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Politische EthikTagespolitische Themen

Zwischen christlicher Friedensverheißung und legitimierter Staatsgewalt

Theologische Stellungnahme zur deutschen Beteiligung an den Waf-fenlieferungen für die Ukraine

1. Einleitung

Mit dem von der westlichen Staatengemeinschaft als völkerrechtswidrig verurteilten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat das moderne Europa seit dem 24. Februar 2022 einen politisch umwälzenden Epochenwechsel erlebt, durch den unsägliches Leid verursacht worden ist und viele Menschen den Tod gefunden haben. Verschiedenste Akteure aus Politik, Kirche und Gesellschaft haben voller Bestürzung die Eskalation verurteilt, ein Ende der Gewalt gefordert und für die Leidtragenden auf beiden Seiten gebetet. In der politischen Einordnung des Konfliktgeschehens haben sich in den nunmehr zweieinhalb Jahren seit Kriegsausbruch bei aller Solidarität für die ukrainische Bevölkerung sowohl historische als auch ethische Bedenken im Blick auf die Frage erhoben, welchen Umfang deutsche Hilfsleistungen für die Ukraine annehmen sollen. In der vorliegenden Stellungnahme wird zur ethischen Orientierung im ersten Schritt eine grobe Skizzierung der Ereignisse aus den repräsentativen Perspektiven von einerseits dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und andererseits dem ukrainisch-amerikanischen Historiker und Harvard-Dozenten Serhii Plokhy vorgenommen. Anschließend wird der theologische Begründungsweg für die Frage nach einer Legitimität von Waffenlieferungen an wesentlichen, mit der Friedensethik in Verbindung stehenden Stationen der politischen Ethik nachgezeichnet. Abschließend wird der Erkenntnisgewinn aus diesen beiden Hauptteilen einem Appell an politische Entscheidungsträger zugeführt, dessen Schlagrichtung von der anhaltenden Not der Betroffenen vorgegeben wird: „Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche den Frieden und jage ihm nach!“ (Psalm 34,15).

2. Die historisch-narratologische Dimension des Konfliktgeschehens

In der geopolitischen Bewertung des Kriegsgeschehens treffen ukrainisch-transatlantisch und russisch geprägte Einordnungsnarrative aufeinander, die sich teils diametral entgegenstehen und sehr verschiedene Auffassungen von heute gültigen Völkerrechtskonventionen zutage treten lassen. Damit eine theologisch-ethische Beurteilung jedweder deutschen Beteiligung am Kriegsgeschehen verantwortungsvoll gelingen kann, wird nun zunächst eine grobe Skizzierung der historischen Ereignisse vorgenommen, die sich aus Schnittmengen beider Narrative, Beschlusstexten von Abkommen und Bündnissen sowie Regierungserklärungen und Medienberichten speist. Anschließend werden die spezifisch westlichen bzw. russischen Einordnungen der historischen Ereignisse gegenübergestellt und einer vorsichtigen Wertung zugeführt, wofür repräsentativ der Artikel „On the Historical Unity of Russians and Ukrainians” (2021) aus der Feder des russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Monografie „Der Angriff: Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen für die Welt“1Originaltitel: Plokhy, The Russo-Ukrainian War. The Return of History” (2023). (2023) des ukrainisch-amerikanischen Historikers Serhii Plokhy rezipiert werden. Als zentrale Konfliktpunkte werden sich dabei 1. die historisch-ethnischen Entwicklungslinien der beiden heutigen Nationen Ukraine und Russland, 2. die Westannäherung der Ukraine im Zuge der NATO-Osterweiterung nach dem Zerfall der Sowjetunion und 3. die Rechtfertigung für militärischen Auseinandersetzungen seit 2014 herausstellen.

2.1 Von der Kiewer Rus bis zur ukrainischen Unabhängigkeit 1991

In seinem Artikel hat Putin zur Begründung der historisch-ethnischen Einheit von Russen und Ukrainern auf die Übereinstimmung von sprachlichen Entwicklungen, religiösen Überzeugungen, geistesgeschichtlichen Denkweisen und kulturellen Traditionen verwiesen, die unter russischer Prägung bis in die Zeit des altslawischen Großreiches „Kiewer Rus“ (9. Jahrhundert n. Chr. zurückreichen würden.2Vgl. Putin, Historical Unity, 1-2; 5. Die junge Vorstellung einer unabhängigen Ukraine versteht er als ein von außen propagiertes Narrativ, das ursprünglich aus der polnischen und österreichischen Intellektuellenschicht des 19. Jahrhunderts mit antirussischen Zielsetzungen hervorgegangen sei.3Vgl. Putin, Historical Unity, 6.13.15. 1918 wurde zum ersten Mal die ukrainische Unabhängigkeit von Russland erklärt, gefolgt von einer komplexen Besetzungssituation im Nachgang des Ersten Weltkrieges und schließlich 1922 dem Eintritt in die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) als Gründungsmitglied.4Putin, Historical Unity, 8. Im Verlauf der bolschewikischen „localization policy“ sei die „Ukrainisierung“ in den 1930er Jahren erstmals einer Bevölkerungsgruppe aufgezwungen worden, die sich selbst nicht als Ukrainer verstanden. Sie seien vielmehr Experimentalobjekte der kommunistischen Regierung gewesen, die im Begriff stand, die historisch gewachsene, russische Identität zu rauben.5Vgl. Putin, Historical Unity, 8-10. Daraus folgert Putin: „Therefore, modern Ukraine is entirely the product of the Soviet era. We know and remember well that it was shaped […] on the lands of historical Russia.”6Putin, Historical Unity, 9.

Grundsätzlich hält auch Plokhy den Ansatz Putins für richtig, den Ursprung der heutigen Russen, Ukrainer und Weißrussen im altslawischen Großreich der Kiewer Rus zu suchen, allerdings sei aus historischer Perspektive wenig plausibel, ein über tausende Kilometer verteiltes Gebiet als ethnische Einheit zu verstehen. Vielmehr sei die Kiewer Rus ein „multiethnisches Gemeinwesen“ gewesen, dessen nachmittelalterliche Entwicklungslinie keinesfalls mit dem Territorium des Russischen Reiches gleichgesetzt werden könne. Dass der Ursprung der russischen Ethnie, Sprache und Volkskultur in Kiew ausgemacht wird, sei ein problematischer Mythos russischer Eliten, der Ende des 15. Jahrhunderts an Einfluss gewonnen habe.7Vgl. Plokhy, Angriff, 30-31. Während Putin die Ursprünge einer unabhängigen Ukraine wesentlich auf bolschewikische Aktivitäten in der UdSSR zurückführt, verortet Plokhy diese Anfänge im generellen Aufstreben des Nationalismus im 19. Jahrhundert. Putins Einordnung sei demgegenüber scharf zurückzuweisen: „Rudimentäre Kenntnisse der Geschichte […] genügen“, so Plokhy, „um zu wissen, dass der heutige ukrainische Staat nicht dank Lenin, sondern gegen dessen erklärten Willen entstanden ist.“8Plokhy, Angriff, 43. Schließlich sei die russische Vorherrschaft im zentralasiatischen Raum seit der Gründung des Russischen Reiches 1721 und auch in der 1922 gegründeten UdSSR unter Zwang durchgesetzt worden.9Vgl. Plokhy, Angriff, 35-39. Trauriger Höhepunkt seien Niederschlagung und Verschleppung ukrainischer Nationalisten im Nachgang des Zweiten Weltkrieges in die Gulags gewesen – „was die Ukrainer zur größten ethnischen Gruppe politischer Gefangener in der Sowjetunion machte“10Plokhy, Angriff, 50. , so Plokhy. Trotz zwischenzeitlicher Zusammenarbeit sei die Russifizierung der Ukraine aus nationalistisch-kommunistischer Motivation 1972 wiederaufgenommen und die Repression gegen ukrainische Kulturentwicklungen fortgesetzt worden.11Vgl. Plokhy, Angriff, 53.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, den Putin in seiner Rede an die russische Nation 2005 als „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete12Zitiert bei Schattenberg, Sowjetunion (Artikel online ohne Seitenzahlen)., weil sie Millionen von Menschen über Nacht von ihrem Heimatland entwurzelt hatte, wurde weitgehend der Grenzstatus von 1922 wiederhergestellt.13Vgl. Putin, Historical Unity, 10. In einem Referendum der Bürger auf heute ukrainischem Staatsgebiet stimmten 90,3% (Krim: 54%) für die Unabhängigkeit von Russland und im selben Jahr wurde die Ukraine souveräner Nationalstaat. Im Geiste einer freundschaftlichen Beziehung beider Nationen hat auch die russische Föderation den Unabhängigkeitsstatus der Ukraine akzeptiert und der jungen Nation großzügige Unterstützung zu einer florierenden Entwicklung zukommen lassen, wie es schon früher der Fall gewesen sei: „Ukraine and Russia have developed as a single economic system over decades and centuries.“14Putin, Historical Unity, 11.

