Zum Wohl des Volkes
Ein evangelikaler Aufruf zur Wahrnehmung der Bürgerpflichten
Präambel1Der vorliegende Text wurde von der „National Association of Evangelicals“ in den USA als offizieller Text für das politische und gesellschaftliche Engagement der Evangelikalen 2004 veröffentlicht.
Evangelikale Christen in den Vereinigten Staaten von Amerika stehen vor einer historischen Situation. Wir stellen ein Viertel der Wähler im mächtigsten Staat der Weltgeschichte. Niemals zuvor hat Gott Amerikas Evangelikalen eine so weit reichende Verantwortung gegeben, auf die öffentliche Politik Einfluss zu nehmen, damit dem Wohl der ganzen Welt gedient wird. Wir dürfen uns dieser Verantwortung nicht verweigern. Wir müssen Gottes Angesicht suchen und um Weisheit bitten, um diese Herausforderung in biblischer Treue anzunehmen.
Die besonderen Umstände dieses historischen Augenblicks zeigen sowohl die besondere Situation als auch die Herausforderung, vor der wir stehen.
- Obwohl wir das Vorrecht haben, Einfluss nehmen zu können auf die Handlungen der einzigen Weltmacht, macht nur die Hälfte evangelikaler Christen von ihrem Stimmrecht Gebrauch.
- Die Erscheinungsform und die Rolle der Religion im öffentlichen Leben werden schärfer denn je angegriffen. Ein aggressiver Säkularismus entpuppt sich als das letzte annehmbare Vorurteil Amerikas.
- Seit den Greueltaten des 11. Septembers 2001 verschärfen sich die geistlichen und religiösen Dimensionen eines globalen Konflikts.
- Die weltlichen Medien berichten schon lange über den Einsatz der Evangelikalen in Fragen wie Abtreibung und Familie, nehmen aber seltener ihr weltweites Engagement wahr, so die Katastrophen- und Flüchtlingshilfe, der Kampf gegen AIDS/HIV, für Menschenrechte, gegen Sklaverei und Sexhandel sowie gegen Vergewaltigung in Justizvollzugsanstalten.
- Führende Politiker betonen den ethischen Aspekt ihres Mandats und verstehen sich als Treuhänder der Vorteile einer repräsentativer Demokratie, der Religionsfreiheit und Menschenrechte. Sie tun dies in einer Welt, in der autoritäre Kräfte und ein radikaler Säkularismus Gefahren für viele Länder darstellen.
Wir Evangelikale sind nicht immer einig in politischen Fragen, doch ist uns bewusst, dass wir viele gemeinsame Überzeugungen und Verpflichtungen haben: der Schutz und das Wohl von Familien und Kindern, Armen, Kranken, Behinderten, Ungeborenen, Verfolgten und Unterdrückten sowie von den anderen Teilen der Schöpfung. Gutes Regieren lässt sich zwar nicht auf solche Fragen reduzieren, doch bieten sie eine Basis, auf der sich Evangelikale gemeinsam öffentlich engagieren können.
Trotz dieser gemeinsamen Verpflichtungen und der augenblicklichen besonderen Situation ist das politische Engagement der amerikanische Evangelikale ambivalent. Schon 1947 stachelte Carl F. H. Henry unser unruhiges Gewissen an und forderte uns zu einem verantwortungsvollen sozialpolitischen Engagement auf. In den Jahren danach pflegte die National Association of Evangelicals durch das Büro für Regierungsangelegenheiten regelmäßige Beziehungen mit politischen Führern und versuchte, die Gemeinden für aktuelle Gegenwartsfragen zu sensibilisieren. In den letzten Jahrzehnten sind weitere unterschiedliche evangelikale Stimmen laut geworden, doch haben sich Evangelikale nicht in jener Breite, Tiefe und Konsequenz engagiert, zu der wir eigentlich berufen sind.
Theologen und Gemeindeleiter haben uns inspiriert und auf Vorbilder der Geschichte hingewiesen, seien es Wilberforce, das Ehepaar Booth aus Großbritannien oder Edwards, Backus, Garnet, Finney und Palmer in den USA. Unsere geistlichen Vorfahren stimmten nicht immer überein bei spezifischen politischen Lösungen oder bei der Verwirklichung sozialer Reformen. Aber ihr leidenschaftliches und opferbereites Engagement ermuntert uns im schöpferischen Einsatz, auch wenn wir nicht in allen politischen Maßnahmen völlig übereinstimmen.
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund und im Lichte unserer gemeinsamen Verpflichtungen bieten wir folgende grundsätzliche Überlegungen als Leitlinie eines evangelikalen politischen Engagements an.
Die Grundlage christlichen Engagements in der Gesellschaft
Wir engagieren uns in der Öffentlichkeit, weil Gott unsere ersten Vorfahren nach seinem Ebenbild schuf und ihnen Herrschaft über die Erde verlieh (1. Mose 1,27-28). Aus diesem göttlichen Auftrag erwachsen viele Verantwortungen, die in einer modernen Gesellschaft von zahlreichen Institutionen wahrgenommen werden: Regierungen, Familien, Kirchen, Schulen, Unternehmen und Gewerkschaften. Gutes Regieren ist Teil unserer Beauftragung in der Schöpfung.
Wir engagieren uns auch öffentlich, weil die Herrschaft Jesu Christi für sämtliche Lebensbereiche gilt. Durch ihn ist alles erschaffen worden (Kolosser 1,16-17) und alles wird von ihm zur Fülle geführt (Römer 8, 19-21). Wenn wir unsere Rolle als Haushalter auf die Privatsphäre einschränken würden, müssten wir einen wesentlichen Teil seiner Herrschaft leugnen und in der Praxis diese Bereiche dem Bösen überlassen. Nur für Anliegen zu sorgen, die private und familiäre Bereiche berühren, leugnet die allumfassende Herrschaft Jesu Christi (Offenbarung 19,6).
