv bewertete Erbanlagen zu vergrößern, negativ bewertete zu verringern.56Vgl. Hofheinz, Gezeugt, 44–45. Bekannt ist diese “Rassenhygiene” vor aus dem Nationalsozialismus.  Behandlungen wie PID und die heiß diskutierte Genmanipulation gehören in diese Kategorie. Aber auch eine Ultraschall-Behandlung, die aufgrund mangelhafter Ergebnisse zu einem Fetozid führt, kann dazugezählt werden. Da alle diese Varianten das Leben des Embryos aufs Spiel setzen, sind diese aus christlicher Perspektive abzulehnen. 

Darüber hinaus bieten sowohl die Spenderoptionen wie auch die Genforschung Selektionsmöglichkeiten im Reproduktionsprozess. Paare können sich so aus einem Pool von genetischem Material ihr „perfektes“ Baby kreieren. Doch auch wenn ein solches Verfahren keine unmittelbare Bedrohung für das Leben des Embryos darstellt, ist dies ethisch zu hinterfragen. Denn diese „Designerbabys“ werfen ernsthafte Fragen in Bezug auf das christliche Menschenbild auf. Der Mensch verwendet dabei subjektive Kriterien und gesellschaftliche Maßstäbe, um die Qualität des Materials und der Gene zu bewerten und erstellt so eine eigene Wertehierarchie. Des Weiteren wird menschliches Leben dabei auf die Zusammensetzung der Gene reduziert, während die vielen sozialen Kriterien außer Acht gelassen werden. Zuletzt wird das Baby hier eindeutig als Produkt behandelt, das einen bestimmten Qualitätsstandard erreichen muss. All dies widerspricht der Würde und der Unverfügbarkeit des Menschen. 

c. Der Dominoeffekt der Unmoral

Rückblickend auf die Herkunft und Entstehung der künstlichen Befruchtung, stellt sich außerdem die Frage, ob es ethisch legitim ist, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen, die durch unethische Mittel entstanden und optimiert wurde.57Vgl. Inez de Beaufort und Veronica English, “Between Pragmatism and Principles?” in Assisted Conception: Research, Ethics and Law (Aldershot: Ashgate, 2000), 57–65. Vorausblickend auf die Folgeerscheinungen und viel debattierten Zukunftsmöglichkeiten der künstlichen Befruchtung ist zusätzlich zu fragen, ob die Forschung bereits durch die Anwendung der Befruchtungsmethoden den Rubikon überschritten hat, da erst durch diese Methoden viele ethisch äußerst bedenkliche Techniken ermöglicht wurden. Denn genau genommen gäbe es ohne die IVF keine PID, ohne PID keine embryonale Stammzellforschung.58Vgl. Hofheinz, Gezeugt, 44 und Dietmar Mieth, “Menschenbild und Menschenwürde angesichts des Fortschritts der Biotechnik,” in Der machbare Mensch, 57. Hier kommt das sogenannte „Slippery-Slope-Argument“ ins Spiel, das behauptet, durch die künstliche Befruchtung sei ein unaufhörlicher Prozess in Gang gesetzt worden, der viele unethische Techniken mit sich bringt. 

Für Vertreter dieses Argumentes ist klar, dass man ethisch inkonsequent ist, wenn man die Folgeerscheinungen der künstlichen Befruchtung verwirft, jedoch die Praxis selbst für gut heißt. Doch dies ist nicht zwangsläufig ein gültiges Argument. Denn schließlich sollte man nur um das Böse selbst einen Zaun errichten, nicht aber um das Potential zum Bösen. Nur weil ein bestimmtes Handeln für das Böse missbraucht werden kann, ist es nicht automatisch unmoralisch, es für etwas Gutes anzuwenden.59Vgl. Demy und Bouma III, Genetic, 155–56.

Ein generelles Bewusstsein über diese Hintergrunddebatte und die Tatsache, dass weder der einzelne Patient noch die Politik die Reproduktionsindustrie wirklich steuern können, kann und sollte trotz allem einen Einfluss auf die individuelle Grundsatzentscheidung haben. 