2.2 Die Westannäherung der Ukraine im geopolitischen Systemwettbewerb

Der Zerfall der Sowjetunion und das Ende des Kalten Krieges läuteten einen Zeitabschnitt des relativen Friedens ein. Mit dem Budapester Memorandum als Ergebnis der KSZE-Konferenz von 1994 haben sich die USA und Großbritannien ebenso wie Russland zu einem besonderen, militärischen Schutz der Ukraine, Kasachstans und Belarus‘ verpflichtet, weil alle drei Staaten durch ihren Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag ihre Nuklearwaffen aufgegeben haben – im Fall der Ukraine das drittgrößte Arsenal der Welt.15Vgl. Plokhy, Angriff, 99-102. Der Originaltext liegt in einer Dokumentationsreihe der United Nations zu internationalen Abkommen vor (vgl. UN, Memorandum on security assurances in connection with Ukraine’s accession to the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%203007/v3007.pdf, 05.12.1994, 167-183, abgerufen am 08.09.2024.

Nichtsdestotrotz ist Plokhy überzeugt, dass die russische Entwicklung nach dem Zerfall der Sowjetunion zu einer abstrakten Bedrohungslage für die Ukraine geführt hat. 1991 war die russische Föderation aus dem institutionellen und territorialen Erbe der UdSSR hervorgegangen, habe aber „nie einen sauberen Bruch mit der kommunistischen Vergangenheit“ vollzogen.16Vgl. Plokhy, Angriff, 45-46; zit. 56. Das kurze Aufflammen parlamentarisch-demokratischer Entwicklungen sei bereits 1993 durch ein „starkes Präsidialregime“ in Moskau abgelöst worden, das basisdemokratische Instrumente durch präsidentielle Befugnisse ersetzte und Machtübergaben durch oligarchische Einflüsse autokratisch garantierte, während der demokratische Schein um der Westbeziehungen willen gewahrt worden sei.17Vgl. Plokhy, Angriff, 70-73.84.124; zit. 66-67. 1999 wurde der ehemalige KGB-Offizier Wladimir Putin russischer Präsident und sicherte sich mit seiner hervorragenden Vernetzung unter Oligarchen, Sicher-heitsbeamten und Staatsmedien beachtliche Beliebtheitswerte unter der Bevölkerung.18Vgl. Plokhy, Angriff, 86. Unter russischen Eliten des postsowjetischen Raums und auch im weltanschaulichen Konglomerat Putins sei der Kommunismus von der Ideologie des „Eurasismus“ abgelöst worden, die durch dem russischen Gegenwartsphilosophen Alexander Dugin in höchsten Regierungskreisen Anklang fand. Plokhy fasst zusammen: „Das eurasische Konzept zielte darauf ab, den ehemals russisch-imperialen und nun postsowjetischen Raum auf der Grundlage des imperialen Erbes Russlands, der russischen Kultur und des orthodoxen Christentums wiederherzustellen und dabei die nichtrussischen Teile des ehemaligen Reiches in die heutige Russische Föderation so weit wie möglich zu integrieren.“19Plokhy, Angriff, 145. Dugins Schriften würden dabei, so unterstellt Plokhy, in die Richtung eines „russischen Faschismus“ weisen, von dem eine ernstzunehmende Gefahr ausgehe.20Vgl. Plokhy, Angriff, 144-145.

Gleichzeitig sei im Systemwettbewerb zwischen dem freiheitlich-demokratischen, marktwirtschaftlich veranlagen Gesellschaftsmodell im transatlantischen Raum und dem postkommunistisch-nationalistischen Gesellschaftsmodell Russlands zu beobachten gewesen, dass sich die Staaten hinter dem Eisernen Vorhang immer deutlicher für das westliche Gesellschaftsmodell entschieden hätten und Russland als ernstzunehmende, militärische Bedrohung fürchteten. Bei einem Treffen der NATO-Vertreter 1993 sprach der polnische Präsident Lech Wałęsa repräsentativ für osteuropäische Länder, die sich dem transatlantischen Sicherheitsbündnis annähern wollten: „Nach Jahrzehnten der sowjetischen Vorherrschaft haben wir alle Angst vor Russland. […] Wenn Russland zu einer expansiven Außenpolitik zurückkehrt, wird sich diese Aggression gegen die Ukraine und Polen richten. Wir brauchen Amerika, um das zu verhindern. […] Deshalb wollen wir der NATO beitreten.“21Vgl. Lech Wałęsa, zit. bei Plokhy, Angriff, 113.

Die NATO-Osterweiterungen seit 1999 sind wesentlicher Entzündungspunkt der laufenden Auseinandersetzungen. Aus russischer Perspektive ist in der Auflösung der geschichtlichen Verbindungen mit Russland und der Westannäherung gerade die Ursache für die bedauerliche Verfallsgeschichte der Ukraine auszumachen. In erster Linie sei von den ukrainischen Regierungen zunehmend eine antirussische Geschichtsumschreibung vorangetrieben worden, die schließlich darin ihren Ausdruck finde, dass die russische Sprache aus dem Bildungswesen verbannt und geschichtliche Denkmäler vernichtet worden seien22Vgl. Putin, Historical Unity, 13-14. : „They began to mythologize and rewrite history, edit out everything that united us, and refer to the period when Ukraine was part of the Russian Empire and the Soviet Union as an occupation. The common tragedy of collectivization and famine of the early 1930s was portrayed as the genocide of the Ukrainian people.“23Putin, Historical Unity, 12. Diese Entwicklungen stehen in der russischen Wahrnehmung im Zusammenhang mit einem politischen Einflussgewinn von Neonazis und ukrainischen Nationalisten: „Their slogans, ideology, and blatant aggressive Russophobia have to a large extent become defining elements of state policy in Ukraine.”24Putin, Historical Unity, 13. Die Erhebung von nationalsozialistischen Kriegsverbrechern wie Stepan Andrijovyč Bandera in den Stand von Nationalhelden und die zunehmende Militarisierung des Landes verdeutliche eindrücklich, welches Ausmaß der Radikalisierung der ukrainische Nationalismus erreicht habe.25Vgl. Putin, Historical Unity, 14-16. Paradoxerweise und konterkarierend, wie Putin es wahrnimmt, sei dieser Machtgewinn mit einer Zuwendung an kapitalistisch veranlagte, westliche Bündnisgemeinschaften einhergegangen. Ohnehin habe die NATO-Osterweiterung zwischen 1999 und 2020, besonders auch der auf dem NATO-Gipfel 2008 in Aussicht gestellte Bündnisbeitritt der Ukraine26Vgl. NATO, Bucharest Summit Declaration, https://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_8443.htm, 03.04.2008, abgerufen am 05.09.2024. eine ernstzunehmende Bedrohungslage für die russische Föderation bedeutet, weil mit dem Vorrücken westlicher Streitkräfte die russischen Sicherheitsinteressen umfassend ignoriert worden seien. Aus Putins Perspektive verbergen sich hinter der Osterweiterung Bemühungen um eine „monopolare Weltherrschaft“27So Putin wörtlich in seiner Brandrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007. Zitiert bei Büchenbacher, Putins Weg der Radikalisierung (ohne Seitenangaben). der USA, die entgegen mündlich ausgehandelter Abkommen forciert worden sei und letztlich auch die ukrainische Unabhängigkeit gefährden würde. Von der Westannäherung hätten schließlich korrupte, ukrainische Oligarchen, westliche Unternehmen und Bündnisse – nicht aber die ukrainische Bevölkerung profitiert: „Radicals and neo-Nazis were open and more and more insolent about their ambitions. They were indulged by both the official authorities and local oligarchs, who robbed the people of Ukraine and kept their stolen money in Western banks, ready to sell their motherland for the sake of preserving their capital. To this should be added the persistent weakness of state institutions and the position of a willing hostage to someone else's geopolitical will. I recall that long ago, well before 2014, the U.S. and EU countries systematically and consistently pushed Ukraine to curtail and limit economic cooperation with Russia.”28Putin, Historical Unity, 12f. Insofern kommt Putin zu dem Schluss, dass die ukrainische Bevölkerung zum Spielball der geopolitischen Machtambitionen transatlantischer Bündnisse geworden ist: „Step by step, Ukraine was dragged into a dangerous geopolitical game aimed at turning Ukraine into a barrier between Europe and Russia, a springboard against Russia.”29Putin, Historical Unity, 13.

