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Bio- & MedizinethikAllgemeinPaar-, Familien- & SexualethikEhe- und Familienethik

Hormonelle Kontrazeptiva

Eine christlich-ethische Beurteilung der „Anti-Baby-Pille"

I. Die „Pille“ – Überhaupt ein Thema? 

Tina, 22, ist frisch verheiratet und kommt gerade vom Frauenarzt, von dem sie sich hinsichtlich der besten Verhütungsmethoden beraten lassen hat. Sie und ihr Mann hoffen durchaus, irgendwann Kinder zu bekommen, aber eben nicht sofort. Beide wollen die ersten Ehejahre ohne Kinder erleben, um so in Ruhe ihre Ausbildung abzuschließen und den Berufseinstieg zu schaffen. Die Empfehlung des Arztes? Die Antibabypille. Sie schneide nicht nur im Vergleich zu anderen Verhütungsmitteln deutlich besser ab, sondern habe außerdem den Vorteil, die Überbleibsel pubertärer Hautunreinheiten zu bekämpfen und insgesamt den weiblichen Zyklus berechenbarer und damit planbarer zu machen. Also alles in allem ein klarer Fall für die Pille bzw. hormonelle Verhütung insgesamt.

Die Aussage des Arztes scheint zumindest statistisch zutreffend zu sein. Aufgrund ihrer sehr hohen Sicherheit, eine Schwangerschaft zu verhindern, sind hormonelle Kontrazeptiva, also hor-monbasierte Verhütungsmittel, sehr beliebt: Von 100 Frauen, die ein Jahr lang mit einer Pille verhüten, werden nur 0,1-0,9 schwanger. Im Vergleich dazu schneiden das Kondom mit 2-12 und das Diaphragma, quasi das Kondom für die Frau, mit 1-20 Schwangerschaften deutlich schlechter ab.

Obwohl die Verwendung der Pille insgesamt zurückgeht, ist sie immer noch das beliebteste Verhütungsmittel in Deutschland. 2019 waren es in Deutschland „47 Prozent der erwachsenen, sexuell aktiven Frauen und Männer [...] die [eine] Pille als Verhütungsmethode."1BZgA, Neue BZgA-Studiendaten: Verhütungsverhalten Erwachsener. Pille und Kondom nach wie vor wichtigste Verhütungsmittel, https://www.bzga. de/presse/pressemitteilungen/2019-09-19-neue-bzga-studiendaten-verhuetungsverhalten-erwachsener/ vom 22.07.2021 verwendeten. Weltweit nutzen circa 120 Millionen Frauen Hormonpräparate zur Verhütung.2Vgl. Maciejewski, Marcin, Persuasive Strategien auf den Internetseiten für Verhütungsmittel, in: Studia Germanica Posnaniensia, 0(39), 2019, 105-122

Bei einem solchen Massenphänomen ist es erforderlich, dass sich eine christliche Sexual- und Familienethik damit auseinandersetzt. Der oftmals lediglich pragmatisch getroffenen Entscheidung für die Pille fehlt es an einer Reflektion bezüglich der medizinischen, gesellschaft-lichen und ökologischen Aspekte hormoneller Verhütung sowie einer theologisch-sozialethischen Orientierung.

II. Hormonelle Verhütung – Was ist das?  

Der Begriff der Hormonellen Kontrazeptiva ist ein Sammelbegriff für verschiedene Verhütungsmethoden. Sie alle verhindern mit Hilfe der Einnahme synthetischer Hormone eine Schwangerschaft und lassen sich nach dem Kriterium der Verabreichung in orale und nicht-orale Verhütungsmittel und dem Kriterium der wirksamen Inhaltstoffe in Kombi- und Solopräparate einteilen, je nachdem ob ein oder mehrere Hormone verwendet werden. Wenn im Folgenden von hormoneller Kontrazeption bzw. Verhütung oder kurz „der Pille“ gesprochen wird, sind damit alle hormonellen Kontrazeptiva gemeint.3Für eine Übersicht der verschiedenen Formen hormoneller Verhütung siehe Hormonspezialisten, Hormonelle Kontrazeption, https://www.hormonspezialisten.de/indikationen/hormonelle-kontrazeption/ueberblick vom 18.10.2022. An dieser Stelle sei lediglich verwiesen auf die Unterscheidung zwischen der hier behandelten klassischen Antibabypille und der Pille danach. Auch wenn beide hormonbasiert wirken, ist letztere keine Verhütungspille im eigentlichen Sinne. Denn, während erstere „nach ärztlicher Verordnung regelmäßig über den Zyklus hinweg eingenommen“ und eine Schwangerschaft so verhindert wird, kommt letztere erst dann zum Einsatz, wenn bereits „Spermien in die Scheide gelangt sind […und daher] das Risiko einer Schwangerschaft“ besteht. „Die Pille danach verzögert oder verhindert [dann] den Eisprung und damit auch die Möglichkeit einer Befruchtung der Eizelle“, ist aber aufgrund ihrer hohen Dosierung an Hormonen nicht als regelmäßiges Verhütungsmittel gedacht. Siehe Meyer-Arndt, Lil, Die Pille danach - Was ist zu beachten?, https://www.fernarzt.com/arzneimittel/antibabypille/pillenarten/pille-danach/ vom 27.09.2022.

Neben hormonellen Kontrazeptiva lassen sich drei Formen der Verhütung klassifizieren: Eine erste Gruppe besteht aus natürlichen Methoden, die auf Beobachtung der fruchtbaren Phasen des weiblichen Zyklus beruhen. Als zweite Möglichkeit gelten intrauterine Methoden wie die Kupferspirale, die in die Gebärmutter eingesetzt wird und mit ihrer spermiziden Wirkung die Beweglichkeit der Spermien einschränkt sowie invasive Methoden, die chirurgisch den Ei- oder Samenleiter unterbrechen. Eine letzte Option sind Barrieremethoden wie das Kondom und das Diaphragma, das in Kombination mit einem chemischen Verhütungsmittel bzw. Spermizid verwendet wird.4Vgl. Schweizer, Cornelia, HV-Fragen: Verhütung. Pille, Ring, Kondom und mehr, Stuttgart 2020

III. Medizinische Aspekte

Im Folgenden sollen verschiedene Aspekte und Auswirkungen hormoneller Verhütung beleuchtet werden. Das ist nötig, um eine angemessene Beschreibung des Sachverhaltes geben und ein begründetes Urteil fällen zu können.

Hormonelle Verhütung wirkt sich in erster Linie auf Körper und Psyche der Frau aus. Um diese Wirkung zu verstehen, bedarf es grundlegender Kenntnisse über den weiblichen Zyklus. Dieser wird grob mit den für unseren Sachverhalt relevanten Abläufen skizziert. Im Anschluss daran werden die durch die synthetischen Hormone der Pille bewirkten Veränderungen besprochen. Auch die zahlreichen nicht beabsichtigten (Neben)Wirkungen ihrer Einnahme finden hier Erwähnung.

3.1. Der weibliche Zyklus

Der Zyklus beginnt damit, dass im Eierstock eine Eizelle in einem Follikel heranreift. Dies bewirkt die Ausschüttung des Hormons Estradiol. Estradiol wirkt auf die Gebärmutterschleimhaut ein, die daraufhin Progesteron-Rezeptoren bildet.

In der Ovulationsphase werden die zwei Hormone (LH und FSH) ausgeschüttet, die dazu führen, dass die Hülle um die Eizelle platzt und das Ei in den Eileiter gegeben wird. Die Zellen des geplatzten Follikels geben zwei Hormone ab: Estradiol und Progesteron. Das Progesteron trifft auf die schon gebildeten Rezeptoren in der Gebärmutterschleimhaut und diese beginnt, sich auf die Einnistung eines befruchteten Eis vorzubereiten. 

Das Ei wird währenddessen mithilfe kleinster Härchen durch den Eileiter transportiert, in dessen Spitze die potenzielle Befruchtung stattfindet. Ist dies nicht der Fall, kommt es zur Periodenblutung. Wird die Eizelle jedoch befruchtet, muss sie durch sogenannte Tuben in die Gebärmutter transportiert werden. Dabei bewirkt das Hormon Estradiol die Verlangsamung der Trans-portgeschwindigkeit, damit die Gebärmutter-schleimhaut genug Zeit bekommt, um sich weiter auf die Nidation, also Einnistung der befruchteten Eizelle vorzubereiten. 