V. Abschließende Thesen

Zuletzt sollen thesenartig die verschiedenen Komponenten der künstlichen Befruchtung zusammengeführt werden, um zu einer ethischen Bewertung dieser Praxis zu gelangen. 

  1. Ausgangspunkt jeglicher Auseinandersetzung und Anwendung der künstlichen Befruchtung muss eine Einstellung der Demut sein, die die Souveränität des dreieinigen Schöpfergottes hervorhebt und die Grenzen der menschlichen Geschöpflichkeit annimmt und den (technischen) Machbarkeitswahn vermeidet. 
  2. Inmitten der vollkommen verständlichen Trauer und Frustration über die eigene Kinderlosigkeit, ist es für das Paar wesentlich, gemeinsam einen Prozess der emotionalen Heilung einzuleiten. Dabei kann der christliche Glaube eine große Hilfe sein, um geistliche Perspektiven und Tugenden zu entfalten.
  3. Aufgrund des hohen psychischen, zeitlichen und finanziellen Aufwandes der künstlichen Befruchtung sollten Betroffene behutsam abwägen, wie die begrenzten persönlichen Ressourcen weise investiert werden können. 
  4. Chancen und Risiken der verschiedenen Behandlungen sollten realistisch betrachtet und bewertet werden. Die Auswirkungen, die der persönliche Entschluss auf alle möglichen Beteiligten haben kann, müssen in jedem Fall beachtet werden. 
  5. Eine Entscheidung für die künstliche Befruchtung, besonders die In-vitro-Methoden sollte nur dann als therapeutische Maßnahme gewählt werden, wenn zuvor alle medizinischen und sozialen Alternativen in Erwägung gezogen wurden. Denn aus familientheologischen Gründen sind der Verzicht auf biologische Kinder und die daraus erwachsenden Möglichkeiten von Adoption oder Pflegeverhältnissen keineswegs zweitklassig.
  6. Künstliche Befruchtung sollte ausschließlich von heterosexuellen, verheirateten Paaren in Anspruch genommen werden. 
  7. Das Leben des Embryos beginnt mit seiner Befruchtung. Als Ebenbild Gottes wohnt ihm daher die Menschenwürde inne. Der Schutz seines Lebens sollte demnach in allen Behandlungen höchste Priorität haben. 
  8. Das Wegwerfen oder die Kryokonservierung überzähliger extrakorporaler Embryos ist somit ethisch verwerflich. Ebenso missachten sowohl die verbrauchende Embryonenforschung, die PID und die Abtreibung den Personenstatus des neuen Lebens. Auch diese sind demnach ausnahmslos zu verbieten. 
  9. Die homologe IUI und die GIFT sind ethisch völlig unbedenklich, da in beiden Fällen die Befruchtung innerhalb der Frau stattfindet und so Embryos nicht unnötig gefährdet werden.
  10. Die verschiedenen In-vitro-Behandlungen sollten jedoch nur mit dem größten Vorbehalt und unter möglichst geregelten Bedingungen stattfinden. Grundsätzlich sollten nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie für den entsprechenden Zyklus benötigt werden. Optimalerweise sollte die Behandlung auf einen Embryo pro Zyklus reduziert werden.
  11. Jegliche Spendervarianten sind prinzipiell abzulehnen.
  12. Auch das Konzept der Leihmutterschaft ist aus moralischer Perspektive nicht zu billigen.
  13. Die Embryo-Adoption ist ein Akt der Barmherzigkeit, der abgelehnten und verwaisten Embryonen eine Überlebenschance bietet. Trotz allem sollte sie nur nach reiflicher Überlegung durchgeführt werden. 
  14. Jegliche Kommerzialisierung der Reproduktionsmedizin muss vermieden werden. Menschliches Leben darf unter keinen Umständen als Produkt und Ware behandelt und verkauft werden. 
  15. In all dem darf man keineswegs vergessen, dass jedes Kind – auch das In-vitro Kind – ein Geschenk Gottes ist, das mit Dankbarkeit angenommen und mit Liebe aufgezogen werden sollte. 