Aus der Sicht westlicher Historiker ist bis heute höchst umstritten, ob während der Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung im „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ (1990) vonseiten der NATO-Mitglieder das mündliche Versprechen zu einer Absehung von Osterweiterungen gemacht worden ist.30Vgl. Plokhy, Angriff, 128. Für eine einleitende Übersicht siehe Sarotte, Versprochen und gebrochen? (im Originalartikel ohne Seitenangaben). In jedem Fall seien die NATO-Beitritte nicht Ergebnis westlicher Einflussnahmen, sondern Ausdruck der nationalstaatlichen Souveränität, Gesellschaftsmodell und Bündnispartner eigenständig wählen zu dürfen. Plokhy führt aus, dass es auch in der Ukraine zweimal nach angeblich durch russische Einflussnahme manipulierten Wahlen zu Revolutionen gekommen war, durch die eine Zuwendung der ukrainischen Bevölkerung zur westlichen, liberalen Demokratie sehr deutlich geworden sei: 2004 war es die „Orange Revolution“, durch die eine Wiederholungswahl erzwungen wurde, in der schließlich der prowestliche Präsidentschaftskandidat Juschtschenko die Mehrheit der Stimmen erhielt31Vgl. Plokhy, Angriff, 97., und 2014 war es die „Revolution der Würde“ mit der gegen den prorussischen Kurs des 2010 eingesetzten Präsidenten Janukowitsch protestiert wurde. Entgegen seiner Wahlkampfversprechen habe er durch die Annäherung an die „Eurasische Union“, einen von Moskau initiierten Wirtschaftsraum postsowjetischer Staaten, einen Dammbruch der Korruption durch ukrainische Oligarchen ermöglicht, den EU-orientierten Kurs des Landes revidiert und die Selbstverteidigungsfähigkeiten der ukrainischen Armee systematisch reduziert. Dass es nach gewalttätigen Auseinandersetzungen und Neuwahlen zugunsten prowestlicher Kräfte zu keiner Zeit ein offizielles Amtsenthebungsverfahren mit Zweidrittelmehrheit gegen Janukowytsch gegeben hat, unterstreicht nach russischer Auffassung bis heute die Illegitimität der Folgeregierungen, wenngleich sie mehrheitlich gewählt wurden.32Vgl. Plokhy, Angriff, 132-136; 141f.; 158f.

Aufgrund der prowestlichen Entwicklung in der ukrainischen Bevölkerung und der offenen Beitrittszusage der NATO an die Ukraine 2008 sei eine Radikalisierung Putins wahrzunehmen gewesen, die in der Kommunikation nach innen wie nach außen zunehmend geschichtsrevisionistische, propagandistische Züge angenommen und im politischen Vorgehen auf imperialistische Absichten habe schließen lassen. Putins Brandrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007, seine Reden zur Lage der Nation 2014/2018 und schließlich auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim 2014 seien deutlicher Ausdruck dieser Entwicklung – goutiert von steigenden Zustimmungswerten in der russischen Bevölkerung.33Vgl. Büchenbacher, Putins Weg der Radikalisierung. Vonseiten der NATO wurde die Bedrohungswahrnehmung Putins als unrechtmäßig eingeordnet: Die Ausbreitung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit dürfte nicht als Bedrohung wahrgenommen werden, so der vom damaligen NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer vorgegebene Tenor.34Vgl. Büchenbacher, Putins Weg der Radikalisierung.

2.3 Von der Annexion der Krim 2014 bis zur Invasion 2022

Die Behauptung einer von ukrainischen Nationalisten ausgehenden Gefahr für ethnische Russen auf der Krim oder in anderen Teilen der Ukraine hält Plokhy für einen konstruierten Vorwand, um Putins Eröffnungszug hin zu einem imperialen Russland zu rechtfertigen.35Vgl. Plokhy, Angriff, 152f. Am 27. Februar 2014 wurde die Krim besetzt und nach einem Referendum am 18. März 2014 offiziell annektiert. „Ohne Atomwaffen, ohne NATO-Mitgliedschaft und ohne eine nennenswerte Armee hatte die Ukraine keine Möglichkeit, der Aggression etwas entgegenzusetzen“36Plokhy, Angriff, 160., konstatiert Plokhy. Für die Widervereinigung stimmten schließlich 97% der Anwohner, allerdings hatte der eingesetzte, prorussische Ministerpräsident Serhej Askenow vor dem Einfall nur 4% der Wählerstimmen erhalten. Eine offensichtliche Wahlmanipulation, wie Plokhy urteilt: „Die Männer mit den Kalaschnikows sorgten für die Korrektur des Wählerwillens.“37Plokhy, Angriff, 156. Das Budapester Memorandum von 1994 war gebrochen worden.

Die folgenden Jahre waren geprägt von Scharmützeln im ukrainischen Donbas, besonders in den Grenzgebieten um Donezk und Luhansk, aber auch darüber hinaus. Erst unter der Präsidentschaft von Petro Poroschenko seit dem 26. Mai 2014 kam die ukrainische Regierung dem Ziel näher, im Donbas wieder die Kontrolle zu gewinnen, indem von Oligarchen finanzierte Freiwilligenbataillone russische Söldnergruppen und bewaffnete Separatisten zurückschlugen. Erst die Verschärfung des Kriegsgeschehens und der versehentliche Abschuss eines Passagierflugs mit fast 300 Menschen an Bord durch eine russische Flugabwehrbrigade lenkte die internationale Aufmerksamkeit auf das Andauern des ukrainisch-russischen Konflikts. Die offene Invasion Russlands in die Ukraine begann am 24. August 2014 und konnte durch anlaufende Wirtschaftssanktionen seitens der westlichen Staatengemeinschaften nicht unterbunden werden. Nach schwerwiegenden Verlusten auf ukrainischer Seite war Poroschenko schließlich aus einer Position der Schwäche heraus gezwungen, das Abkommen Minsk I (2014) zu unterzeichnen: Unter der Überwachung der OSZE sollten alle Kampfhandlungen von beiden Seiten eingestellt und die beiden Donbas-Regionen vorläufig als Republiken unter eigener Verwaltung anerkannt werden – ein Teilsieg für Russland.38Vgl. Plokhy, Angriff, 172-176.

Taktische Vorstöße von russischen Soldaten zeigten allerdings schon sehr bald die Wirkungslosigkeit des Abkommens, sodass ein Jahr später das Abkommen Minsk II (2015) geschlossen wurde, mit dem die Pattsituation aufgrund von ungenauen Formulierungen nicht überwunden werden konnte.39Vgl. Plokhy, 177-178. In folgenden Scharmützeln starben noch über 14.000 Menschen und festigten die Ukrainer mehrheitlich in ihrer demokratischen Entwicklungstendenz. Über 500 öffentlicher Symbole und Denkmäler der sowjetischen Zeit und der russischen Vorherrschaft in der Ukraine wurden medienwirksam zerstört, Ukrainisch wurde offiziell zur alleinigen Amtssprache, die ukrainisch-orthodoxe Kirche unterstellte sich demonstrativ dem Patriarchat von Konstantinopel und durch Finanzspritzen transatlantischer Staaten konnte die Ukraine eine wehrfähige Berufsarmee aufbauen.40Vgl. Plokhy, Angriff, 180-182. 2019 wurde der ehemalige Schauspieler Wolodymyr Selenskyj ukrainischer Präsident – er setzte diesen Kurs fort und versprach darüber hinaus ein umfassendes Antikorruptionsprogramm, mit dem er 73% der Stimmen erhielt und besonders auch unter jüngeren Ukrainern Zuspruch fand. Durch seinen Erfolg als Präsident wurde er zum beliebtesten Politiker der Ukraine.41Vgl. Plokhy, Angriff, 186-188.