Ein letzter wichtiger Aspekt des Zyklus ist der Zervixschleim. Ihn müssen die Spermien passieren, um zur Eizelle zu gelangen. Dieser Schleim ist jedoch, aufgrund des Hormons Progesteron, nur eine Woche im Monat passierbar. 

3.2. Wirkmechanismen

Die Pille arbeitet mit den synthetischen Pendants zu den natürlichen Geschlechtshormonen Estradiol und Progesteron: Estrogen (oder Östrogen) und Progestagen (oder nur Gestagen).

Diese Hormone bringen vier verschiedene Wirkmechanismen in Gang, die eine Schwangerschaft verhindern sollen:

  1. Ovulationshemmung = Verhinderung des Eisprungs: Das wird durch die Unterdrückung der Follikelentwicklung und des Anstiegs von LH vor der Ovulation, also dem Eisprung, erreicht.
  2. Zervixschleim-Barriere: Die Hormone bewirken, dass der Zervixschleim auch während der fruchtbaren Tage für Spermien undurchlässig bleibt. 
  3. Tubenfaktor: Die Geschwindigkeit, in der die Zygote, also die befruchtete Eizelle, durch die Tuben geleitet wird, wird verändert, sodass der Embryo erheblichen Schaden erleidet.
  4. Nidationshemmung: Das Hormon Gestagen verhindert, dass sich die Gebärmutter-schleimhaut auf das befruchtete Ei vorbe-reiten kann, sodass dieses bei seiner dortigen Ankunft nicht auf die notwendigen Lebensbedingungen trifft und stirbt.5Vgl. Leicht, Ernst, Der weibliche Zyklus und die Wirkmechanismen von Kontrazeptiva, in: Empfängnisverhütung. Fakten, Hintergründe, Zusammenhänge, Hg. Roland Süßmuth, Holzgerlingen 2000, 25-39.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche dieser Wirkmechanismen bei Einnahme der Pille zum Zuge kommen. Leider gibt es kaum Studien, die sich mit dieser Frage auseinandersetzen, weshalb Mediziner ihre Schlüsse aus den vorhandenen Daten ziehen müssen. Antibabypillen, die ausschließlich aus Gestagen bestehen, haben keine bis eine nicht ausreichende Ovulationshemmung. Die Ärztin Rahel Hedrich urteilt deshalb: „[Es] ist zu erwarten, dass – wenn zudem die Wirkung Nr. 2 versagt – es zu einer Befruchtung der Eizelle kommen kann und die Präparate aufgrund der Wirkung Nr. 3-4 abtreibend wirken können."6Hedrich, Rahel, Haben Verhütungsmittel eine abtreibende Wirkung?, https://www.cdkev.de/app/download/25897579/Wirken+Verhütungsmittel+abtreibend_Rahel+Hedrich_CDK.pdf, vom 15.08.2022 In Bezug auf die Kombipräparate, also Pillen die sowohl gestagen- als auch östrogenhaltig sind, ist die Sachlage komplizierter. Die Mehrheit der Fachwelt ist der Überzeugung, dass lediglich der erste und der zweite Wirkmechanismus greifen. Rahel Hedrich wiegt die Fakten ab und kommt zu dem Ergebnis: Auch hier „kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kombipille abtreibend wirken kann."7Ebd.

Weshalb die Pille trotz dieses Sachverhaltes nicht als frühabtreibend bezeichnet wird, liegt an der Annahme, dass für die meisten Mediziner die Verschmelzung von Samenzelle und Ei zwar den Beginn des Lebens markiert, eine Schwangerschaft jedoch erst ab der Nidation, also der Einnistung der befruchteten Eizelle beginnt.8Vgl. Ehmann, Rudolf, Die abortive Kontrazeption, in: Empfängnisverhütung. Fakten, Hintergründe, Zusammenhänge, Hg. Roland Süßmuth, Holzgerlingen 2000, 90f. Die nidationshemmende Wirkung der Pille wird allerdings mit einer solchen Festlegung des Schwangerschaftsbeginns für die gesamte Dis-kussion um Abtreibung und Lebensschutz für irrelevant erklärt. Diese Erkenntnisse müssen später im ethischen Urteil eine Rolle spielen.

3.3. Nebenwirkungen

Es kann nur ein kurzer Abriss der bisher erforschten wichtigsten Nebenwirkungen erfolgen, da sehr viele unterschiedliche beobachtet und diskutiert werden. 

Als erstes ist auf das Thromboserisiko zu verweisen, das sich verdoppelt oder verdreifach, sollte eine Frau hormonelle Verhütungsmittel über einen längeren Zeitraum verwenden. Je nach Konzentration des Hormons gilt dies ebenso für das Herzinfarktrisiko.9Vgl. Schweizer, Cornelia, HV-Fragen: Verhütung. Pille, Ring, Kondom und mehr, Stuttgart 2020, 67ff.

Als zweites zeigen zwei dänische Studien aus dem Jahr 2016, dass die Einnahme hormoneller Verhütungsmittel mit der späteren Einnahme von Antidepressiva und erhöhtem Suizidrisiko korreliert. Dabei sind vor allem junge Frauen betroffen, die zwischen 15-19 Jahren mit der Einnahme hormoneller Verhütungsmittel begonnen haben.10Vgl. Skovlund, Association, 1154-1162, nationalweite Kohortenstudie, die den Zusammenhang von hormonellen Verhütungsmitteln und Depression an 1.061.997 dänischen Frauen zwischen 15 und 34 Jahren unter Einbezug von Daten aus den Jahren 1955-2013 untersuchte. UND Skovlund, Suicide, 336-342, In einer Studie von 1996-2013 untersuchten die gleichen Forscher an einer halben Million dänischer Frauen den Zusammenhang zwischen hormonellen Verhütungsmitteln und Suizid.

Andere häufiger auftretende Nebenwirkungen sind: Gewichtszunahme, erhöhter Cholesterinspiegel, Bluthochdruck, Augen- und Nierenprobleme, Migräne und Kopfschmerzen und Mangelerscheinungen.11Vgl. Schweizer, Cornelia, HV-Fragen: Verhütung. Pille, Ring, Kondom und mehr, Stuttgart 2020, 72-77.

IV. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte 

Die Pille erscheint in einer bestimmten historischen Situation: Ihre Erfindung lässt sich in direkten Zusammenhang mit der sogenannten „Sexuellen Revolution“ bringen. Im Folgenden sollen die Auswirkungen der Erfindung und Vermarktung der Pille auf die Gesellschaft und die Wirtschaft aufgezeigt werden.12Dabei beziehe ich mich hauptsächlich auf: Hartmann, Kris Vera, Pille Macht Diskurs. Hormonelle Kontrazeption im (post-)fordistischen Sexualitätsdispositiv, Berlin/Toronto 2021

4.1. Die Frau als gesellschaftliches Subjekt 

Die Erfindung der hormonellen Kontrazeption wirkte sich deutlich auf die Stellung der Frau in der Gesellschaft aus. Die Pille wird zum Kennzeichen der modernen, emanzipierten Frau. Frauen, die vor der Erfindung hormoneller Kontrazeptiva ihre Sexualität ausleben wollten, mussten immer mit einer Empfängnis bzw. Schwangerschaft rechnen. Diese Abhängigkeit vom Lauf der Natur sowie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Abhängigkeit vom Mann verringerte sich durch die Verfügbarkeit der Pille. Die Pille erfordert weder in der Absprache noch der Ausführung eine Beteiligung des Mannes. Allerdings wurden Vorbehalte gegenüber der Pille lange Zeit nicht ernstgenommen, die bekannt gewordenen Nebenwirkungen vernachlässigt. Frauen, die Bedenken vor der Einnahme der Pille hegten, wurden als „zu religiös, zu alt und rückständig“ und ohne „Fähigkeit zur sexuellen Befriedigung“ diffamiert.