In der Tradition der hebräischen Propheten kündigte Jesus die Ankunft des Gottesreiches (Gottes Herrschaft oder Regierung) an (Matthäus 4,17; Markus 1,15). Dieses Reich soll von Gerechtigkeit, Frieden, Vergebung, Wiederherstellung und Heilung für alle gekennzeichnet sein. Christi Nachfolger haben erkannt, dass der Zeitraum zwischen seinem ersten und zweiten Kommen als eine Zeit des „schon jetzt / noch nicht“ aufzufassen ist, in der wir viele Segnungen des Reiches Gottes erleben und Anzeichen der Wiederherstellung erkennen, auch wenn wir weiterhin unter den Folgen des Sündenfalls leiden. Uns ist bewusst, dass wir warten müssen, bis Gott uns die Fülle des Reiches bei Christi Wiederkunft bringen wird. Doch in dieser Zwischenzeit ist die Gemeinde vom Herrn berufen, eine prophetische Stimme in der Gesellschaft zu erheben und auf Erneuerung und Reform ihrer Strukturen hin zu arbeiten. Der Herr ruft seine Gemeinde dazu auf, die gerechten Taten des Gottesreiches zu praktizieren und durch ein heilsames und integres gemeinsames Leben in der Gemeinde auf das Reich hinzuweisen. Eine solche Vorbildfunktion verlangt, dass wir die Liebe Gottes öffentlich kundmachen, indem wir rassische, ethnische, wirtschaftliche und nationale Grenzen überschreiten. Oft wird das bedeuten, Jesu Vorbild zu folgen, indem wir leiden und aufopferungsvoll für andere leben.
Als christliche Bürger glauben wir an unsere Berufung, der Regierung zu helfen, ihren göttlichen Auftrag wahrzunehmen und Gerechtigkeit zu üben (Römer 13,1-7; 1. Petrus 2,13-17). Aus unserer Erkenntnis der biblischen Lehre und aus unserer persönlichen Heilserfahrung heraus haben wir Christen eine besondere Vision von unserer Teilnahme an der politischen Ordnung. Wir haben die Überzeugung, dass Menschen verändert und die Gesellschaft verändert werden können. Die Kraft des Heiligen Geistes drängt uns zum Dienst Gottes und zum Dienst am Nächsten.
Jesus ruft seine Nachfolger auf, ihren Nächsten zu lieben wie sich selbst. Im politischen Engagement ist es unser Ziel, den Nächsten dadurch zu segnen, dass wir gute Gesetze verabschieden. Weil wir berufen sind, unseren Nächsten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, fördern wir die Pressefreiheit, nehmen wir Teil an öffentlichen Debatten, gehen wir zur Wahl und übernehmen wir öffentliche Ämter. Christen, die Gerechtigkeit üben, erheben ihre Stimme für Gott. Das kann Nichtchristen zeigen, wie die christliche Vision zum gemeinsamen Wohl beiträgt und hilft, die Nöte der Gesellschaft zu lindern.
Die Methoden eines christlichen Engagements in der Gesellschaft
Jedes politische Urteil verlangt einen normativen Ausgangspunkt und eine Analyse der Fakten. Je sorgfältiger und präziser wir Christen über die komplexen Einzelheiten dieser beiden Bereiche nachdenken, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass wir anderen unseren Standpunkt erläutern können, bestehende Meinungsunterschiede verstehen und – vielleicht – überwinden.
Jeder normative Ausgangspunkt hat ein bestimmtes Vorverständnis vom Menschen, der Schöpfung, der Geschichte, von Gerechtigkeit, Leben, Familie und vom Frieden. Für Christen, die sich der vollen Autorität der Heiligen Schrift verpflichtet wissen, ist dieser normative Ausgangspunkt geprägt von der Bibel und der ethischen Ordnung, die Gott in seiner Schöpfung gelegt hat.
Evangelikale Christen streben danach, alle Lebensbereiche unter die Autorität der Heiligen Schrift zu bringen (2. Timotheus 3,16-17; Römer 15,4; 1. Korinther 10,11). Viele Entscheidungen der Gegenwart – ob Umweltschutz, HIV/AIDS, internationale Handelsbeziehungen – betreffen aber komplexe soziologische und technische Fragen, die in der Bibel nicht explizit vorkommen. Eine detaillierte Analyse sozialer, wirtschaftlicher, geschichtlicher, juristischer sowie politischer Faktoren ist daher für alle Christen unerlässlich, die sich in der politischen Arena betätigen. Wir wollen dadurch unsere Gesellschaft verstehen und unsere normative Sicht mit Weisheit auf politische Fragen anwenden. Unser politisches Engagement kann nur dann verantwortungsvoll und weise sein, wenn wir unseren christlichen Ausgangspunkt ständig vertiefen und die Welt unserer Zeitgenossen sorgfältig studieren.
Die Bibel, die Erfahrung und soziale Analysen lehren uns, dass soziale Probleme durch persönliche Entscheidungen und strukturelle Veränderungen entstehen und im Wesentlichen gelöst werden können. Hinter manchen zerstörerischen sozialen Nöten stehen individuelle sündhafte Entscheidungen (Sprüche 6,9-11). Zerbrochene Menschen können durch die Bekehrung im Glauben an Christus zu gesunden, produktiven Mitbürgern werden. Andererseits entstehen soziale Nöte auch aufgrund ungerechter Strukturen (Amos 5,10-15; Jesaja 10,1-2). Weise strukturelle Veränderung (zum Beispiel Gesetze, die den Status der Ehe oder die Gleichberechtigung in der Wirtschaft stärken) können eine Gesellschaft verbessern. Das Ziel des sozialen Einsatzes der Christen muss daher die Veränderung von Einzelnen wie auch von Institutionen sein. Vom Evangelium geprägte Menschen üben zwar Einfluss auf die Gesellschaft aus, andererseits prägen soziale Institutionen wiederum auch die Menschen. Gute Gesetze begünstigen deshalb positives Verhalten, während schlechte Gesetze und Systeme zerstörerisches Verhalten begünstigen. Dauerhafte soziale Veränderung verlangt daher sowohl die persönliche Bekehrung als auch die Erneuerung und Reform von Institutionen.