Aus der Perspektive Putins haben diese Entwicklungen zu einer ernsthaften Bedrohung der ethnischen Russen in der Ukraine geführt, die 2021 darin ihren Höhepunkt erreicht hätten, dass allen Minderheiten in der Ukraine, die einem auswärtigen Nationalstaat zugeordnet werden könnten, der Einheimischen-Status abgesprochen worden sei – ein in Putins Augen nicht hinnehmbarer, politischer Angriff.42Vgl. Putin, Historical Unity, 13. Stattdessen seien friedliche Russen in der Ukraine zu Separatisten und Terroristen erklärt und so sehr drangsaliert worden, dass sie in Donezk und Lugansk zur bewaffneten Selbstverteidigung gezwungen waren.43Vgl. Putin, Historical Unity, 15. Neben dieser historischen Abkoppelung habe die politisch vorangetriebene Autonomisierung der ukrainisch-orthodoxen Kirche vom Patriarchen in Moskau auch die geistliche Spaltung der Bevölkerung vorangetrieben.44Vgl. Putin, Historical Unity, 14. Trotzdem sei die Russische Föderation der drittgrößte Handelspartner der Ukraine geblieben und stets bereit gewesen, Konfliktlösungen zu finden. Vor diesem Hintergrund sei umso bestürzender, dass Russland von westlicher Seite als „Aggressor“ betitelt werde.45Vgl. Putin, Historical Unity, 12.17. Putin bekundet in seinem Essay immer wieder seinen grundsätzlichen Respekt für nationale Zugehörigkeitsentscheidungen von Einzelnen und auch für demokratische Unabhängigkeitserklärungen ganzer Nationen46Vgl. Putin, Historical Unity, 11.14., schränkt aber entscheidend ein: „The fact is that the situation in Ukraine today is completely different because it involves a forced change of identity. And the most despicable thing is that the Russians in Ukraine are being forced not only to deny their roots, generations of their ancestors but also to believe that Russia is their enemy. It would not be an exaggeration to say that the path of forced assimilation, the formation of an ethnically pure Ukrainian state, aggressive towards Russia, is comparable in its consequences to the use of weapons of mass destruction against us. As a result of such a harsh and artificial division of Russians and Ukrainians, the Russian people in all may decrease by hundreds of thousands or even millions.”47Putin, Historical Unity, 14. Die völkerrechtliche Implikation ist Grundtenor des gesamten Essays aus Putins Feder: Wenn eine demokratische Unabhängigkeitsentscheidung auf einen erzwungenen Identitätenwechsel durch feindlich gesinnte Kräfte von außen zurückzuführen ist, dürfen im Zweifel nicht demokratische Mehrheitsentscheidungen, sondern müssen stattdessen ethnisch-historische Entwicklungslinien konstitutiv für die Grenzbildung von Nationen sein, um das eigene Volk zu schützen. An dieser Stelle schwingt der argumentative Höhepunkt der Ausführungen Putins unausgesprochen mit: Die Annexion der Krim 2014 – und was auch immer danach noch folgen mag – müsse als Akt der Notwehr verstanden werden, während die tatsächliche Aggression von der russophobischen Politik der ukrainischen Regierung ausgehe.48Vgl. Putin, Historical, 13. Nach Jahren der Verhandlungen zur Befriedung des weiterschwelenden Konflikts stellte Putin den NATO-Staaten im Dezember 2021 ein Ultimatum: Entweder seien alle NATO-Bündniserweiterungen zu unterlassen, NATO-Truppen aus Polen und den baltischen Staaten abzuziehen und amerikanische Atomwaffen aus Europa zu entfernen, oder Putin werde den Krieg mit der Ukraine eskalieren lassen. Diplomatische Bemühungen erreichten in den folgenden Monaten einen Höhepunkt, brachten aber kein Ergebnis hervor und erwiesen so das deutliche Scheitern der Appeasement-Politik gegenüber Russland, die besonders unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel in Deutschland betrieben worden war.49Vgl. Plokhy, Angriff, 192-194; 326f.; 336. Infolgedessen appellierte Selenskyj an die Hilfszusagen des Budapester Memorandums und erbat die Lieferung von Waffen an die Ukraine, unter anderem auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 19. Februar 2022.

Am 24. Februar 2022 begann schließlich an zahlreichen Fronten zugleich die Invasion Russlands in die Ukraine. Mit einer zunächst auf bis zu drei Tage ausgelegten Operation sollte nicht nur der Donbas vollständig kontrolliert, sondern auch Kiew erobert und die Regierung abgesetzt werden. Die russischen Truppen stießen allerdings auf überraschend starken Widerstand von der ukrainischen Armee und der Bevölkerung, der das Narrativ Putins von einer Befreiungsaktion im Sinne der ukrainischen Bevölkerung schnell entlarvte. Plokhy interpretiert: „Die ‚militärische Spezialoperation‘ der Russen fiel Putins verzerrtem Geschichtsbild und seinem mangelnden Verständnis für die ukrainische Gesellschaft und ihre demokratischen Fundamente zum Opfer.“50Vgl. Plokhy, Angriff, 204-206; zit. 216. Als die Invasoren mit zunehmender Dauer der Invasion begriffen, dass sie nicht mit offenen Armen empfangen wurden, wandelte sich der Umgang der Besatzer mit der ukrainischen Bevölkerung von Freundlichkeit zu Aggression, zumal sie weder über ausreichend Proviant noch Kraftstoff verfügten. Zahlreiche Massaker, Vergewaltigungen und Folterungen an Ukrainern (besonders prominent in Butscha) sowie der zunehmende Raketenbeschuss auf Zivilisten zur Brechung des Verteidigungswillens (u.a. durch den geächteten Einsatz von Streubomben in Charkiw und Luftschlägen auf zivile Schutzräume in Mariupol) sind bis heute hinreichend dokumentiert und brachten auch die Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine bei den Istanbuler Gesprächen im März 2022 zum Erliegen: „Die Ukraine hatte einen Waffenstillstand gefordert, an dem Moskau jedoch kein Interesse zeigte.“51Vgl. Plokhy, Angriff, 223-227; 234; 242f.; 331; zit. 227. Aus der ukrainischen Perspektive war die Selbstentlarvung Russlands allerdings bereits überdeutlich geworden: „Die Bombardierung Charkiws war der erste Massenmord an russischsprachigen Menschen im Namen ihrer Befreiung.“52Plokhy, Angriff, 240. Die umfassende Solidarität der westlichen Staatengemeinschaft mit der Ukraine zeigte sich zügig nach der Invasion in der Herausbildung einer breiten Sanktionskoalition, die aber aufgrund der mitteleuropäischen Abhängigkeit von russischen Rohstoffen zunächst nur mäßige Erfolge erzielte.53Vgl. Plokhy, Angriff, 314-317; 362. Die USA, Großbritannien und die ehemaligen Sowjetstaaten Osteuropas gehörten von Beginn an zu den tatkräftigsten Unterstützern. Auch Deutschland trug die Sanktionen überzeugt mit, allerdings zeigten sich deutsche Politiker unter der Kanzlerschaft von Olaf Scholz im Blick auf die Lieferung schwerer Waffen zunächst weitaus zögerlicher, weil sie Vergeltungsschläge oder den Ausbruch eines dritten Weltkriegs fürchteten und Bedenken wegen ihrer nationalen Schuldgeschichte hegten. Schließlich kamen die Deutschen den Bitten neben anderen, abwartenden Ländern aus Mitteleuropa aber doch nach, weil russische Kriegsverbrechen ethische Überzeugungsarbeit leisteten und der politische Druck von innen und außen wuchs.54Vgl. Plokhy, Angriff, 323; 328. Noch im Juni 2022 bestätigte das Europaparlament die Ukraine zudem als Beitrittskandidaten der EU und auf dem Madrider NATO-Gipfel Ende Juni wurde mit der Beitrittsankündigung Schwedens und Finnlands zur NATO ein weiteres, deutliches Zeichen des Zusammenrückens im transatlantischen Bündnisraum gesetzt.55Vgl. Plokhy, Angriff, 338-339.