Dieses neue weibliche Idealbild der Frau als modern, emanzipiert und in sexueller Hinsicht selbstbestimmt, macht paradoxerweise Frauen für Männer in neuem Ausmaß verfügbar: Die „Ausrede“ auf Sex wegen der potenziellen Konsequenz einer Schwangerschaft oder der Periode verzichten zu wollen, gilt nicht mehr, denn die Frau kann nun ihre Fruchtbarkeit regulieren und dem Mann bzw. Männern zur Verfügung stehen, während diese von jeder Verantwortung entbunden sind und sich keine Sorgen über mögliche Folgen des Geschlechtsverkehrs machen müssen. So begünstigt die Verfügbarkeit der Pille eine Vorstellung von Sexualität, in der der Mann Subjekt ist, während die Frau das Objekt der Begierde bleibt. 

Auch im Blick auf die weibliche Arbeitskraft als „Humanressource“ bleibt die Pille eine ambivalente Erfindung. Zum einen ermöglicht ihre Einnahme eine planbare Teilhabe am Erwerbsleben und die damit verbundene größere wirtschaftliche Selbständigkeit. Zugleich bleibt dabei die Erwerbsorientierung des Mannes der Maßstab, als erstrebenswert gilt eine kontinuierliche, möglichst nicht durch Schwangerschaft und Familienzeiten unterbrochene Erwerbsbiografie. Die Frau wird vornehmlich unter dem ökonomischen Aspekt betrachtet, in welchem Umfang sie am Arbeitsleben teilnimmt (Beschäftigungsquote, Arbeitszeitumfang etc.).

Zwar gilt in den westlichen Gesellschaften als ausgemacht, dass Frauen allein über ihren Körper verfügen, oft genug bedeutet das jedoch auch, sie mit ihren Entscheidungen alleinzulassen. Zu nennen ist vor allem die Entscheidung, wann die richtige Zeit kommt, die Pille wieder abzusetzen. Sie überfordert die meisten Frauen, mit der Konsequenz, dass viele die Pille zu lang nehmen und dann Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden. Insgesamt scheint die Pille auch Männer „befreit“ zu haben, nämlich davon, für die möglichen Folgen einer sexuellen Beziehung einzustehen und Verantwortung zu übernehmen.

4.2. Das Kind als unerwünschter Eindringling

Nicht nur die Frau, auch das (Verhältnis zum) Kind ist gesellschaftlich von den Entwicklungen der hormonellen Verhütung beeinflusst. Die Trennung von Sexualität und Liebe, die durch die Pille zwar nicht erst ermöglicht, aber, was die Zeugung eines Kindes angeht, weniger riskant wurde, befördert die Tendenz, sich zu einem gezeugten Kind durch Annahme oder Ablehnung zu verhalten, als handele es sich um ein Objekt, das man wählen oder verwerfen könne, ohne zu berücksichtigen, dass es sich um einen Menschen handelt, der die Frucht einer sexuellen Begegnung ist, was immer die Umstände dieser Begegnung gewesen sein mögen. Das Kind erscheint als unerwünschter Eindringling, der mit einem Medikament bekämpft werden soll.

4.3. Hormonelle Kontrazeptiva als Ware

Das Bild der Pille ist nicht vollständig ohne ihre Rolle als ökonomische Ware zu verstehen, denn: Der deutschlandweite Umsatz der Pille beträgt 577 Millionen Euro jährlich. Das Interesse der Pharmaindustrie, diesen Zweig aufrechtzuerhalten und auszubauen, erscheint daher wirtschaftlich vernünftig. Untersucht man die Werbung auf ihre Inhalte hin, dann wird deutlich, welche Motive hinter dem großen Absatzmarkt hormoneller Kontrazeptiva liegen und inwiefern sie sich heute von denen zur Zeit der „Sexuellen Revolution“ und danach unterscheiden.13Hierbei beziehe ich mich auf eine Arbeit von Marcin Maciejewski, der persuasive Strategien der Vermarktung von Verhütungsmitteln im Internet untersuchte: Maciejewski, Marcin, Persuasive Strategien auf den Internetseiten für Verhütungsmittel, in: Studia Germanica Posnaniensia, 0(39), 2019, 105-122

Mit großem Abstand dominiert in der Werbung für die Pille heute das Motiv der Schönheit. So wird die Pille vielfach bereits jungen Frauen nicht nur zur Empfängnisverhütung, sondern der Bekämpfung hormonell bedingter Akne verschrieben. Außerdem fallen immer wieder „Schlüsselwörter wie Selbstverwirklichung, Freiheit, Unabhängigkeit, sorgloses Leben, Erfolg“. Auch mit Liebe und Sicherheit wird geworben.14So wird in mehreren Ratgebern, die sich mit Vor- und Nachteilen der Pille auseinandersetzen explizit auf ihre aknehemmende Wirkung verwiesen, die außer ihrer hohen Wirksamkeit als Verhütungsmittel mit an erster Stelle genannt wird. Siehe bspw. https://www.womenshealth.de/health/verhuetung/12-wichtige-fragen-zur-pille/ oder auch https:// www.refinery29.com/de-de/hormonelle-akne-haut und https://focus-arztsuche.de/magazin/verhuetungs-mittel/pille-wirkung-vor-und-nachteile alle vom 15.10.2022 Das zeigt: Die sexuelle Selbstbe-stimmung der Frau wird nicht mehr eigens beworben, da sie vorausgesetzt ist. Die Pille wird als ein Lifestyle-Präparat beworben, das es ermöglicht, sich eigene Wünsche zu erfüllen.

V. Ökologische Aspekte 

Neben den genannten Aspekten ist zuletzt auf die ökologischen Auswirkungen der Pille zu verweisen. So geht das, was der weibliche Körper als Rest aus synthetischen Hormonen ausscheidet, als Hormon-Emission in die Umwelt. Im Bereich der Ökotoxikologie bereiten die künstlichen Sexualhormone der Pille Forschern seit einigen Jahrzehnten Sorgen, denn selbst bei kleinsten Konzentrationen sind schwere langfristige Effekte auf das Hormonsystem von Mensch und Tier zu befürchten. Im Tierreich lässt sich beispielsweise die Verweiblichung von Fischen und Amphibien darauf zurückführen. Die Auswirkungen hormoneller Substanzen auf den Menschen sind schwer zu erforschen. Bisher ist bekannt: treffen Sexualhormone auf die entsprechenden „Rezeptoren im menschlichen Körper, lösen sie eine Vielzahl an Wirkungen […] in Fortpflanzungsorganen [und] vielen anderen Organen wie Leber, Niere, Nebenniere, Schilddrüse, zentralem Nervensystem, Skelett und Herz-Kreislaufsystem […] aus. [A]uch die […] Reaktionsfolgen des Immunsystems können entkoppelt werden.15BUND, Arbeitskreis Wasser / Sebastian Schönauer, u.a., Hormonaktive Substanzen im Wasser. Gefahr für Gewässer und Mensch, https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/fluesse/fluesse_hormonaktive_substanzen_hintergrund.pdf vom 27.07.2021 Besonders Ungeborene sind betroffen, denn die Vermutung liegt nahe, dass Estradiol sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen bei der Entwicklung eine Rolle spielt: „Die möglichen Krankheitsbilder reichen dabei von Fruchtbarkeitsstörungen über Veränderungen der Lernfähigkeit bis zu Verhaltensänderungen. Diese […] Wirkungen [können] bereits vor der Geburt im Mutterleib auftreten […] – und dies bei Dosierungen, die für Erwachsene ungefährlich sind.16Ebd.