Die Bibel macht deutlich, dass zu den besonderen Anliegen Gottes folgende Bereiche gehören: das Wohl von Ehe und Familie, der Wert menschlichen Lebens, Gerechtigkeit für die Armen, Sorge um die Schöpfung, Friede, Freiheit und soziale Gerechtigkeit. Einzelpersonen und Werke mögen sich berufen sehen, sich auf eine oder zwei solcher Fragen zu konzentrieren. Doch muss sich glaubwürdiges evangelikales Engagement um die ganze Bandbreite der Fragen kümmern.
Demut und Respekt
Uns sündigen Menschen, die Gottes Gnade alles verdanken, ist bewusst, dass wir unsere Bürgerpflichten nicht immer voll wahrnehmen. Deshalb müssen Christen demütig an das Thema des politischen Engagements herangehen und ernsthaft um Gottes weise Führung bitten. Hartnäckige Machtstrukturen lassen vollkommene Lösungen oft nicht zu. Kulturelle Veränderungen werfen Nöte auf, die nicht gesetzlich zu regeln sind. Deshalb darf man von politischer Tätigkeit nicht mehr erwarten, als sie zu leisten vermag. Aufgrund komplexer sozialer Systeme und unserer unvollständigen Erkenntnis können wir die Auswirkungen von Gesetzen, Maßnahmen und Regelungen nicht vollständig vorhersehen. Unsere hehren Ideale müssen Hand in Hand gehen mit sorgfältiger gesellschaftlicher Analyse und kritischer Reflektion über unsere Erfahrung, um nicht Maßnahmen zu befürworten, die unbeabsichtigte und unvorhergesehene Folgen haben.
Wir werden mit anderen Christen und mit Nicht-Christen nicht immer einig sein über die beste Politik. Wir müssen demütig zusammenarbeiten, um bescheidene erreichbare Ziele zum Wohl der Allgemeinheit zu erlangen. Wir müssen uns eine respektvolle Ausdrucksweise angewöhnen, damit wir die nicht verunglimpfen, die anderer Meinung sind. Politische Arbeit bedeutet, Menschen zu überzeugen und zu gewinnen, die unsere christliche Verpflichtung nicht teilen. Deshalb müssen wir unsere Ziele vernünftig und verständlich formulieren.
Bei allem politischen Einsatz müssen wir Christen unsere Integrität und biblische Werte wahren. Während wir in der Praxis oft Kompromisslösungen zustimmen müssen, dürfen wir nie unsere Grundsätze aufgeben, indem wir uns unethisch benehmen oder Sünde befürworten oder fördern. Auch wenn wir zu recht bestimmte Gesetzesvorhaben, Kandidaten und Parteien unterstützen, müssen wir darüber im Klaren sein, dass der biblische Glaube ungemein größer und reichhaltiger ist, als jede begrenzte, zwangsläufig unvollkommene politische Agenda. Die Treue zu Jesus Christus und seinem Leib überragt jede politische Loyalität.
Die Strukturen des öffentlichen Lebens
Im Anfang beauftragte Gott die Menschen, die Schöpfung zu beherrschen und zu bewahren. Dieser Auftrag ist unterschiedlich ausgeführt worden. Die Menschen haben in Familienclans, Stämmen, Monarchien und Reichen gelebt, heute im modernen Nationalstaat in einer zunehmend vernetzten globalen Gemeinschaft. Wir leben heute in einer facettenreichen Gesellschaft, in der nur wenige Menschen die Regierungsgeschäfte tätigen und in der es oft keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme gibt.
Gott hat der menschlichen Gesellschaft verschiedene Institutionen und unterschiedliche Regierungsformen gewährt, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, die menschliche Bosheit einzudämmen und das Gemeinwohl zu fördern. Gott ruft alle Menschen auf, Verantwortung für die Schaffung einer gesunden Gesellschaft zu übernehmen, sei es in ihren Funktionen als Eheleute, Eltern, Arbeiter oder Mitglieder anderer Bereiche eines ganzen Spektrums menschlicher Netzwerke. Einige sind berufen, öffentliche Ämter zu bekleiden. Wir müssen alle unterstützen, die die Last des Regierens auf sich nehmen, und für sie beten (1. Timotheus 2,1-2).
Repräsentative Demokratie
Wir danken Gott für den Segen des demokratischen Rechtstaates, in dem alle Bürger an der Regierung beteiligt sein können, indem sie ihre Volksvertreter wählen, die Prioritäten der Regierung bestimmen helfen, und die aus der Erfahrung gewonnenen Einsichten öffentlich publik machen. Wir sind dankbar, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Bürger die Regierung darüber zur Rechenschaft ziehen kann, ob sie ihre Verantwortung vor Gott erfüllt und die Rechtsnormen eingehalten hat.
Wir unterstützen den demokratischen Prozess auch deshalb, weil die Menschen durch Gottes allgemeine Gnade in der Lage versetzt wurden, nicht nur nach ihrem eigenen Vorteil, sondern auch nach dem Wohl anderer zu trachten. Wir unterstützen den demokratischen Prozess aber auch im Bewusstsein, dass seit dem Sündenfall Macht oft egoistisch missbraucht wird. Lord Acton prägte den Satz: „Alle Macht korrumpiert, die absolute Macht korrumpiert absolut.“ Deshalb danken wir Gott für eine Verfassung, die Gewaltenteilung, faire Wahlen, befristete Amtsperioden sowie Trennung zwischen nationalen, bundesstaatlichen und kommunalen Befugnissen garantiert.