© 2014 Institut für Ethik & Werte

Eva Dittmann PhD

Eva Dittmann PhD

Dozentin am Theologisches Seminar Rheinland

Endnoten

  • 1
    Für die medizinische Erklärungen und Begriffe siehe Rae und Riley, Womb, 23–28.; Cooper and Glazer, Choosing, 40–45.; und http://www.onmeda.de/behandlung/kuenstliche_befruchtung.htm.
  • 2
    Vgl. Franz Geisthövel, Monika Frommel et al., “Rechtslage der Reproduktionsmedizin in Deutschlands,” in Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 7.2 (2010): 96. Hierzu gehören unter anderem das Grundgesetz, das Embryonenschutzgesetz (ESchG), das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gewebegesetz. 
  • 3
    Vgl. Geisthövel, “Rechtslage,” 100. 
  • 4
    Hierbei handelt es sich um Samenzellen, die bereits in die Eizelle eingedrungen sind, bei denen jedoch die Verschmelzung der Zellkerne noch nicht stattgefunden hat.
  • 5
    Auf diesem Wege können theoretisch auch lesbische Paare ihren Kinderwunsch erfüllen, wie ein Präzedenzfall Anfang 2014 gezeigt hat. Für schwule Partnerschaften allerdings bleibt dies zunächst verwehrt, da eine Leihmutterschaft notwendige Voraussetzung ist. 
  • 6
    Vgl. Deutsches IVF Register, “Jahrbuch 2012,” Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 10, Sonderheft 2, 12–14.
  • 7
    Für eine ausführliche Auflistung der Risiken siehe „Part 3: Risk Assessment“ in  Patricia Stephenson und Marsden G. Wagner, eds. Tough Choices: In Vitro Ferilization and the Reproductive Technologies. Health, Society, and Policy. Philadelphia: Temple University Press, 1993, 98–143.
  • 8
    Hofheinz, Gezeugt, 27.
  • 9
    Ibid., 30.
  • 10
    Voraussetzungen für diese Unterstützung sind, dass die Frau das 40., der Mann das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, die beiden verheiratet sind und nur ihre eigenen Eizellen und Samen verwenden. 
  • 11
    So gibt es für Frauen derzeit bereits die Möglichkeit, sich einer Eierstocktransplantation oder einer Tuboplastie zu unterziehen. 
  • 12
    Vgl. Hofheinz, Gezeugt, 58.
  • 13
    Vgl. Rae und Cox, Bioethics, 94–95.
  • 14
    Vgl. Ibid., 98–99.
  • 15
    Vgl. Körtner, Unverfügbarkeit, 52–53.
  • 16
    Vgl. O’Donovan, Begotten, 68–70.
  • 17
    Vgl. Körtner, Unverfügbarkeit, 47.
  • 18
    Christian Link, “'Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei'” in Der machbare Mensch, 51.
  • 19
    Vgl. Ryan, “Faith and Infertility,” in Moral Medicine, 866.
  • 20
    Vgl. Stephen P. Greggo und Miriam Stark Parent, “Wisdom from Counseling” in Why the Church für einige Gedanken aus therapeutischer und seelsorgerlicher Perspektive. 
  • 21
    Darüber hinaus ist die Entwicklung von Tugenden ein wesentlicher Bestandteil der geistlichen Verarbeitung der Unfruchtbarkeit. Hierzu gehören: a) Zufriedenheit inmitten des persönlichen Leides – auch wenn das Problem selbst nicht behoben werden kann; b) Mut, Gottes alternativen Plänen zu folgen (z.B. lebenslange Kinderlosigkeit und geistliche Elternschaft); und c) geistliche Haushalterschaft, weise mit den anvertrauten zeitlichen und finanziellen Ressourcen umzugehen (vgl. VanDrunen, Bioethics, 124–27).
  • 22