Zwischenfazit

In den vorangehenden Abschnitten konnte gezeigt werden, dass die Pille zwar ein Verhütungsmittel mit hoher Wirksamkeit ist, ihre Einnahme aber mit erheblichen Nebenwirkungen einhergeht. Deutlich wurde auch, dass die verbreitete Einnahme der Pille erhebliche gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Auswirkungen hat. Der Gewinn an Selbstbestim-mung infolge der erhöhten Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit des weiblichen Zyklus, geht paradoxerweise mit einer Verfügbarkeit der Frau sowohl für das sexuelle Begehren des Mannes als auch für den Bedarf der Wirtschaft an Fachkräften einher. Kritische Anfragen zieht vor allem der Umstand auf sich, dass die Pille möglicherweise in manchen Fällen durch eine Hemmung der Nidation, also Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle, frühhabtreibend wirkt. Zu fragen ist nun, welches Licht in theologischer Perspektive auf die Einnahme der Pille fällt und was dies für ein ethisches Urteil bedeutet. 

VI. Theologische Reflexion 

Die populären theologischen Beurteilungen von Verhütung bewegen sich im Spannungsfeld zweier Extreme, die vom Verbot jeglicher Kontrazeptiva, z.B. von Seiten der katholischen Kirche,17Vgl. Paul VI., Humana Vitae. Über die Weitergabe des Lebens, https://www.vatican.va/content/paul-vi/de/encyclicals/documents/hf_p-vi_enc_25071968 _humanae-vitae.html, vom 19.08.2021 bis hin zu feministischen Positionen reichen, die die Pille „für ein Geschenk Gottes halten.“18Schwarzer, Alice, Die Pille – was für eine Befreiung! https://www.aliceschwarzer.de/artikel/die-pille-was-fuer-eine-befreiung-154355 vom 07.08.2021 Vom christlichen Verständnis des Menschen im Heilsplan Gottes aus ist zu fragen, was es für unsere Thematik bedeutet, ein an Gottes Geboten ausgerichtetes Leben zu führen, wie es der Offenbarung in Jesus Christus entspricht.19Für die folgenden Überlegungen beziehe ich mich insbesondere auf Karl Barth, ein evangelischer Theologe aus dem 20. Jh., weshalb ich auf eine jeweilige explizite Erwähnung im Text verzichten werde.

6.1. Anthropologie der Mitmenschlichkeit

Das Motiv der Mitmenschlichkeit erweist sich als grundlegend für ein christliches Menschen- und Weltbild. Dies lässt sich trinitarisch begründen, denn: Gott tritt nicht erst mit der Erschaffung des Menschen in einen Dialog. Er hat bereits in sich selbst ein Gegenüber, weshalb der Mensch seine Ebenbildlichkeit unter anderem darin erweist, Gott in dieser Relationalität zu spiegeln. Auch der Mensch soll immer sowohl auf Gott als auch den Mitmenschen bezogen sein. 

Die Begegnung der Geschlechter ist die „ursprüngliche und eigentliche Gestalt [der] Mitmenschlichkeit."20Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/2, Zürich 1948, 353. Dieses Prinzip der christlichen Mitmenschlichkeit der Ehepartner gilt übertragen ebenso für menschliche Beziehungen im Allgemeinen. Wie sich diese Mitmenschlichkeit konkret in der Ehe ausdrücken und dann auch in der Gesellschaft aussehen sollte, kann an drei Motiven deutlich werden: GegenseitigkeitSelbsthingabe und Fruchtbarkeit.

Gegenseitigkeit: Menschliches Handeln ist gemessen an dem hier vorgestellten Menschenbild erst dann human, wenn beide Personen oder Parteien gleichermaßen involviert sind. Für die Ehe bedeutet dies, dass Sexualität nicht von den vielen anderen Komponenten der Beziehung zwischen Mann und Frau isoliert werden darf. Das physische Geschlechtsleben muss in die Ganzheit der zwischenmenschlichen und -geschlechtlichen Begegnung eingebettet sein.

Dasselbe gilt für die Gesellschaft: Kein Mensch und auch kein Bereich der Begegnung darf isoliert werden, weder negativ durch Vernachlässigung oder Ausschluss, noch positiv im Sinn einer Überbetonung.

Selbsthingabe: Wahre Mitmenschlichkeit lebt nicht nur von Gegenseitigkeit, sondern auch Selbsthingabe: Dem Vorbild Gottes in Christus entsprechend liebt der jeweilige Partner sich selbst in seiner Hingabe zum Gegenüber. Er sucht nicht zuerst den eigenen Vorteil, sondern vollbringt das Beste für den Nächsten, und nimmt dafür gegebenenfalls auch eigene Nachteile in Kauf. 

Auch hier soll die Gesellschaft das Motiv der Selbsthingabe widerspiegeln: Sie heißt jeden Menschen willkommen und nimmt ihn wahr. Ein jeder hat Anteil an ihr und die Beziehungen dienen dem gegenseitigen Beistand. Die Gesellschaft und ihre Mitglieder suchen das Beste für den anderen, nicht den eigenen Vorteil.

Fruchtbarkeit: Die gegenseitige Liebe beinhaltet in ihrer ehelichen Sexualität auch die Möglichkeit des Nachwuchses und kann nicht von ihr getrennt betrachtet werden. Das Prinzip der Fruchtbarkeit sprengt die (bisher) eindimensionale Begegnung der Geschlechter und weist über sie hinaus.

Zwar wird in Genesis 2 dem „Verhältnis Mann-Frau seine eigene Wichtigkeit und Würde"21Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/2, Zürich 1948, 353. zugesprochen, ohne dass es direkt in einen reproduktiven Kontext gesetzt wird. Dennoch zieht sich das Motiv der Verheißung des Kindersegens durch das gesamte Alte Testament. Diese Verheißung findet ihre endgültige Erfüllung im Stall von Bethlehem, als Christus geboren wird. Von diesem Ereignis an hat das Zeugen und Gebären seinen Verheißungscharakter verloren: Das Kind des Heils ist schon geboren. Zugleich weitet sich der Horizont von biologischer Nachkommenschaft hin zur Familie des Glaubens. Keine biologischen Nachkommen zu haben bedeutet gerade für Christen nicht, kinderlos zu sein. Für solche Christen gilt es, noch mehr als für andere, „Ältere [zu sein], die allerhand Jüngeren gegenüber den Auftrag haben können wie physische Eltern ihren physischen Kindern gegenüber".22Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 300.

Für eine Gesellschaft, die das Motiv der Fruchtbarkeit widerspiegelt, bedeutet das, sich immer für das Leben einzusetzen und nie für sich geschlossen eine perfekte Balance zu konservieren. Stattdessen soll für das Jetzt Leben in allen Bereichen gefördert und auf eine Zukunft gehofft werden, die voll des Lebens ist. Ein Leben in der Mitmenschlichkeit, das sich an Jesus Christus orientiert, ist also in der Begegnung durch Gegenseitigkeit und Selbsthingabe gekennzeichnet und wird unter der Verheißung von Fruchtbarkeit gestaltet.

6.2. Verhütung in christlich-ethischer Perspektive

Inwiefern kann Verhütung überhaupt Teil eines Lebens sein, das sich am Gebot Christi orientiert? Vor dem Hintergrund des Alten Testaments ist für die Beantwortung dieser Frage zuerst zu beachten, dass die Fortpflanzung des Menschen mit Christi Geburt aufgehört hat, ein absolutes Gebot zu sein.23Der ganze nachfolgende Abschnitt bezieht sich auf: Barth, KD III/4, 298-309. Die Gabe der Fruchtbarkeit ist seit dem verheißungsvollen ersten Weihnachten vielmehr eine Erlaubnis, ein „Angebot jener Güte Gottes […], der auch in dieser letzten Zeit nicht will, daß es ‚gar mit uns aus sei‘.“ Auf ein Angebot darf aber auch verzichtet werden. Dieser Verzicht darf geleistet werden, „weil die Fruchtbarkeit einer Ehe […] nicht davon abhängt, ob sie auch im physischen Sinne fruchtbar ist".24Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 298.

Aus dieser Perspektive stehen der Verhütungspraxis demnach keine theologisch grundlegenden Bedenken im Weg. Dem Einwand, dass Kinderkriegen immer gottgewollt, weil ein natür-licher Vorgang sei, ist entgegenzuhalten, dass die Vorhersehung Gottes und der Lauf der Natur unterschieden werden müssen. Sowohl die Verhütung als auch das Zeugen von Nachwuchs sind Teil der menschlichen Verantwortung vor Gott. Beides ist, je nach Situation, als Akt des Glaubens gerechtfertigt, aber „es besteht […] die Möglichkeit des Irrtums nach beiden Seiten.“ Jede Entscheidung muss vor Gott verantwortet werden. 