Als Christen sind wir in erster Linie Christus, seinem Reich und seiner weltweiten Gemeinde verpflichtet, nicht irgendeinem Staat. Gott hat Amerika mit Wohlstand und Macht gesegnet, doch diese Segnungen werden zu unserem Verderben führen, wenn sie nicht zum allgemeinen Wohl eingesetzt werden. Als Christen und Bürger der USA müssen wir offene Augen für selbst zerstörerische Trends unserer Gesellschaft und Regierung haben. Die natürliche Liebe zum Vaterland muss in Balance stehen mit einer Liebe für Menschen aller Länder und dem aktiven Verlangen nach deren Wohlergehen. Wir laden Christen außerhalb der Vereinigten Staaten ein, uns behilflich zu sein, unsere Wahrnehmung amerikanischen Lebens und Handelns zu verbreitern.
Gerechtes Regieren und fundamentale Freiheit
Gott ist die Quelle aller wahren Gesetzgebung und echten Freiheit. Er legitimiert die Staatsmacht und schränkt sie zugleich ein. Wir sollen zwar dem „Kaiser geben, was des Kaisers ist“ (Matthäus 22,15-22; Markus 12,13-17; Lukas 20,20-26), aber nur Jesus bleibt unser Herr. Als König aller Könige erstreckt sich seine Autorität über den Kaiser. Als Nachfolger Jesu gehorchen wir der Obrigkeit, so lange sie in Einklang mit Gottes Gerechtigkeit und seinen Gesetzen handelt (Titus 3,1). Wir leisten Widerstand gegen die Regierung, wenn sie ihre Macht auf ungerechte Weise ausübt (Apostelgeschichte 5,27-32) oder versucht, andere Institutionen der Gesellschaft zu beherrschen. Eine gute Regierung wird dafür Sorge tragen, dass die gottgewollten Aufgaben anderer gesellschaftlicher Institutionen – Kirchen, Glaubenswerke, Schulen, Familien, Gewerkschaften, Unternehmen – bewahrt bleiben.
Prinzipien des politischen Engagements von Christen
Einsatz für völlige Religions- und Gewissensfreiheit
Gott hat Staat und Kirche als zwei getrennte und voneinander unabhängige Institutionen eingerichtet, jede mit ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich (Römer 13,1-7; Markus 12,13-17; Epheser 4,15-16; 5,23-32). Wir bekräftigen die Religions- und Gewissensfreiheit, die historisch wie logisch zum Fundament Amerikas gehören. Zu Recht werden sie die „Erste Freiheit“ genannt und sind heute im ersten Verfassungszusatz verankert. Die dort garantierten Freiheiten – der Rede, der Versammlung und der Religion – bieten den politischen Schutzraum, in dem wir unsere unterschiedlichen Aufträge erfüllen. Weil Menschen Gott Rechenschaft schulden, sind diese Garantien unerlässlich, um ihre gottgegebene Freiheit auszuüben. Gott lässt Weizen und Unkraut nebeneinander bis zur Ernte wachsen (Matthäus 13,24-30), er lässt regnen auf Gerechte wie Ungerechte (Matthäus 5,45). So leben Menschen, ob sie Gott gehorchen oder nicht, miteinander in einer Gesellschaft und haben Anteil an ihren Wohltaten. In einem solchen „evangelischen Pluralismus“ gründet die Religionsfreiheit aller.
Teilnahme am öffentlichen Leben bedeutet nicht, dass man seine Glaubensüberzeugungen beiseite schiebt oder seinen Glauben nicht mehr praktizieren darf. Jeder soll seine Meinung öffentlich äußern dürfen, egal welche religiösen Überzeugungen oder Standpunkte vertreten werden. Das Gesetz sollte nicht nur die Religionspraxis, sondern auch religiös motiviertes Verhalten achten und schützen.
Der Paragraph des ersten Verfassungszusatzes, der eine Staatskirche verbietet, hat die Regierung im Blick und schränkt ihre Macht ein. Die Absicht dieser Bestimmung war es nicht, Bürger vor religiösen Äußerungen von Privatpersonen zu schützen. Befreiung von Vorschriften oder Steuern verletzen den Paragraphen nicht. Nur weil die Regierung sich in religiöse Angelegenheiten nicht einmischt, kann man kaum von Staatskirche reden. Es trifft nicht zu, dass staatliche Zuschüsse für Nichtregierungsorganisationen im Rahmen eines ausgewogenen Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitsprogramms die Empfänger zu „Staatsdienern“ mit verfassungsmäßigen Pflichten macht. Die Gerichte sollten die Autonomie der Kirchen respektieren im Bereich der Dogmatik, der Kirchenverfassung, des Klerus, der Anstellungsverfahren und anderer Belange, die im Zuständigkeitsbereich der Kirche liegen (Apostelgeschichte 18,12-17).
Religion ist nicht allein Privatsache, sondern beinhaltet reichhaltige gemeinsame Traditionen des Glaubens und des Lebens. Wir weisen sowohl eine radikal individualisierte Auffassung der Religion wie auch die Meinung zurück, jede ernsthafte Überzeugung sei letztlich Religion. Der erste Verfassungszusatz schützt das religiös motivierte Gewissen, aber nicht jedes ernsthafte Anliegen.