2.4 Bewertung

Die tiefe Diskrepanz dieser beiden narratologischen Einordnungen und der Schweregrad der gegenseitigen Unterstellungen stimmen im Blick auf eine baldige Befriedung des Krisenherdes nicht optimistisch. Beide Seiten – Ukraine und Russland – werfen sich narratologische Geschichtsumdeutungen, manipulierte Wahlen, nationalistische Radikalisierung und Angriffe auf das ethnische Brudervolk vor, die von subtilen Einschränkungen bis zu Gewalt reichen und militärische Verteidigungshandlungen legitimieren. Auch wenn eine Beurteilung der beiden historischen Sichtweisen den spezialisierten Geschichtswissenschaftlern überlassen werden muss, soll zur ethischen Orientierung im bestehenden Krieg kurz auf die wesentlichen Begründungszusammenhänge eingegangen werden.

Im Blick auf die verschiedenen Einordnungen im russisch-ukrainischen Verhältnis muss konstatiert werden, dass in den Gulags der russisch dominierten UdSSR-Zeit hauptsächlich Polen, Ukrainer und Weißrussen zu Hunderttausenden wegen ihrer nationalen bis nationalistischen Bestrebungen verschleppt worden waren.56Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Gulag-Verbrechen setzte nach dem Zerfall der Sowjetunion ein. Einführende Empfehlungen, in denen auch die ethnische Zusammensetzung der Inhaftierten untersucht wird, sind „Gulag. Willkür und Massenverbrechen in der Sowjetunion 1917-1951“ von Bernd Bonwetsch in „Gulag. Band II“ für die Bundeszentrale für Politische Bildung sowie das umfangreiche Werk „Der Gulag“ von Anne Applebaum (OT: Gulag: A History; 2003). Der nahtlose, institutionelle Übergang zwischen UdSSR und Russischer Föderation lässt stark an Putins Narrativ der historischen Partnerschaftlichkeit und Einheit zumindest in jüngerer Zeit zweifeln, rechtfertigt die Furcht osteuropäischer Staaten vor russischer Expansion und verdeutlicht so, welche Triebkraft tatsächlich hinter der flutartigen Westannäherung Osteuropas zu vermuten ist. Die Eindeutigkeit des ukrainischen Unabhängigkeitsreferendums (90,3%) und auch zwei spätere, erfolgreiche Revolutionen zur Westannäherung sprechen deutlich für diese Interpretation.

In der geopolitischen Dimension des Konflikts zwischen den ehemaligen Antagonisten des Kalten Krieges wird die Beurteilung dadurch erschwert, dass die gegenseitig vorgeworfenen Einflussnahmen auf die sogenannten Pufferstaaten Osteuropas selten belastbar nachzuweisen sind. Dass die Kampfhandlungen zwischen Ukraine und Russland jedenfalls als Entladungspunkt im Systemwettbewerb zwischen Demokratie und Autokratie verstanden werden müssen, zeigt sich darin, inwieweit demokratisch legitimierte Unabhängigkeitsbestrebungen toleriert werden. Militärische Angriffe auf das Territorium einer souveränen und intakten Nation, das durch mehrheitliches Votum auf demokratischen Grundlagen völkerrechtsgültig Staatsgebiet darstellt, entlarvt die antidemokratische Gesinnung des Angreifers. Insofern ist der Einschätzung des US-Präsidenten Joseph Biden zuzustimmen, die er am 26. März 2022 in Warschau formuliert hat: „Wir sind aus dem großen Kampf für die Freiheit [= der Kalte Krieg] neu erwachsen: dem Kampf zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen einer regelbasierten Ordnung und einer Ordnung, die von roher Gewalt beherrscht wird.“57Joseph Biden, zit. bei Plokhy, Angriff, 312.

Die Argumentation Putins erreicht allerdings noch eine tiefgreifendere Ebene. Die Berechtigung zu einer defensiven, militärischen Intervention auf ukrainischem Staatsgebiet leitet Putin wesentlich dadurch her, dass ethnische Russen durch zuerst polnisch-österreichische, dann bolschewikische und schließlich transatlantische Bemühungen zu der Überzeugung manipuliert worden seien, das eigenständige Volk der Ukrainer zu bilden. Ein derartiges Absprechen kollektiver Zurechnungsfähigkeit würde allerdings jedwede Form der Vereinnahmung für eigene Interessen rechtfertigen und bricht mit den Grundlagen jeder Möglichkeit zu Verhandlungen und Gesprächen – weil dem überzeugten Wort des Gegenübers die Selbstbestimmtheit abgesprochen wird. Eine derartige Methodik muss vor dem Hintergrund des christlichen und aufgeklärten Menschenbildes zurückgewiesen und als autokratisches Werkzeug entlarvt werden, das Freiheit und Zurechnungsfähigkeit des Einzelnen übergeht.

Am stärksten werden die Ausführungen Putins allerdings dadurch in Zweifel gezogen, dass er im Zuge der unvorhergesehenen Invasionsschwierigkeiten einen Strategiewechsel in seiner Legitimationserzählung vorgenommen hat: Sein Essay von 2021 kann insgesamt als geschichtswissenschaftlich eingerahmte Ankündigung angesehen werden, das angeblich pro-russisch eingestellte und ethnisch de-facto russische Volk auf ukrainischem Staatsgebiet von der faschistischen Herrschaft ukrainischer Nazis zu befreien und durch eine kurze Intervention wieder seiner russischen Heimat anzugliedern. Dass die ukrainische Bevölkerung aufgrund der Gewalteskalation mehrheitlich gegen Russland geeint war und die kriegerischen Handlungen bis heute fortgesetzt werden, ist der eindrücklichste Beweis gegen das scheindemokratische Argument einer Besatzungsbefreiung und hat Putin dazu genötigt, die Invasion durch aggressive, US-amerikanische Machtausweitungsversuche zu rechtfertigen.58Vgl. Putin, Rede vom 14.06.2024. Die Inszenierung ethnischer Russen als Opfer ukrainischer Machthaber durch Putin mutet angesichts der kriegsverbrecherischen Angriffe, der Ukrainer ebenso wie ethnische Russen zum Opfer fallen, regelrecht perfide an, macht seine Legitimationsversuche unglaubwürdig und entlarvt die übergeordneten Absichten. Vor diesem Hintergrund ist den Einordnungen Plokhys überwiegend Recht zu geben. Sein Fazit lautet: „Der gegenwärtige Konflikt ist in vielerlei Hinsicht ein altmodischer imperialer Krieg, geführt von russischen Eliten, die sich für Erben und Bewahrer der expansionistischen Großmacht-Traditionen des Russischen Reiches und der Sowjetunion halten. Seitens der Ukraine ist er zuallererst ein Unabhängigkeitskrieg, der verzweifelte Versuch einer neuen, aus den Ruinen des sowjetischen Zusammenbruchs hervor-gegangenen Nation, ihr Existenzrecht zu verteidigen.“59Plokhy, Angriff, 24.