6.3. Der Lebensbeginn in christlich-ethischer Perspektive

Eng verbunden mit der Verhütung ist die Frage nach der Abtreibung, weil hormonelle Verhütungsmittel auch (früh)abortiv wirken können, wenn sie die Einnistung (Nidation) der befruchteten Eizelle im Uterus verhindern. Nach christ-licher Überzeugung ist der Embryo ein „Du“ Gottes, eine Person, vom ersten Moment seines Daseins, das biologisch betrachtet mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt. Ab diesem Moment besteht ein von Vater und Mutter unterscheidbarer Mensch. Auch wenn die befruchtete Eizelle darauf angewiesen ist, sich in Gebärmutter entwickeln zu können, verurteilt die hormonell herbeigeführte Verhinderung der Einnistung das sich entwickelnde Kind zum Tode. Nidationshemmende Präparate und Methoden, die eine Einnistung verhindern, sind aus christlicher Perspektive abzulehnen, da [je]der Mensch […] ein Anrecht [darauf hat], als Person geachtet zu werden, weil er vom ersten Moment seiner biologischen Existenz an ein Du ist, das Gott schöpferisch ins Leben gesprochen hat."25Ganzer Abschnitt: Vgl. Raedel, Christoph, Die Würde des Menschen ist unantastbar. Lebensbeginn und Lebensschutz aus christlich-ethischer Perspektive, Ansbach 2020. Die Diskussion, ob die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle tatsächlich als Anfang des Lebens verstanden werden muss, dient zudem lediglich dem Anliegen, den Embryo fremdnützigen Interessen auszuliefern. Das bedeutet: Wirkt ein Verhütungsmittel nach Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, ist es ethisch nicht erlaubt, es anzuwenden.

VII. Sozialethische Orientierung

Ob die Pille eine gute Wahl in der Vielzahl der Verhütungsmittel ist, entscheidet sich nach dem oben Gesagten wesentlich daran, ob sie zu einer Frühabtreibung führt. Wenn das Fall ist, sind die nachfolgenden Erwägungen gegenstandslos. Gibt es Hormonpräparate, bei denen diese Wirkung ausgeschlossen oder zumindest unwahrscheinlich ist, dann ist weiter zu fragen, ob ihr Gebrauch im Einklang mit den Motiven der Gegenseitigkeit,Selbsthingabe und Fruchtbarkeit steht. Unter diesen drei Gesichtspunkten wird im Folgenden die anfangs präsentierte Darstellung zu hormonellen Verhütungsmitteln jeweils im Blick auf das verhütende Paar (insbesondere der Frau), das (potenzielle) Kind sowie der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewertet.

7.1. Gegenseitigkeit und hormonelle Verhütung

Betrachtet man hormonelle Kontrazeption aus der Perspektive der Gegenseitigkeit, so kann sie unter gewissen Vorbehalten gewählt werden. Grundlage dafür ist ihre Möglichkeit zum Gemeinschaftswerk: Beide Partner müssen gleichermaßen involviert sein. Es gilt also: 

„[Die Verhütung] muss ein Exponent ihrer ganzen ehelichen Lebensgemeinschaft [sein], dessen sie sich bei aller Beschwernis gemeinsam freuen und im Blick auf das sie solidarisch verbunden bleiben können, auch wenn sie später Anlaß haben sollten, es als Irrtum einzusehen und also gemeinsam bereuen […] müssen."26Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 310.

Allerdings ist zu beachten, dass bei der Pille die Darreichungsform und Wirkung nur auf die Frau beschränkt ist. Dies kann dazu führen, dass sie mit der Verantwortung für die alltägliche Verhütung allein gelassen ist. Das bedroht die Gegenseitigkeit der Paarbeziehung. Entscheidet ein Paar sich also zur Verwendung hormoneller Verhütung, ist es unerlässlich, dass sie sich ihrer gemeinsamen Verantwortung für Verhütung und Empfängnis bewusst bleiben.

Auch die verschiedenen Komponenten der leiblich-seelischen Verbindung zwischen Mann und Frau müssen berücksichtigt werden, weil die Pille zweierlei Gefahren birgt: Erstens schafft sie eine Trennung von Geschlechtsverkehr und Fortpflanzung.27Dies gilt für jedes Verhütungsmittel insofern, als es die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft reduziert. Die Pille tut dies und gilt dabei als das sicherste Verhütungsmittel. Zweitens findet der Akt der Verhütung losgelöst vom Geschlechtsakt statt und wird von der Frau ohne den Mann vollzogen. Dieser Umstand kann nicht nur die Gegenseitigkeit in der gemeinsamen Verantwortung, sondern auch die Zusammengehörigkeit von Sex und Fortpflanzung gefährden. Ein Paar trägt immer, auch wenn es verhütet, die Verantwortung dafür, fruchtbar zu sein. Wird die Möglichkeit der biologischen Fruchtbarkeit hormonell ausgeschlossen, so darf dieser Bereich der Ehe dennoch nicht isoliert und vernachlässigt werden. Der Bevorteilung eines Geschlechtes gegenüber dem anderen in der Verhütungspraxis kann in der Ehe im gemeinsamen Tragen der Verantwortung durch gegenseitiges achtsames Wahrnehmen Einhalt geboten werden. 

Außer dem Paar ist auch der Nachwuchs zu berücksichtigen. Dieser zunächst potenzielle Nachwuchs darf im christlichen Sinn ausgeschlossen werden, wenn das Paar verantwortlich entscheidet zu verhüten. Ist die Eizelle aber befruchtet, wird aus der Möglichkeit reales Leben. Dieses Kind darf dann nicht übergangen werden. Wirkt das Verhütungsmittel tatsächlich verhütend, existiert das Kind nur theoretisch. Wirkt die Pille jedoch durch eine ihrer frühabtreibenden Mechanismen, existierte das Kind bereits tatsächlich als befruchtete Eizelle. Hormonelle Verhütung, die das Leben des Kindes eliminiert, ist also im Sinn des Tötungsverbotes (Ex 23,7) wie auch im Sinn der Gegenseitigkeit unbedingt abzulehnen. 

Kann das bereits dargestellte Gefahrenpotential innerhalb der ehelichen Gemeinschaft in gewissem Maße aufgefangen werden, erweist es sich in gesamtgesellschaftlicher Perspektive als verstärkt. Hier lässt sich beobachten, dass die Verantwortung der Ausführung der Verhütung mehrheitlich allein von der Frau getragen und Sexualität zunehmend getrennt von anderen Aspekten der Begegnung der Geschlechter betrachtet wird. Sexualität wird zum Recht des Einzelnen auf Befriedigung und als einer der wichtigsten, wenn nicht sogar als der wichtigste Aspekt der Geschlechtergemeinschaft isoliert. Deutlich wird dies vor allem an einer zunehmenden Trennung von Sexualität und Verbindlichkeit, die mittels hormoneller Kontrazeption bestärkt wird. Eine so gelebte Sexualität nimmt allerdings nicht ihren rechtmäßigen Platz ein und ordnet sich nicht der Gegenseitigkeit der menschlichen Beziehungen als ein gegenseitiges Angerufen-Sein unter, sondern verkümmert in der Isolation.28Vgl. Thielicke, Helmut, Theologische Ethik, 3 Bde., Bd. 3: Entfaltung, 3. Teil: Ethik der Gesell-schaft, des Rechtes, der Sexualität und der Kunst, 1964, 2. Aufl. Tübingen 1968, 727.

Die Sexualität wird so aus dem Kontext der Fortpflanzung herausgerissen. Vor allem der Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern verliert die Fortpflanzung nicht nur aus dem Blick, sondern will sie um jeden Preis ausgeschlossen haben. Das hat, je nach Geschlecht, verheerende Ausmaße: Im äußersten Fall lässt der Mann die Frau mit den Konsequenzen des gemeinsamen Geschlechtsverkehrs allein, und/oder verweist auf die Möglichkeit der Abtreibung. Frauen, die trotz Verhütung schwanger werden, sind bereits weit gegangen, um dies zu verhindern. Nachdem die Hormone gescheitert sind, erscheint die Abtreibung oft als der einzige Ausweg.