Einsatz zur Förderung der Familie und zum Schutz von Kindern
Vom ersten Buch Mose an steht die Familie im Mittelpunkt der Sicht Gottes für die menschliche Gesellschaft. Gott hat sich uns mit Illustrationen aus dem Familienalltag offenbart. Er „adoptiert“ uns als seine „Kinder“ (Römer 8.15; Galater 4,5), sein Geist lehrt uns, ihn „Vater“ zu nennen (Römer 8.15; Galater 4,6). Vorherrschendes Symbol von Gottes Beziehung zu seinem Volk ist die Ehe, ein lebenslanges Verhältnis zwischen Mann und Frau (Jesaja 54.5; Jeremia 3,20; Hesekiel 16,32; Epheser 5,23.31-32). Im Umkehrschluss weist das Familienleben auf Gott hin und spiegelt, wenn auch unvollkommen, das Innenleben der Dreieinigkeit wieder.
Der gegenseitige Hilfe und der Dienst in der Familie stehen in starkem Kontrast zur hypermodernen Betonung der Freiheit und Rechte des Einzelnen. Ehe, Sexualität und Familie sind von grundsätzlicher Bedeutung für die Gesellschaft. Ob verheiratet oder ledig: es ist die Familie, die uns lehrt, Verantwortung füreinander zu tragen, in geordneten Verhältnissen mit unterschiedlichen und doch sich ergänzenden Rollen zu leben, uns unterzuordnen und zu gehorchen, zu lieben und zu vertrauen. Wir lernen dadurch die Bedeutung von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, wir lernen, uns zugunsten anderer zurückzustellen. Die Familie steht also im Mittelpunkt einer organisch funktionierenden Gesellschaft.
Gesundes Familienleben zu sichern ist nicht in erster Linie die Verantwortung des Staates, sondern der Familien und anderer Institutionen, besonders der Kirchen. Die Regierung muss erkennen, dass Menschen mehr sind als autonome Einzelpersonen. Sie leben in Familien, viele von ihnen sind verheiratet. Die Regierung soll Hilfen für die Opfer von Missbrauch bieten, aber vor allem Gesetze Verordnungen verabschieden, die eine Stärkung der Familie verfolgen.
Viele soziale Missstände – Missbrauch von Alkohol, Drogen, Wettspiele, und Kreditkarten, Pornographie, sexuelle Freizügigkeit, sexueller Missbrauch von Frauen und Kindern, erleichterte Ehescheidung, Freigabe der Abtreibung – rühren daher, dass Familiemitglieder ihre Verantwortung nicht wahrnehmen und Vertrauen missbrauchen. Dadurch wird der gesellschaftliche Einsatz von Familienmitgliedern in der Gesellschaft beeinträchtigt. Solche Missstände dürfen nicht nur als das Vergehen Einzelner, sondern als Verletzung der Unversehrtheit der Familie betrachtet werden. Wenn die Familie eine wichtige Rolle in der Gesellschaft einnimmt, dann bedroht die Verletzung ihrer Unversehrtheit die öffentliche Ordnung. Nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Familien sind betroffen von der Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungsbaupolitik. Die Familie stärken heißt daher, biblische Grundsätze der Ethik und das persönliche Verantwortungsbewusstsein zu begünstigen. Es ist daher notwendig, für eine gute Politik in den Bereichen Ehe und Ehescheidung, Unterkunft, Ernährung, Gesundheitsfürsorge, Bildung und Lohnpolitik zu sorgen (Jakobus 5,1-6).
Ein geordnetes Familienleben ist von so herausragender Bedeutung für heilsames Menschsein, dass wir jedem Versuch der Regierung widerstehen, sich im Bereich der Erziehung der Kinder einzumischen und andere Formen des Zusammenlebens der Ehe gleichzustellen oder durch finanzielle Anreize zu bevorzugt.
Wir bemühen uns um Gesetze, die das Familienleben schützen und begünstigen. Wir stellen uns staatlichen Einmischungen in die Unversehrtheit der Familie entgegen, auch Neuerungen wie die gleichgeschlechtliche Ehe. Wir rufen nach Maßnahmen, die die wirtschaftliche Basis von Ehe und Familie stärken, besonders unter der ärmeren Bevölkerung. Wir wollen in Kirche und Gesellschaft aktiv sein, um Ehen zu stärken, die Scheidungsrate zu reduzieren und junge Erwachsene auf ein gesundes Familienleben vorzubereiten.
Einsatz zum Schutz der Menschenwürde und der Unversehrtheit menschlichen Lebens
Gott schuf die Menschen nach seinem Ebenbild. Deshalb haben alle Menschen Anteil an der gottgegebenen Würde. Dies gilt auch für die Ungeborenen, denn die Bibel bekräftigt Gottes Berufung und Sorge für das Kind im Mutterleib (Psalm 139,13).
Wir glauben, dass Abtreibung, aktive Sterbehilfe sowie ethisch verwerfliche Menschenexperimente diese gottgegebene Würde des Menschen verletzen. Wo solche Praktiken von der Bevölkerung befürwortet und gesetzlich legitimiert werden, da wird der gesetzliche und kulturelle Schutz untergraben, den unsere Gesellschaft für gefährdete Person vorgesehen hat. Die Würde des Menschen ist unteilbar. Wenn ältere Menschen, Kleinkinder, Ungeborene, Behinderte und Erbkranke bedroht werden, sind wir alle bedroht.
Menschliche Versuche, den vorgegebenen Rahmen der Schöpfung zu sprengen, werden im 1. Buch Mose als Auflehnung gegen Gott dargestellt. Christen müssen die geschöpflichen Grenzen in der politischen Diskussion bezeugen und vor den Folgen vor Experimenten warnen, die aus der Unzufriedenheit mit menschlicher Begrenztheit geschehen.