3. Theologische Grundlagen für die politische Entscheidungsfindung

Im Spannungsfeld der beiden historischen Narrative stimmt die überwiegende Mehrheit deutscher Politiker mit den NATO-Beschlüssen überein, nach denen der russische Angriffskrieg zu verurteilen und der Ukraine zu helfen ist. Die moralische Verpflichtung dazu leitet sich aus 1. historischen Versprechen, 2. geostrategischen Überlegungen und 3. weltanschaulichen Überzeugungen her. Auf der ersten Ebene ergibt sich aus den Schutzgarantien des Budapester Memorandums und dem ukrainischen Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag nach dem Zerfall der Sowjetunion sowie der Bündnisannäherung an die NATO bzw. EU eine historische Verantwortung, für die territoriale Integrität der Ukraine Sorge zu tragen, weil die damalige Regierung um der gelingenden Abrüstung nach dem Kalten Krieg willen eine erhöhte Angreifbarkeit riskiert hat. Auf der zweiten Ebene präfiguriert der Angriff Russlands auf die Ukraine eine Enthemmung im weltweit zu beobachtenden Systemwettbewerb zwischen demokratisch und autokratisch verfassten Nationen, der entschieden begegnet werden muss, um nicht noch weitere Staaten in ihrem hegemonistischen Streben zu Annexionsversuchen entgegen modernen Völkerrechtsverträgen zu ermutigen. Der schwelende Konflikt zwischen China und Taiwan, aber auch militärische und wirtschaftliche Auseinandersetzungen in Afrika, Hindukusch und Südamerika tragen die Signatur dieses Systemwettbewerbs, der auf eine neue bipolare Weltordnung mit den Machtzentren Washington und Peking zustrebt. In diesem Sinne kämpft die Ukraine auch für Mitteleuropa den Kampf um freie Wahlen, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Freiheitsrechte, die den meisten Menschen in der Geschichte versagt geblieben sind. Jene Werte, von denen sich Autokraten bedroht sehen und deren Ausbreitung sie mi Gewalt und Härte zu verhindern suchen. Und auf der dritten Ebene wird besonders auf der Basis von christlichen Begründungszusammenhängen zur Unterstützung der Ukraine aufgerufen – auf der einen Seite mit der Forderung nach Waffenlieferungen aufgrund der Verantwortlichkeit für den schutzsuchenden Nächsten, auf der anderen Seite durch den Appell zu gewaltlosen Konfliktlösungsstrategien am Vorbild des Leidens Christi. Auch wenn viele gesellschaftliche Verantwortungsträger den Kirchen im Zuge der Säkularisierung fernbleiben, sind sie dennoch von der Bedeutung des christlichen Menschenbildes für die Gestaltung menschlichen Zusammenlebens überzeugt – schließlich sind viele Aspekte der für uns heute selbstverständlichen, freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf der Basis des christlichen Weltbildes entstanden.

Für deutsche Politiker, die ihre Verantwortlichkeit vor Gott und den Menschen reflektieren wollen, stellt sich also die sehr konkrete und ernste Frage, ob und in welchem Umfang Waffenlieferungen ein verhältnismäßiges und richtiges Mittel zur Befriedung des Konflikts darstellen. Seit Kriegsausbruch im Februar 2022 bis zum August 2024 hat die deutsche Bundesregierung nach eigenen Angaben etwa 16,6 Mrd. Euro zur Kriegsertüchtigung und zusätzlich militärisches Material mit einem Wiederbeschaffungswert von 5,2 Mrd. Euro für die ukrainische Selbstverteidigung zur Verfügung gestellt.60Vgl. Bundesregierung, Krieg in der Ukraine, https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/krieg-in-der-ukraine/lieferungen-ukraine-2054514, 19.08.2024, abgerufen am 05.09.2024.

3.1 Kirchliche Stellungnahmen zur Friedensethik im Blick auf den Ukrainekrieg

Es ist die feste Überzeugung vieler Millionen Christen in Deutschland, dass die Weisungen christlicher Ethik in den unübersichtlichen Konfliktfeldern dieser Welt eindringlich an die politischen Verantwortungsträger herangetragen werden müssen, weil ihnen nicht nur eine realistische Weltsicht und ein wirklichkeitsgetreues Menschenbild zugrunde liegt. Am Vorbild des Sohnes Gottes, Jesus Christus, wohnt ihnen darüber hinaus auch ein unvergleichliches Versöhnungspotenzial inne, dessen durchdringende Kraft in der zweitausendjährigen Kirchengeschichte schon unzählige, verhärtete Herzen erweicht und auf einen Frieden ausgerichtet hat, der über dieses Leben hinausgeht.

In den zweieinhalb Jahren seit Kriegsausbruch in der Ukraine und verstärkt durch den terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 07.10.2023 hat im christlichen Raum eine Reflexion friedensethischer Überzeugungen eingesetzt. Das abrupte Ende der historisch nahezu beispiellosen, fast 80-jährigen Friedenszeit in Europa hat auch die protestantische Friedensethik aus ihrem behüteten Dämmerschlaf aufgestört. Während in der friedensethisch maß-geblichen und inhaltlich sehr differenzierten Denkschrift der EKD, „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ (2007) Rüstungs-exporte in Spannungsgebiete wegen ihres Potenzials zur Konfliktverschärfung ebenso wie nukleare Abschreckung als Mittel der Kriegsvermeidung tendenziell abgelehnt wurden61Vgl. EKD, Denkschrift Frieden, 100f.; 103. Unter anderem wird von einem „Teufelskreis wechselseitiger Bedrohungswahrnehmungen“ gesprochen (103)., mehren sich heute die Stimmen von EKD-Repräsentanten, deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine gutzuheißen. Unter anderem hat die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Waffenlieferungen ausdrücklich gerechtfertigt.62Vgl. Interview von Benedikt Schulz mit Anna-Nicole Heinrich, „Waffenlieferungen an die Ukraine sind gerechtfertigt“, https://www.deutschlandfunk.de/anna-nicole-heinrich-praeses-evangelische-kirche-deutschland-100.html, 17.04.2022, abgerufen am 02.09.2024). Und auch die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hat in einer Stellungnahme von der Legitimation rechtserhaltender Gewalt im Rahmen einer intakten Friedensethik gesprochen: „Wir können die Angegriffenen ja nicht schutzlos lassen, wenn sie mit Raketen beschossen, ihres Landes beraubt, vergewaltigt und verschleppt werden.“63EKD-Stellungnahme „Annette Kurschus: Einsatz von Waffen nur für Ende der Gewalt“, 22.02.2023, https://www.ekd.de/annette-kurschus-einsatz-von-waffen-nur-fuer-ende-der-gewalt-77511.htm, 22.02.2023, abgerufen am 02.09.2024). Insgesamt bedeutet dieser Wandel für die EKD eine größere, ökumenische Anschlussfähigkeit im Blick auf katholische Positionierungen: in dem abschließenden Pressebericht des Vorsitzenden Dr. Georg Bätzing nach der Deutschen Bischofskonferenz 2024 wurde die militärische, wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung der Ukraine als ethisch geboten eingeordnet.64Vgl. DBK, Pressemeldung Nr. 023, https://www.dbk.de/presse/aktuelles/meldung/abschluss-pressekonferenz-der-fruehjahrs-vollversammlung-2024-der-deutschen-bischofskonferenz-in-augsburg, 22.02.2024, abgerufen am 02.09.2024). Mit stärker pazifistischem Anklang haben sich der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) mit einem „Ökumenischen Aufruf zu einem gerechten Frieden“65Vgl. ÖRK, Statement on the War in Ukraine, https://www.oikoumene.org/resources/documents/wcc-central-committee-statement-on-the-war-in-ukraine, 18.06.2022, abgerufen am 02.09.2024). und auch die Vereinigung evangelischer Freikirchen (VEF) in einer Stellungnahme geäußert.66Vgl. VEF, Der Tyrannei Hoffnung und Taten entgegensetzen, https://www.vef.de/erklarungen/der-tyrannei-hoffnung-und-taten-entgegensetzen, 12.04.2022, abgerufen am 07.09.2024). Die Uneinigkeit im freikirchlichen Raum im Blick auf Waffengewalt wird an einer Stellungnahme der Evangelischen Allianz Deutschlands (EAD) erkennbar, die neben eindringlichen Ermahnungen zum Frieden auch das Ergreifen notwendiger Maßnahmen zum Einhalt Putins unterstützt.67Vgl. EAD, EAD-Stellungnahme zur Situation in der Ukraine, https://www.ead.de/2022/maerz/04032022-ead-stellungnahme-zur-situation-in-der-ukraine/, 04.03.2022, abgerufen am 07.09.2024).

An dieser Übersicht kirchlicher Stellungnahmen wird deutlich, dass zwar vollständige Einigkeit zur Unterstützung der Ukraine besteht, in der Abwägung zwischen pazifistischen und militärischen Ansätzen aber noch theologische Plausibilisierungsarbeit für die jeweilige Herangehensweise aussteht. Die vorliegende Stellungnahme möchte mit der folgenden Untersuchung politisch-ethischer Herleitungswege zur Meinungsbildung in dieser Frage beitragen.