Auch die Gefahr der Ausschließung des Kindes bis hin zur Tötung der befruchteten Eizelle, bleibt gesellschaftlich weitgehend unberücksichtigt. Im Sinn der Gegenseitigkeit müsste ein hormonelles Verhütungsmittel entwickelt werden, das nicht nidationshemmend wirkt, also die Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle nicht verhindert, um so die Teilhabe des Kindes zu garantieren. Dass sich die Forschung in diese Richtung weiterentwickelt ist aber unwahrscheinlich, da die Nidationshemmung mehrheitlich als unbedenklich angesehen wird. 

Dieses Verständnis von Sexualität kann nicht in Einklang gebracht werden mit der Vision einer ausgewogenen, von Gegenseitigkeit geprägten Partnerschaft und auch der so geartete Aus-schluss des Kindes auf gesellschaftlicher Ebene widerspricht diesem Motiv.

7.2. Selbsthingabe und hormonelle Verhütung

Hier stellt sich die Frage, inwiefern der Gebrauch der Pille das Beste der verhütenden Partner als Frau und Mann fördert. Im Kontext der Sexualität und Fortpflanzung ist die Frau die hauptsächlich Betroffene. Sie trägt zwar die Freuden, aber auch die Beschwerden der monatlichen Menstruation, der Schwangerschaft, des Gebärens und des Stillens. „Da also die Frau in der ganzen Frage der Geburtenregelung […] unmittelbar und zuerst Betroffene und Beteiligte"29Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 310. ist, ließe sich folgern, dass der Mann im Sinne der Gegenseitigkeit und der Selbsthingabe die „Peinlichkeit“30Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 310. der Verhütung, so weit möglich, auf sich nehmen sollte. 

Das gilt umso mehr, als bei hormoneller Verhütung die möglichen Nachteile vor allem den Körper und die Psyche der Frau betreffen. Die Entsagung liegt damit ganz bei der Frau und der Mann entzieht sich der Möglichkeit, sich an der gemeinsamen Verantwortung zu beteiligen. Dass die Pille dieses Ungleichgewicht verstärkt, wird u.a. durch die lange Liste an teilweise gravierenden Nebenwirkungen deutlich, die vor der Einnahme sorgfältig abzuwägen sind. Grundsätzlich bestehen auch ethisch Bedenken gegen die Einnahme eines Medikaments, für das keine Indikation vorliegt. Ein nichtvorhandener Kinderwunsch ist keine medizinische Indikation. 

Unabhängig davon, welches Verhütungsmittel das Paar letztlich wählt, soll Sexualität, als christliche Sexualität gelebt, den jeweils anderen in den Mittelpunkt des Geschehens stellen. Sexualität als Vollzug der Ehe hat Füreinander-Dasein zum Ziel. Die ständige (sexuelle) Verfügbarkeit der Frau für den Mann, die die Pille ermöglicht, muss also nicht zwangsläufig zum Missbrauch führen. Ein Paar, das diese Form der Verhütung verwendet, soll sich dieser Gefahr aber bewusst sein und vor allem der Mann sich darum bemühen, Wege zu finden, auf den Vorschuss an Selbsthingabe seitens der Frau zu antworten.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es Situationen geben mag, in denen sich eine solche Aufopferung der Frau rechtfertigen lässt; ist diese jedoch nicht zwingend geboten, gilt es im Sinne der gegenseitigen Selbsthingabe ein anderes Verhütungsmittel zu wählen, das die gemeinsameVerantwortung in der Frage der Verhütung stärker zum Ausdruck bringt. 

Das Motiv der Selbsthingabe gilt aber nicht nur im Blick auf den Partner bzw. die Partnerin, sondern ist auch auf das ungeborene Leben zu beziehen. Ist ein Kind entstanden, dann haben die Interessen der Eltern, z.B. an einem Leben ohne Kind, hinter dem Lebensrecht des Kindes zurückzustehen. Vorstellungen der Eltern, die der Existenz des Kindes entgegenstehen, sind im Sinne der Selbsthingabe an das Kind aufzugeben. Ein Abbruch der Schwangerschaft ist daher ethisch nicht erlaubt. 

Weil hormonelle Verhütung versagen kann, braucht es auch in Zeiten, in denen ein Paar verhütet, das Vertrauen auf Gott und den Glaubensmut, eine Schwangerschaft als Geschenk anzunehmen. Das Kind darf nicht als Eindringling in den eigenen Lebensentwurf gesehen werden. Zu prüfen ist auch, inwiefern das Herauszögern der Elternschaft durch (hormonelle) Verhütung im Sinne der Selbsthingabe wirklich das Beste der (zukünftigen) Kinder sucht. Bei all dem gilt es abzuwägen, aus welchen Gründen ein Paar eine (junge) Elternschaft ablehnt.31Vgl. Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 306.

Zuletzt ist im Licht des Motivs der Selbsthingabe auch aus gesellschaftlicher Perspektive zu hinterfragen, ob die Pille tatsächlich dem Besten der Frau dient. Wie bereits gezeigt steht sie durch eine bessere Kontrolle der eigenen Fruchtbarkeit dem Arbeitsmarkt verlässlicher und länger zur Verfügung und gewinnt damit eine größere wirtschaftliche Selbständigkeit. Dabei wird – freilich unausgesprochen – erwartet, dass sie ihre spezifisch weiblichen Merkmale hinter den Erfordernissen des Marktes zurückstellt. So gesehen entspricht die Pille einem Optimierungsdenken, das auch vor dem menschlichen (in diesem Fall spezifisch dem weiblichen) Körper nicht Halt macht. Er soll den Leistungsansprüchen einer Gesellschaft entsprechen, die Lebensentwürfe von Menschen zunehmend nach ökonomischen Kriterien bewertet und sich vor allem an ihrer Produktivität interessiert zeigt.32Vgl. Hartmann, Kris Vera, Pille Macht Diskurs. Hormonelle Kontrazeption im (post-)fordistischen Sexualitätsdispositiv, Berlin/Toronto 2021, 69.

Demgegenüber versteht das Neue Testament den Körper als Tempel des Heiligen Geistes, der mit dem kostbaren Blut Jesu erkauft und geheiligt ist (1 Kor 6,19-20). Dieses Verständnis der Leiblichkeit widerspricht einer Anspruchshaltung, die völlige Kontrolle und das Recht auf den eigenen Körper geltend macht. Rücksichtlosigkeit und Achtlosigkeit gegenüber sich selbst, aber auch die Ausbeutung durch Ökonomie sowie Medizin- und Pharmaindustrie widersprechen der Wertschätzung, die dem Leib im Horizont von Schöpfung und Erlösung entgegengebracht wird (vgl. auch 1 Kor 15 die leibliche Auferstehung von den Toten). 

Dabei ist festzuhalten, dass der Grundkonflikt nicht zwischen der Frau und der Erwerbsarbeit an sich besteht. Eine Frau darf und soll sich im Sinne ihrer Ebenbildlichkeit an der schöpferischen Arbeit beteiligen. Allerdings gilt für Frauen und Männer, dass sie nicht dem Markt, sondern Gott gehören (1Kor. 6,19-20) und ihm verantwortlich sind. 

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die massenhafte Einnahme der Pille nicht dem Wohl der Frau dient, sondern ihrer Verfügbarkeit für das sexuelle Begehren sowie für die Interessen des Marktes an Fachkräften. Die negativen ökologischen Auswirkungen hormoneller Emission unterstreichen die Annahme, dass diese Form der Verhütung nicht nur der Selbsthingabe der Menschen untereinander, sondern darüber hinaus auch der Verantwortung für die weitere Schöpfung entgegensteht.