Wie viele Menschen der westlichen Welt haben wir ein solches Vertrauen in die Wissenschaft und die Idee des Fortschrittes gehabt, dass uns die Möglichkeiten der heutigen Biotechnologie unvorbereitet getroffen haben. Wir rufen fachkundige evangelikale Christen auf, Christen und Politikern zur Hilfe zu kommen, um solche Fragen zu erörtern. Die Entwicklung immer verfeinerten Techniken des Klonens und der Veränderung des Erbgutes erschwert den gesellschaftlichen Konsens über das ethisch Vertretbare sowie die Grenzen der Machbarkeit. Es geht um nichts Geringeres als die Einzigartigkeit der menschlichen Natur.
Da wo die Folgen der Biotechnologie unbekannt sind, sollte die Regierung vorsichtig vorgehen. Christen sollen Forschung mit Stammzellen erwachsener Menschen und andere ethisch vertretbare Forschungszweige begrüßen und unterstützen. Andererseits müssen wir uns um ein absolutes Verbot von Klonen, embryonaler Stammzellforschung sowie Diskriminierung aufgrund genetischer Information bemühen.
Gerechtigkeit und Mitleid für Arme und Gefährdete
Jesus fasste Gottes Gesetz in dem Doppelgebot zusammen, Gott mit dem ganzen Sein und unsere Nächsten wie uns selbst zu lieben (Matthäus 22,35-40). Durch Vorbild und Gleichnis lehrte er uns, dass jeder in Not unser Nächster ist (Lukas 10,29-37). Weil alle im Ebenbild Gottes geschaffen sind, schulden wir uns gegenseitig Hilfe in Zeiten der Not.
Gott identifiziert sich mit den Armen (Psalm 146,5-9). Wer sich der Armen annimmt, leiht dem Herrn (Sprüche 19,17), während die Unterdrücker der Armen ihren Schöpfer verachten (Sprüche 14,31). Jesus sagte, dass diejenigen, die sich nicht um die Bedürftigen und Gefangenen kümmern, ewig von der Gegenwart Gottes verbannt werden (Matthäus 25,31-46). Zu den Gefährdeten gehören nicht nur die Armen sondern auch Frauen, Kinder, Senioren, Behinderte, Immigranten, Flüchtlinge, Minderheiten, Verfolgten und Gefängnisinsassen. Gott beurteilt eine Gesellschaft nach dem Maßstab, wie sie mit diesen Personengruppen umgeht.
Die Propheten Gottes rufen sein Volk dazu auf, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen (Jesaja 10,1-4; 58,3-12; Jeremia 5,26-29; 22,13-19; Amos 2,6-7; 4,1-3; 5,10-15). Sie verlangen eine gerechte Rechtsprechung ohne Bevorzugung Reicher oder Armer, sowie eine gerechte Wirtschaftsordnung, die Armut nicht tatenlos hinnimmt. Die Bibel spricht nicht von völliger wirtschaftlicher Gleichheit, befürwortet jedoch die Chancengleichheit und verurteilt große Unterschiede, die Leid und Armut hervorrufen. Gott will für jede Person und jede Familie einen Zugang zu den produktiven Ressourcen, damit sie durch verantwortliches Handeln für sich selbst sorgen können und so zu ehrenvollen Bürgern werden. Christen können Menschen auf verschiedene Weise helfen: durch persönliche Wohltätigkeit, durch wirksame Glaubenswerke, durch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und indem sie effektive Regierungsprogramme und strukturelle Veränderungsprozesse befürworten.
Wirtschaftliche Gerechtigkeit schließt sowohl die Linderung von Leid als auch die Wiederherstellung von Ganzheit ein. Zur Ganzheit gehört volle Teilnahme am Leben der Gemeinschaft. Gesundheitsfürsorge, Ernährung und Bildung sind wichtige Faktoren, die Menschen helfen, das Brandmal und die Pein der Armut zu überwinden und sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Ein gesundes Familienleben ist eine wichtige Voraussetzung dafür, gesunde Menschen heranreifen zu lassen und Armut zu überwinden. Daher sollte die Politik die Ehe und Enthaltsamkeit vor der Hochzeit begünstigen und Frühsexualisierung, ledige Mutterschaft und leichte Ehescheidung eindämmen. Der Staat sollte auch Eltern für den Unterhalt ihrer Familie verantwortlich machen und die Unterhaltszahlungen wo nötig durchsetzen.
Die Wiederherstellung von Ganzheit impliziert, dass es das Ziel der Sozialpolitik sein muss, dass Menschen wieder selbständig werden und sich selbst versorgen können. Ein Existenzminimum muss zwar für diejenigen garantiert sein, die nicht in der Lage sind, für sich selbst und ihre Familie zu sorgen. Doch Anreize und Trainingsmöglichkeiten in aussichtsreichen Berufssparten gehören in jedes abgerundete Sozialprogramm hinein. Wir rufen Christen in der Politik auf, weise Gesetze im Bereich der Vermögensbildung und in der Lohn-, Bildungs-, Steuer-, Einwanderungs-, Gesundheits- und Sozialpolitik zu verabschieden, die Menschen vor der Armutsfalle schützen und es ihnen ermöglichen, ihre Lage zu verbessern.
Wir sind außerdem überzeugt, dass Hilfe für Gefährdete nicht an der Staatsgrenze halt machen darf. Amerikas Außen- und Handelspolitik bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Armen. Wir sollten unsere politischen Führer überreden, schädliche Handelsmuster für die Armen zu ändern und die Bekämpfung der weltweiten Armut zum zentralen Anliegen der amerikanischen Außenpolitik zu machen. Wir müssen eine Politik unterstützen, die Transparenz in der Regierung fördert, ungerechte sozioökonomische Strukturen korrigiert, wirksame Programme zur Unterstützung der Armen unterstützt sowie wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand begünstigt. Christen sollten die Regierung dazu aufrufen, internationale Hilfsorganisationen weiterhin zu unterstützen, auch diejenigen, die auf der Grundlage des Glaubens arbeiten.