3.2 Ethik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes

Gemäß der christlichen Überlieferung wurde der Mensch von Gott zu einem Leben in freier Verantwortlichkeit vor seinem Schöpfer begabt und in eine Schöpfung hineingestellt, in der alles „sehr gut“ war (Genesis 1-2). Durch das Ereignis des Sündenfalls (Genesis 3), dem Beziehungsabbruch zwischen Menschen und Gott, lebt er heute jedoch in einer Welt des Mangels, die in den Worten des prominenten Psychiaters und Holocaust-Überlebenden Victor E. Frankl durch eine „tragische Trias“ ausgezeichnet ist: Schuld, Leid und Tod konfrontieren menschliches Leben in dieser Welt unablässig und unübersehbar.68Frankl, Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, 233-280. In der protestantischen Tradition wird die Auswirkung des Sündenfalls auf die menschliche Existenz als eine „Verkrümmung des menschlichen Herzens in sich selbst“ bezeichnet.69Bonhoeffer, DBW 12 (Christologievorlesung), 283. Aus ihr folgt, dass Menschen grenzenlose Selbstsucht, unersättliches Begehren, Hass auf den Mitmenschen und auch den Keim der Kriegswut in sich tragen können. Vereinfacht dargestellt balanciert das christliche Menschenbild in ethischer Hinsicht zwischen diesen beiden Polen: der freien Verantwortung des Menschen vor seinem Schöpfergott einerseits und seiner durch die Sünde dem Bösen zugeneigten Natur andererseits, welche der Restriktion und der Erlösung bedarf.

3.3 Der Zweck von Kirche und Staat in der Zweiregimentenlehre

Die göttlichen Ordnungen, in denen der Mensch aufgrund dieser Konstitution lebt, wurden von Martin Luther auf der Grundlage der biblischen Überlieferung in der „Zweiregimentenlehre“ erarbeitet und von Dietrich Bonhoeffer überzeugend systematisiert.70Vgl. DeJonge, Luther, 77-142. Zur Interpretation der Verhältnisbestimmung zwischen Luther und Bonhoeffer im Blick auf ihre politisch-ethischen Entwürfe befindet sich eine Monografie des Autors im Veröffentlichungsprozess: Steinmüller, Zwei Naturen und Zwei Regimenter (s. Bibliografie). Die Zweiregimentenlehre besagt im Wesentlichen, dass der Gott der Christenheit souveräner Alleinherrscher sowohl über Christen ist, die seine Existenz bekennen und glauben, dass das Erlösungshandeln von Jesus Christus durch Kreuz und Auferstehung ihnen gilt, als auch über diejenigen, die das nicht tun. Diesen beiden Gruppen, den Gläubigen in der Kirche und den Ungläubigen in der Welt, ist den beiden reformatorischen Theologen zufolge je eine unterschiedene Regierungsweise Gottes zugeordnet: In der Kirche regiert Gott durch sein Wort und zielt damit auf das ewige Seelenheil der Menschen. In der Welt regiert Gott durch das Schwert, indem er Obrigkeiten einsetzt und so äußere Gerechtigkeit und äußeren Frieden schafft, damit sein erlösendes Wort die Seelen der Menschen erreichen kann. Der moderne Staat und die institutionalisierten Kirchen sind dementsprechend weltliche Ausgestaltungsformen der beiden göttlichen Regimenter. Auch wenn die beiden Regierungsweisen verschieden sind, sollen alle Menschen beiden untergeordnet sein, weil sie auf dasselbe Ziel hinarbeiten: Die Wahrung äußerlichen Friedens, damit das Evangelium Gottes die Herzen der Menschen erreichen kann.71Vgl. Luther, WA 11 (Von weltlicher Obrigkeit), 249f.263; Bonhoeffer, DBW 6 (Ethik), 43f., 49ff.

Legitime Gewaltanwendung: Luthers Unterscheidung von Person und Amt

Ausgehend von dieser Grundlage kann die Frage nach einer legitimen Gewaltanwendung gestellt werden. Dabei werden in der biblischen Überlieferung besonders zwei zentrale Kardinalstellen rezipiert. Auf der einen Seite stehen zwei berühmte Aussprüche aus der Bergpredigt Jesu, die paradigmatisch zur Begründung eines christlichen Pazifismus herangezogen werden: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes heißen.“ (Mt 5,9) Und: „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ (Matthäus 5,39b) Besonders in der mennonitischen und baptistischen Tradition wird der persönliche Gewaltverzicht bis heute in dem Vertrauen ausgelebt, dass Gerechtigkeit im umfassendsten Sinn am Ende der Geschichte von Gott wiederhergestellt werden wird. Am Vorbild des Leidensweges Christi und in der Hoffnung auf sein ewiges Friedensreich sind sie zum Erleiden von Unrecht bereit und gehen über passiven Widerstand im Angesicht geschehenden Übels nicht hinaus. Unterschiedlich radikal fallen die Antworten in der pazifistischen Tradition im Blick auf die Frage aus, ob und inwieweit eine Bewaffnung staatlicher Schutzinstitutionen nach innen oder außen gutgeheißen werden kann.72Eindrücklich ist, dass dieser mitunter bis zum Letzten aufopferungsvolle Pazifismus auch unter ukrainischen Gemeinden im Angesicht der russischen Invasion praktiziert wird, wie vom katholischen „Domradio“ berichtet wird. Vgl. Clasen, Ohne Waffen (Kurzartikel ohne Seitenangaben). Und auf der anderen Seite wird im Brief des Apostels Paulus an die Römer von der zur Gewaltanwendung berechtigten, weltlichen Obrigkeit gesprochen, die von Gott eingesetzt ist: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. […] Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut.“ (Römer 13,1.4)

Die in unseren Augen überzeugendste Verhältnisbestimmung dieser beiden gegensätzlich erscheinenden Aussagen ist Martin Luther mit seiner Differenzierung zwischen „Person“ und „Amt“ gelungen: Das Gebot der Bergpredigt, Unrecht ohne Gegenwehr zu erdulden, richtet sich an die Gläubigen der Kirche, die am Vorbild ihres gekreuzigten Erlösers zum Erleiden des Unrechts bereit sein sollen, weil ihr Gott selbst alles Unrecht vergelten wird (Römer 12,9). Es richtet sich also an die Privatperson des Christen (ebenso wie des Nichtchristen). Das Recht zur Gewaltanwendung ist demgegenüber ein verliehenes, öffentliches Amt, durch das eine Person die Berechtigungen weltlicher Obrigkeit erhält: „Das Schwert soll kein Christ für sich und seine Sache gebrauchen oder anrufen, er darf und soll es aber für einen andern führen und anrufen, damit der Bosheit gewehrt und die Rechtschaffenheit verteidigt wird.“73Luther, WA 11 (Von weltlicher Obrigkeit), 260 (zit. DDStA III, 251). Eine Anwendung des kirchlichen Gebots auf die Obrigkeit würde zum politischen Pazifismus und eine Anwendung des obrigkeitlichen Gebots auf die Kirchen zu Kreuzzügen führen – beides entgegen der göttlichen Zweckbestimmung von Kirche und Obrigkeit. Die beiden verschiedenen Regierungsweisen, wie sie in der Zweiregimentenlehre systematisiert sind, dürfen nicht vermischt werden, auch wenn sie demselben, moralischen Willen Gottes entsprechen. Insgesamt ergibt sich demnach der Grundsatz, dass der moderne Staat als zeitgeschichtliche Obrigkeitsausformung dazu berechtigt ist, Unrecht durch Gewaltanwendung zu verhüten und zu strafen. Gleichzeitig entsprechen die Äußerungen Jesu in der Bergpredigt einem direkten Verbot, außeramtlich zur Widerherstellung von Gerechtigkeit zur Waffe zu greifen und Gewalt anzuwenden. Unter Christen kann es Berufene in das Amt der Schwertgewalt und Berufene zum persönlichen, mitunter radikalen Gewaltverzicht geben. Beides ist theologisch legitimiert und auch im Rahmen der in Deutschland garantierten Religions- und Gewissensfreiheit zu respektieren.