7.3. Fruchtbarkeit und hormonelle Verhütung

Wie wir gesehen haben, lässt sich ein Unterschied zwischen biologischer und geistlicher Fruchtbarkeit ausmachen. Der Gebrauch der Pille schließt die Möglichkeit einer Schwangerschaft sehr wahrscheinlich, aber nicht gänzlich aus und die biologische Fruchtbarkeit kehrt nach dem Absetzen der Hormone wieder zurück. Das Paar ist demensprechend biologisch immer potenziell fruchtbar und kann die Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft durch das Absetzen wieder erhöhen. Die hohe Wirksamkeit der Pille ermöglicht einem Paar, das sich gegen biologische Kinder entscheidet, damit eine gewisse Sicherheit in der Lebensplanung. 

Doch darf die mit der Verhütung auch verbundene Trennung von Sexualität und Fortpflanzung nicht zu einer Praxis führen, bei der die Verantwortung des Paares, geistlich fruchtbar zu sein, vernachlässigt wird. Das Paar soll die durch hormonelle Verhütung gewonnenen Freiräume nicht lediglich zur Verwirklichung eigener Ambitionen nutzen, sondern einen geistlich fruchtbaren Dienst tun. Die Kirche Christi bietet zahlreiche Möglichkeiten dafür, geistlich segens-reich tätig zu sein, auch über Generationen hinaus. Dies kann im Missions- oder Gemeindedienst, aber auch in der Adoption oder Pflege von Kindern oder der Jugendarbeit sowie der Altenpflege geschehen. 

Doch nicht nur das Paar, auch die Gesellschaft insgesamt steht in der Gefahr, sich gänzlich auf das Eigene und dessen Bewahrung zu fixieren und dabei die Förderung von Familien zu unterlassen, in denen Leben weitergegeben wird. Die Medikalisierung der Schwangerschaft und von deren erfolgreicher „Verhütung“ erwecken den Eindruck, als handele es sich bei der Schwangerschaft um eine Krankheit. Hinzu kommt, dass Kinder einem immerwährenden Optimierungsstreben leicht im Wege stehen, weil sie Selbst-hingabe brauchen und Selbstverwirklichung behindern. Die lebensverneinende Tendenz hormoneller Verhütung zeigt sich schließlich auch im Umgang mit der Emission synthetischer Hormone, die so in die Umwelt gelangen und das Gleichgewicht in der Natur sowie die Fruchtbarkeit des Menschen beeinträchtigen. 

VIII. Fazit und Ausblick 

Zentrale Bedeutung für die Beurteilung des Gebrauchs hormoneller Verhütungsmittel hat der Aspekt des Lebensschutzes in der Gestalt des Verbots, unschuldiges Leben zu töten. Solange eine nidations-, also einnistungshemmende Wirkung der Pille nicht ausgeschlossen werden kann, stehen alle drei Motive des guten Lebens, also sowohl das Motiv der Gegenseitigkeit als auch der Selbsthingabe und der Fruchtbarkeit, der hormonellen Verhütung entgegen. Dieser grundsätzliche Einwand entfällt nur für solche Präparate, die keine nidationshemmende Wirkung entfalten bzw. für die das unwahrscheinlich ist.

Unter diesem Vorbehalt ist christlichen Paaren im Sinne eines Lebens nach Gottes Gebot von der Verwendung hormoneller Verhütungsmittel abzuraten, mindestens jedoch auf die Wichtigkeit der korrekten Einnahme und sowie auf Alternativen hinzuweisen. Damit sind die natürliche Familienplanung und der Gebrauch von Verhütungsmitteln, die nicht nidationshemmend sind, z.B. das Kondom, die vorzugswürdigen Alternativen. Sie entsprechen auch stärker den Prinzipien der Gegenseitigkeit und Selbsthingabe.33Nicht reversible Verhütungsmittel wie die Vasektomie, also der Sterilisierung, stehen dem Motiv der Fruchtbarkeit im Sinne der grundsätzlichen Offenheit für leibliche Kinder konträr entgegen. Die hormonelle Kontrazeption scheitert, wie auch intrauterine Methoden (z.B. Kupferspirale) durch ihre nida-tionshemmenden Wirkmechanismen. Einen Über-blick über diese Methoden bietet: Schweizer, Cornelia, HV-Fragen: Verhütung. Pille, Ring, Kondom und mehr, Stuttgart 2020, 12-16.

Im Blick auf den genannten Vorbehalt gegenüber der Pille ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es widersprüchlich wäre, bei „hormonellen Kontrazeptiva absolute Risikofreiheit einzufordern und an anderer Stelle so ungesund zu leben [z.B. Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, etc.], dass dadurch viel eher die Nidation [also Einnistung einer befruchteten Eizelle] verhindert wird oder vielfältiger anderer Schaden zu Stande kommt.“34Vgl. Grabe, Martin, Was ist dran an der „frühabtreibenden Wirkung“ der Pille?, in: Familienplanung – eine Option für Christen?, Hg. Thomas Schirrmacher, Bonn 2006, 39-63.

Der Rat, auf hormonelle Verhütung zu verzichten, sollte also in den Gesamtzusammenhang einer Sensibilisierung gegenüber möglichen anderen nidationshemmenden Faktoren eingebettet sein. 

Anfragen, die sich in Bezug auf die Möglichkeiten eines gegenseitigenselbsthingebungsvollen und fruchtbaren Gebrauchs ergeben, wurden im vierten Abschnitt dargestellt. So wurde neben dem ausführlich besprochenen Problem der Nidationshemmung auf die anderen Konfliktpotentiale hormoneller Verhütung, wie z.B. die ein-seitige Verlagerung der Verantwortung auf die Frau, verwiesen. Für die gemeinsame Übernahme der Verantwortung empfiehlt es sich, dass ein Ehepaar das Thema Verhütung anspricht und aus christlich-ethischer Perspektive beurteilt. 

Außer den konkret das Ehepaar betreffenden Herausforderungen sind auch die gesellschaftlichen und ökologischen Probleme mit in die Entscheidung einzubeziehen. Ein Paar allein kann diese Probleme durch den Verzicht auf die Pille nicht aus der Welt schaffen, steht aber gleichwohl in der Verantwortung, eine Entscheidung zu treffen, die die Folgen der Einnahme nicht ausblendet. Der Druck, die eigene Fruchtbarkeit an Gegebenheiten des Arbeitsmarktes anzupassen, die Einbettung hormoneller Verhütung in eine Pharmaindustrie, die Fruchtbarkeit als technologisches Problem wahrnimmt und die unkontrollierte Emission synthetischer Hormone sind Ausdruck von Dynamiken einer Welt, die sich nicht an den Weisungen des Gebots Christi orientiert.

Grundsätzlich sind Christen dazu aufgefordert, sich nach dem Vorbild des inkarnierten Messias dieser Welt nicht vollständig zu entziehen, sondern ihr nach seinem Vorbild zu begegnen und zu gestalten. Die Partizipation an dem sozialen Phänomen der hormonellen Verhütung muss jedoch in aller Freiheit des Glaubens mit großem Verantwortungsbewusstsein stattfinden, denn das Paar trägt gemeinsam die Verantwortung für ein Leben nach dem Willen Gottes.

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass kein Paar mit seiner Entscheidung allein gelassen werden soll. Dementsprechend adressiert die hier erfolgte Bewertung nicht nur das Ehepaar, das sich der Frage der hormonellen Verhütung stellt, sondern auch Gemeinden. Sich als Nachfolger Christi nach dem guten Leben auszustrecken ist im Sinn der GegenseitigkeitSelbsthingabe und Fruchtbarkeit untrennbar mit dem Verlangen der Gemeinde verbunden, Gottes Willen zu tun und so Christus gleichgestaltet zu werden. Daher ist es neben der persönlichen Entscheidung des Paares empfehlenswert, dass sie Geschwister in der Kirche haben, die sie persönlich kennen, um ihre Verhütungspraxis wissen und die sie in aller Gegenseitigkeit und Selbsthingabe fördern, gemeinsam fruchtbar zu sein. Es empfiehlt sich auch, dass nicht nur Paare, sondern Pastoren, Seelsorger und alle, die in Gemeinde und Kirche Verantwortung tragen, sich mit dieser Thematik in der Perspektive des biblischen Offenbarungszeugnisses auseinandersetzen. Auf diese Weise trägt einer des anderen Last und das Gesetz Christi wird erfüllt (Gal 6,2). 