Besonders in den Entwicklungsländern sind große Bevölkerungsgruppen gefährdet, sei es aufgrund von extremer Armut, mangelnder Gesundheitsfürsorge, HIV/ AIDS-Epidemien, Lebensmittelknappheit, ungerechte und instabile Wirtschaftslage, Sklaven- und Menschenhandel, Vergewaltigung als Mittel der Einschüchterung und Unterdrückung, Bürgerkrieg sowie Vetternwirtschaft und Regierungskorruption. Wir unterstützen christliche Hilfsorganisationen und eine amerikanische Außenpolitik, die solche politischen Nöte wirksam korrigieren und Gerechtigkeit und Demokratie begünstigen.
Einsatz für Menschenrechte
Als Menschen, die als Gottes Ebenbild geschaffen sind, haben wir sowohl Rechte wie auch Verantwortungen. Um diesen Verantwortungen gerecht zu werden, brauchen Menschen die Freiheit, Vereinigungen zu bilden, um ihren Glauben zu formulieren, ihn auszuleben und nach gutem Gewissen zu handeln.
Als Empfänger des gottgegebenen, wertvollen Lebens benötigen Menschen Nahrung, Pflege, Unterkunft und Fürsorge. Um ihre gottgegebenen Aufgaben zu erfüllen, haben alle Menschen ein Recht auf Privateigentum. Gottes Plan für die Menschen umfasst das Recht auf Eheschließung, auf ein erfüllendes Familienleben und das Recht Kinder zu erziehen. Die Regierung ist zwar nicht verpflichtet, den Menschen alles zur Verfügung zu stellen, was sie zu ihrem Wohl benötigen, doch gehört es sehr wohl zu ihrer Pflicht, dafür zu sorgen, dass es ihnen nicht durch Ungerechtigkeit genommen wird. Ebenso gehört zu den Aufgaben des Staates, Familien, Schulen, Unternehmen, Krankenhäuser, Wohlfahrtsverbände und andere Einrichtungen zu stärken, damit sie zum Allgemeinwohl beitragen. Die Regierung muss gleichzeitig ihre Verantwortung erfüllen im Wohlstand für alle und in der Förderung des Gemeinwohls.
Regierungen müssen von der Verfassung in die Pflicht genommen werden, grundlegende Menschenrechte zu schützen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und ähnliche Dokumente sind Versuche, die Behandlung zu umschreiben, die ein jeder Bürger von seiner Regierung erwarten darf. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, seine Rechte bei der Exekutive, Legislative oder bei der Judikative einzuklagen. Wir glauben, dass die amerikanische Außenpolitik Länder belohnen sollte, die Menschenrechte einhalten. Umgekehrt sollte sie Länder nicht belohnen (und gegen sie umsichtig Sanktionen einsetzen), die solche Rechte verweigern oder gegen sie verstoßen. Wir rufen die Vereinigten Staaten dazu auf, mehr zu tun, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in früheren Kolonien, in den Ländern des Islam sowie des früheren Ostblocks zu fördern.
Weil der Schöpfer den Menschen Freiheit gab, glauben wir, dass Religionsfreiheit, einschließlich des Rechts auf Religionswechsel, ein Grundrecht ist, das alle Regierungen umsetzen müssen, gemäß Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Rede- und Versammlungsfreiheit sind damit eng verbunden. Jeder muss frei sein, seine Vorstellung einer gerechten Gesellschaft zu äußern, ohne Angst vor Folter oder Repressalien.
In Zusammenhang mit „Rechten“ weisen wir die Auffassung zurück, es gäbe ein so genanntes „Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe“ oder ein „Recht auf Sterben“. Die notwendige Diskussion solcher Themen wird im öffentlichen Diskurs in Amerika durch eine unangemessene Berufung auf „Rechte“ oft umgangen.
Amerikas Vergangenheit ist eine tragische Geschichte der Misshandlung der Indianer und der grausamen Praxis der Sklaverei, deren Nachkommen immer noch diskriminiert und ausgebeutet werden. Auf dem Papier gibt es in den Vereinigten Staaten vor dem Gesetz zwar soziale Gleichheit, jedoch bleiben besonders viele Schwarze, spanisch sprechende und andere ethnische Minderheiten aufgrund des Erbes des Rassismus vieler sozialer Probleme ausgesetzt. Auf unsere Kirchen kommt im Bezug auf gute Rassenbeziehungen eine besondere Verantwortung zu (Römer 10,12). Um die schleichenden Nachwirkungen unserer rassistischen Vergangenheit zu korrigieren, sollten Christen verantwortbare Bemühungen unterstützen, die Würde dieser Volksgruppen und Verantwortung für sie unterstützen.
Einsatz für Frieden und gegen Gewalt
Jesus und die Propheten sahen eine Zeit voraus, in der Gottes Herrschaft gerechte und friedliche Gesellschaften hervorrufen wird, in denen die Menschen die Früchte ihrer Arbeit genießen können, ohne von ungerechten Herrschern oder fremden Unterdrückern gestört zu werden. Doch Christen haben von Anfang an verstanden, dass sie Gott sie nicht berufen hat, sein Reich mit Gewalt herbeizuführen. Alle Christen teilen die Ansicht, dass Regierungen gerechte und friedliche Sozialordnungen zu schützen und wiederherzustellen haben. Es gibt jedoch unterschiedliche Meinungen darüber, in wie weit Regierungen auf Gewalt zurückgreifen dürfen und ob wir uns daran beteiligen dürfen, die Heimat zu verteidigen, andere vor Aggression zu schützen oder andere Völker von Unterdrückung zu befreien.