    Unter anderem schlagen die beteiligten Stimmen dabei die Befruchtung, die Individuation, die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems, das Empfindungsvermögen, die Geburt und die Lebensfähigkeit des Embryos außerhalb der Gebärmutter als möglichen Beginn des Personseins vor (vgl. Rae und Riley, Womb, 89–100).
  • 23
    Vgl. VanDrunen, Bioethics, 159–60.
  • 24
    2.Mo 21,22–25 hat dabei wohl die größte Diskussion ausgelöst, da der Autor hier scheinbar zwischen geborenem und ungeborenem Leben unterscheidet. Der Unterschied liegt hier jedoch zwischen einer Frühgeburt im ersten Fall (mit keinem weiteren Schaden) und dem Tod des Embryos (nicht der Frau) im zweiten Fall (vgl. Ibid., 155–56).
  • 25
    Vgl. Ibid., 140.
  • 26
    Vgl. Hauerwas, Presence, 146.
  • 27
    Vgl. O’Donovan, Begotten, 71–72.
  • 28
    Vgl. Sabine Sütterlin, Ungewollt kinderlos: Was kann die moderne Medizin gegen den Kindermangel in Deutschland tun?(Berlin: Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2007), 28.
  • 29
    Vgl. Mooreland und Rae, Body, 281–82.
  • 30
    Seit 1968 hat der Vatikan drei offizielle Dokumente veröffentlicht, die sich mit den biomedizinischen Aspekten der Sexualität und Fortpflanzung auseinandersetzen: Humanae Vitae (1968), Donum Vitae (1987) und Dignitas Personae (2008). Vgl. für die Texte www.vatican.va.
  • 31
    Vgl. Rae und Riley, Womb, 63.
  • 32
    Vgl. O’Donovan, Begotten, 76–77.
  • 33
    Vgl. Rae und Riley, Womb, 66–68.
  • 34
    Vgl. Rae, Brave, 52.
  • 35
    Für Paare, denen die Spermiengewinnung durch Masturbation verständlicherweise Unbehagen bereitet, gibt es inzwischen Spezialkondome für ART, die die Spermien nach der Ejakulation im Geschlechtsverkehr auffangen, ohne diese wie handelsübliche Kondome abzutöten. 
  • 36
    Vgl. VanDrunen, Bioethics, 104.
  • 37
    Vgl. Tollefsen, “Fertilization,” 454–56 und Hofheinz, Gezeugt, 106–61.
  • 38
    Vgl. Hofheinz, Gezeugt, 456–82 und Demy und Bouma III, Genetic, 185.
  • 39
    Vgl. Lauritzen, “Whose Bodies? Which Selves? Appeals to the Embodiment in Assessments of Reproductive Technology,” in Moral Medicine, 853.
  • 40
    Vgl. Ibid., 851.
  • 41
    Vgl. Meilaender, Bioethics, 13.
  • 42
    Vgl. Mooreland und Rae, Body, 273–74.
  • 43
    Vgl. Rae, Brave, 49–52.
  • 44
    Vgl. Hauerwas, Presence, 152.
  • 45
    Vgl. VanDrunen, Bioethics, 132–33.
  • 46
    Vgl. Ibid., 133.
  • 47
    Vgl. Ibid., 44. 
  • 48
    Vgl. Rae und Riley, Womb, 46–47.
  • 49
    Vgl. Ibid., 180–82.
  • 50
    Vgl. VanDrunen, Bioethics, 135.
  • 51
    Vgl. Heinrich Bedford-Strohm, “Würde Oder Ware?” in Der Machbare Mensch, 121–40.
  • 52
    Vgl. Hauerwas, Presence, 152.
  • 53
    Vgl. Rae, Brave, 160 und Lauritzen, “Bodies,” 851.
  • 54
    Vgl. Scott B. Rae und Helen Eckmann, “Wisdom from Business,” in Why the Church, 44.
  • 55
    Vgl. Hauerwas, Presence, 154.
  • 56
    Vgl. Hofheinz, Gezeugt, 44–45. Bekannt ist diese “Rassenhygiene” vor aus dem Nationalsozialismus. 
  • 57
    Vgl. Inez de Beaufort und Veronica English, “Between Pragmatism and Principles?” in Assisted Conception: Research, Ethics and Law (Aldershot: Ashgate, 2000), 57–65.
  • 58
    Vgl. Hofheinz, Gezeugt, 44 und Dietmar Mieth, “Menschenbild und Menschenwürde angesichts des Fortschritts der Biotechnik,” in Der machbare Mensch, 57.
  • 59
    Vgl. Demy und Bouma III, Genetic, 155–56.

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