Lena Marie Egger

Endnoten

  • 1
    BZgA, Neue BZgA-Studiendaten: Verhütungsverhalten Erwachsener. Pille und Kondom nach wie vor wichtigste Verhütungsmittel, https://www.bzga. de/presse/pressemitteilungen/2019-09-19-neue-bzga-studiendaten-verhuetungsverhalten-erwachsener/ vom 22.07.2021
  • 2
    Vgl. Maciejewski, Marcin, Persuasive Strategien auf den Internetseiten für Verhütungsmittel, in: Studia Germanica Posnaniensia, 0(39), 2019, 105-122
  • 3
    Für eine Übersicht der verschiedenen Formen hormoneller Verhütung siehe Hormonspezialisten, Hormonelle Kontrazeption, https://www.hormonspezialisten.de/indikationen/hormonelle-kontrazeption/ueberblick vom 18.10.2022. An dieser Stelle sei lediglich verwiesen auf die Unterscheidung zwischen der hier behandelten klassischen Antibabypille und der Pille danach. Auch wenn beide hormonbasiert wirken, ist letztere keine Verhütungspille im eigentlichen Sinne. Denn, während erstere „nach ärztlicher Verordnung regelmäßig über den Zyklus hinweg eingenommen“ und eine Schwangerschaft so verhindert wird, kommt letztere erst dann zum Einsatz, wenn bereits „Spermien in die Scheide gelangt sind […und daher] das Risiko einer Schwangerschaft“ besteht. „Die Pille danach verzögert oder verhindert [dann] den Eisprung und damit auch die Möglichkeit einer Befruchtung der Eizelle“, ist aber aufgrund ihrer hohen Dosierung an Hormonen nicht als regelmäßiges Verhütungsmittel gedacht. Siehe Meyer-Arndt, Lil, Die Pille danach - Was ist zu beachten?, https://www.fernarzt.com/arzneimittel/antibabypille/pillenarten/pille-danach/ vom 27.09.2022.
  • 4
  • 5
  • 6
    Hedrich, Rahel, Haben Verhütungsmittel eine abtreibende Wirkung?, https://www.cdkev.de/app/download/25897579/Wirken+Verhütungsmittel+abtreibend_Rahel+Hedrich_CDK.pdf, vom 15.08.2022
  • 7
    Ebd.
  • 8
    Vgl. Ehmann, Rudolf, Die abortive Kontrazeption, in: Empfängnisverhütung. Fakten, Hintergründe, Zusammenhänge, Hg. Roland Süßmuth, Holzgerlingen 2000, 90f.
  • 9
    Vgl. Schweizer, Cornelia, HV-Fragen: Verhütung. Pille, Ring, Kondom und mehr, Stuttgart 2020, 67ff.
  • 10
    Vgl. Skovlund, Association, 1154-1162, nationalweite Kohortenstudie, die den Zusammenhang von hormonellen Verhütungsmitteln und Depression an 1.061.997 dänischen Frauen zwischen 15 und 34 Jahren unter Einbezug von Daten aus den Jahren 1955-2013 untersuchte. UND Skovlund, Suicide, 336-342, In einer Studie von 1996-2013 untersuchten die gleichen Forscher an einer halben Million dänischer Frauen den Zusammenhang zwischen hormonellen Verhütungsmitteln und Suizid.
  • 11
    Vgl. Schweizer, Cornelia, HV-Fragen: Verhütung. Pille, Ring, Kondom und mehr, Stuttgart 2020, 72-77.
  • 12
    Dabei beziehe ich mich hauptsächlich auf: Hartmann, Kris Vera, Pille Macht Diskurs. Hormonelle Kontrazeption im (post-)fordistischen Sexualitätsdispositiv, Berlin/Toronto 2021
  • 13
    Hierbei beziehe ich mich auf eine Arbeit von Marcin Maciejewski, der persuasive Strategien der Vermarktung von Verhütungsmitteln im Internet untersuchte: Maciejewski, Marcin, Persuasive Strategien auf den Internetseiten für Verhütungsmittel, in: Studia Germanica Posnaniensia, 0(39), 2019, 105-122
  • 14
    So wird in mehreren Ratgebern, die sich mit Vor- und Nachteilen der Pille auseinandersetzen explizit auf ihre aknehemmende Wirkung verwiesen, die außer ihrer hohen Wirksamkeit als Verhütungsmittel mit an erster Stelle genannt wird. Siehe bspw. https://www.womenshealth.de/health/verhuetung/12-wichtige-fragen-zur-pille/ oder auch https:// www.refinery29.com/de-de/hormonelle-akne-haut und https://focus-arztsuche.de/magazin/verhuetungs-mittel/pille-wirkung-vor-und-nachteile alle vom 15.10.2022
  • 15
    BUND, Arbeitskreis Wasser / Sebastian Schönauer, u.a., Hormonaktive Substanzen im Wasser. Gefahr für Gewässer und Mensch, https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/fluesse/fluesse_hormonaktive_substanzen_hintergrund.pdf vom 27.07.2021
  • 16
    Ebd.
  • 17
    Vgl. Paul VI., Humana Vitae. Über die Weitergabe des Lebens, https://www.vatican.va/content/paul-vi/de/encyclicals/documents/hf_p-vi_enc_25071968 _humanae-vitae.html, vom 19.08.2021
  • 18
  • 19
    Für die folgenden Überlegungen beziehe ich mich insbesondere auf Karl Barth, ein evangelischer Theologe aus dem 20. Jh., weshalb ich auf eine jeweilige explizite Erwähnung im Text verzichten werde.
  • 20
  • 21
    Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/2, Zürich 1948, 353.
  • 22
    Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 300.
  • 23
    Der ganze nachfolgende Abschnitt bezieht sich auf: Barth, KD III/4, 298-309.
  • 24
    Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 298.
  • 25
    Ganzer Abschnitt: Vgl. Raedel, Christoph, Die Würde des Menschen ist unantastbar. Lebensbeginn und Lebensschutz aus christlich-ethischer Perspektive, Ansbach 2020.
  • 26
    Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 310.
  • 27
    Dies gilt für jedes Verhütungsmittel insofern, als es die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft reduziert. Die Pille tut dies und gilt dabei als das sicherste Verhütungsmittel.
  • 28
    Vgl. Thielicke, Helmut, Theologische Ethik, 3 Bde., Bd. 3: Entfaltung, 3. Teil: Ethik der Gesell-schaft, des Rechtes, der Sexualität und der Kunst, 1964, 2. Aufl. Tübingen 1968, 727.
  • 29
    Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 310.
  • 30
    Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 310.
  • 31
    Vgl. Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zürich 1951, 306.
  • 32
    Vgl. Hartmann, Kris Vera, Pille Macht Diskurs. Hormonelle Kontrazeption im (post-)fordistischen Sexualitätsdispositiv, Berlin/Toronto 2021, 69.
  • 33
    Nicht reversible Verhütungsmittel wie die Vasektomie, also der Sterilisierung, stehen dem Motiv der Fruchtbarkeit im Sinne der grundsätzlichen Offenheit für leibliche Kinder konträr entgegen. Die hormonelle Kontrazeption scheitert, wie auch intrauterine Methoden (z.B. Kupferspirale) durch ihre nida-tionshemmenden Wirkmechanismen. Einen Über-blick über diese Methoden bietet: Schweizer, Cornelia, HV-Fragen: Verhütung. Pille, Ring, Kondom und mehr, Stuttgart 2020, 12-16.
  • 34
    Vgl. Grabe, Martin, Was ist dran an der „frühabtreibenden Wirkung“ der Pille?, in: Familienplanung – eine Option für Christen?, Hg. Thomas Schirrmacher, Bonn 2006, 39-63.

Bibliografie

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Thielicke, Helmut, Theologische Ethik, 3 Bde., Bd. 3: Entfaltung, 3. Teil: Ethik der Gesell-schaft, des Rechtes, der Sexualität und der Kunst, 1964, 2. Aufl. Tübingen 1968, 727

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