Konflikte friedlich beizulegen ist ein Geschenk der allgemeinen Gnade. Wir rufen Regierungen auf, friedliche Möglichkeiten auszuschöpfen, ehe sie auf Militärgewalt zurückgreifen. Wir glauben, dass militärische Gewalt nur im Dienst des Friedens und nicht für rein nationale Interessen verwenden werden darf. Ihr Gebrauch muss nach den klassischen Grundsätzen des gerechten Krieges erfolgen, die die Bedingungen für die angemessene Vorgehensweise im Krieg vorschreiben. Solche Grundsätze sind im Zeitalter von atomaren- und biologischen Waffen wichtiger denn je.
Wir rufen die Nachfolger Christi auf, auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene aktive Friedensstifter zu werden. Als Christi Nachfolger sollten wir uns als Bürger bemühen, Konflikte abzubauen, indem wir Verständnis zwischen Ländern fördern und gewaltfreie Lösungen suchen.
Einsatz für Gottes Schöpfung
Wir nehmen die Verantwortung für die Pflege von Gottes Erde wahr und bekennen uns gleichzeitig zur wichtigen Wahrheit, dass wir allein dem Schöpfer und nicht der Schöpfung huldigen. Die Sorge um seine Erde und seine Arten vertraute Gott unseren ersten Eltern an. Diese Verantwortung ist nun unser Vermächtnis geworden. Wir bekräftigen, dass die gottgegebene Herrschaft eine heilige Verpflichtung darstellt, die Erde zu verwalten. Sie ist kein Freibrief, die Schöpfung, zu der auch wir gehören, zu missbrauchen und auszubeuten. Wir sind nicht Herren der Schöpfung, sondern Verwalter, von Gott beauftragt, sie zu „bebauen und bewahren“ (1.Mose 2,15). Dies impliziert den Grundsatz der Haltbarkeit: unser Gebrauch der Erde muss darauf hin konzipiert sein, sie zu erhalten und zu erneuern und nicht, sie auszubeuten und zu zerstören.
Die Bibel lehrt, dass Gott nicht nur sein Volk erlöst, sondern auch die ganze Schöpfung wiederherstellen wird (Römer 8,18-23). Genauso wie wir unsere Liebe zum Heiland darin erweisen, dass wir die Verlorenen erreichen, glauben wir, dass wir unserer Liebe zum Schöpfer durch Sorge um seine Schöpfung Ausdruck verleihen.
Reine Luft, sauberes Wasser und angemessene Ressourcen sind Voraussetzung für öffentliche Gesundheit und politische Ordnung. Deshalb obliegt es der Regierung, ihre Bürger vor Umweltverschmutzung zu schützen. Hier zeigt sich ein dringender Handlungsbedarf, durch Umweltmissbrauch verursachtes menschliches Leid zu lindern. Weil Ökosysteme sehr komplex sind, müssen wir als Verwalter der Schöpfung umsichtig und vorsichtig vorgehen.
Die Menschen tragen eine vielfältige Verantwortung für die Schöpfung. Wir rufen Christen auf, durch umfangreiche Abfallverwertung, sparsamen Umgang mit Ressourcen sowie mehr Berührung mit der Natur umweltfreundlicher zu leben. Wir rufen die Regierung auf, sparsamen Energieverbrauch zu fördern, Umweltverschmutzung einzudämmen, vertretbaren Gebrauch natürlicher Ressourcen zu begünstigen, sowie für den Schutz der Tierwelt in ihrem natürlichen Lebensraum zu sorgen.
Unsere Verpflichtung
Wir verpflichten uns, Christen zu unterstützen, die sich in Einklang mit den Lehren der Bibel politisch und sozial einsetzen. Wir rufen christliche Politiker und Menschen mit entsprechenden Fachkenntnissen auf, uns zu helfen, unsere Perspektive fürs öffentliche Leben und die Politik zu vertiefen, damit wir unsere Verantwortung fürs Gemeinwohl besser wahrnehmen können.
Wir rufen alle Christen auf, sich ausreichend zu informieren und dann von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen, aber auch ihren gesetzlichen Vertretern gegenüber biblische Werte zu vermitteln. Wir fordern alle Christen auf, ihre Bürgerpflicht ernst zu nehmen, auch wenn sie keine politischen Aktivisten sind, damit sie die Regierenden angemessen zur Rechenschaft ziehen können. Auch legen wir unseren Kindern nah, ein Leben im öffentlichen Dienst in Erwägung zu ziehen.
Wir rufen Kirchen und interkonfessionelle Werke auf, ihre Mitglieder für Bürgerverantwortung und öffentliche Gerechtigkeit zu sensibilisieren. Theologische Seminare und Ausbildungsstätten haben eine besondere Verantwortung, künftigen Leitern ein Gespür für Bürgerverantwortung zu vermitteln. Wir rufen alle Christen auf, ihr politisches Engagement mit dem Ziel zu erneuern, Randgruppen und Arme zu schützen, die Unversehrtheit menschlichen Lebens zu wahren, Versöhnung und Gerechtigkeit zwischen den Rassen zu begünstigen, die Familie zu erneuern, die Schöpfung zu pflegen und Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden für alle Menschen zu fördern.
Vor allem verpflichten wir uns, regelmäßig für Regierende zu beten, dass Gott ihre Bemühungen für Leben, Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden gelingen lässt.
© National Association of Evangelicals, Washington, DC
Übersetzung: Institut für Ethik & Werte, Gießen
© 2008 Institut für Ethik & Wert
Autor
National Association of Evangelicals
Endnoten
- 1Der vorliegende Text wurde von der „National Association of Evangelicals“ in den USA als offizieller Text für das politische und gesellschaftliche Engagement der Evangelikalen 2004 veröffentlicht.