3.5 Kriterien und Grenzen des „gerechten Krieges“ im modernen Völkerrecht

Aus der katholischen Scholastik des Mittelalters ist in weitgehender Übereinstimmung zur späteren, protestantisch-lutherischen Perspektive die „Tradition des Gerechten Krieges“ (TGK; lat. bellum iustum) hervorgegangen, mit der die Übertragbarkeit dieser auf den Frieden hingeordneten Gewaltberechtigung auf Konflikte zwischen Völkern (ius genitum) theologisch reflektiert wurde. In den Ursprüngen wurde eine grundsätzliche Legitimation von Krieg unter sehr bestimmten Voraussetzungen mit dem Ziel postuliert, ethisch ungerechtfertigte Kriege als solche verurteilen zu können. Im Entstehungsverlauf der modernen Völkerrechtsverträge vor dem neuzeitlichen Hintergrund zunehmender Globalisierung und der Herausbildung von Nationalstaaten wurden diese Kriterien als ethische Leitlinien der Verteidigungs-Kriegsführung integriert, unter deren Berücksichtigung auf illegitime Gewalt reagiert werden sollte. Das Aufkommen von Massenvernichtungswaffen im Zuge der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts hat die TGK schließlich erneut in den Vordergrund politisch-ethischer Erwägungen treten lassen.74Vgl. Wannenwetsch, Just War, 255. Dementsprechend sind in der UN-Charta seit 1945 das Ziel des Weltfriedens (Kap. I Art. 1 Ziff. 1) und das selbstauferlegte Gewaltverbot der Mitgliedsstaaten nach außen (Kap. I Art. 1 Ziff. 1; Art. 2 Ziff. 3/4) festgeschrieben, womit die Souveränität und die territoriale Integrität der Staaten unterstrichen werden. Mit dem Recht auf Selbstverteidigung im Falle eines militärischen Angriffs und der Abwendung einer humanitären Katastrophe durch eine vom UN-Sicherheitsrat beschlossene, militärische Intervention sind in der UN-Charta nur zwei Ausnahmen vom allgemeinen Gewaltverbot formuliert (Kap. VII Art. 39; Art. 42).

Diese Verrechtlichung kriegerischer Auseinandersetzungen erweckt heute leicht den Eindruck, dass das angemessene Vorgehen im Einzelfall durch eine formale, unpersönliche Kriterienprüfung erreicht werden könne. Gegen diese Auffassung bringt die christliche Tradition korrigierend vor, dass das richtige Verhalten in einer bewaffneten Auseinandersetzung niemals ein bloßes formal-juristisches Abwägen sein dürfe, sondern ein moralisches Ringen um das Richtige sei.75Vgl. Wannenwetsch, Just War, 257.Blutvergießen und das Töten menschlichen, im Ebenbilde Gottes erschaffenen Lebens, sind in den Augen Gottes niemals gut, sondern stehen seinem Gebieten („Du sollst nicht töten“; Exodus 20,13) und Wollen („Denn ich habe keinen Gefallen am Tod des Sünders“; Hesekiel 33,11) entgegen. Vonseiten der EKD wurde deswegen eine alternative Formulierung zum Terminus des „gerechten Krieges“ vorgeschlagen, mit dem sich die Betonung verschiebt: Krieg zu führen sei niemals gerecht, weil jeder Krieg im Unrecht seinen Ursprung nehme, weiteres Unrecht verursache und in letzter Konsequenz auf die Abkehr des Menschen von Gott durch den Sündenfall zurückzuführen sei. Stattdessen könne die Ausübung „rechtserhaltender Gewalt“ allenfalls gerechtfertigtsein.76EKD, Denkschrift Frieden (2007), 68. Nicht gut im letztgültigen Sinne, aber nötig in der Wirklichkeit einer gefallenen Welt. Auch die heute noch gebräuchlichen Kriterien der TGK zur Aufnahme kriegerischer Handlungen (ius ad bello) und zur Reglementierung im bestehenden Konflikt (ius in bello) sollten demnach in diesem Sinne gelesen werden. Zu den grundlegenden Voraussetzungen der TGK gehörte epochenübergreifend, dass der Krieg als Mittel für jeden Einzelfall umfassend im Geiste christlicher Nächstenliebe geprüft werden muss, dass militärische Gewalt als ultima ratio begriffen und erst nach aufrichtiger Prüfung aller Alternativen angewandt werden darf, und dass eine ständige, moralische Wachsamkeit im Verlauf des Krieges zu gewährleisten ist.77Vgl. Wannenwetsch, Just War, 255. Die darauf aufbauenden, traditionellen Kriterien lauten: 1. Legitima potestas: Wird der Verteidigungskrieg von der rechtlich zuständigen Autorität erklärt? 2. Causa iusta: Ist die Aufnahme militärischer Verteidigung eine gerechte Reaktion auf geschehenes Unrecht? 3. Finis pax: Ist die Wiederherstellung des Friedens das Kriegsziel? 4. Recta intentio: Liegt dem Einsatz von Gewalt eine rechtschaffende Absicht/Motivation zugrunde? 5. Debitus modus proportio: Sind die eingesetzten Kriegsmittel verhältnismäßig und also die Schäden durch den Krieg nicht größer als das Übel, das beendet werden soll? 6. Discriminatio: Wird bei Kriegshandlungen eine Unterscheidung zwischen zivilen Personen und militärischen Akteuren getroffen?

4. Schlussfolgerung: Appell an die politischen Verantwortungsträger

4.1 Nächstenliebe in völkerrechtlicher Dimension

Nach dem Einfall eines nicht mehr verhandlungsbereiten Aggressors sind die äußeren Bedingungen für die bewaffnete Verteidigung als ultima ratio eingetreten. Die militärische Gegenwehr wird von der ukrainischen Regierung als der rechtlich zuständigen Autorität organisiert. Ob der Verteidigungskrieg der Ukraine als „gerechte Sache“ angesehen werden kann, ist abhängig von der historisch-narratologischen Einordnungsperspektive. Folgt man der insgesamt wesentlich plausibler erscheinenden, transatlantisch-ukrainischen Deutung der Ereignisse, stellt die bewaffnete Verteidigung eine gerechte Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Überfall vonseiten Russlands dar. Das friedliche Miteinander der Nationen – vor allem aber die Unversehrtheit der ukrainischen Bevölkerung – ist vonseiten der Ukraine als Kriegsziel formuliert worden, die rechtschaffene Motivation kann nur positiv und indikatorisch unterstellt werden. Die Verhältnismäßigkeit der Kriegsmittel ist von den politischen und militärischen Verantwortungsträgern unter außerordentlicher, moralischer Wachsamkeit sicherzustellen und kann aus theologischer Perspektive nicht qualifiziert beurteilt werden. Und schließlich ist auf ukrainischer Seite stärker als auf der russischen das Bemühen erkennbar, zivile Opfer zu vermeiden.

Zu hilfsbedürftigen Nächsten sind die leidverfolgten Ukrainer der deutschen Bevölkerung in dem Moment geworden, wo sie uns – das heißt die NATO, die EU und auch explizit das deutsche Volk – durch ihre Regierung und ihren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj um Unterstützung gebeten haben. Das christliche Gebot der Nächsten- und sogar Feindesliebe (Matthäus 22,39; 5,44) richtet sich zwar ursprünglich an die Kirche, soll aber darüber hinaus allen Menschen und auch der Obrigkeit als ethischer Kompass dienen. Es verpflichtet deutsche Verantwortungsträger in der passiven Konfliktbeteiligung nicht nur gegenüber der ukrainischen, sondern gerade auch gegenüber der russischen Bevölkerung, wodurch ihnen eine besondere, moralische Wachsamkeit auferlegt ist. Die Prüfung aller Kriterien aus der TGK spricht aus christlicher Perspektive insgesamt dafür, dass die deutsche Bundesregierung gemäß der göttlichen Daseinsbestimmung weltlicher Obrigkeiten, Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen, zur Unterstützung der Ukraine durch die Bereitstellung von Waffen berechtigt und aufgefordert ist. Diese Beurteilung setzt die größere Stimmigkeit des transatlantischen Narrativs und eine Zusicherung der Waffenempfänger zu verhältnismäßigem Einsatz voraus.

4.2 Gewaltlosigkeit bleibt die erstrebenswerteste Option

Der dauerhaft vorzutragenden Forderung nach höchster, moralischer Wachsamkeit bei jeglichem Waffengebrauch liegt die Hoffnung zugrunde, dass im Verlauf kriegerischer Auseinandersetzungen Situationen entstehen, in denen Friedensverhandlungen, ein Ende der Gewalt, langfristige Abrüstungsbemühungen und vielleicht sogar Vergebung möglich werden können. Um der eingesetzten Soldaten und zivilen Opfer willen dürfen diese Gelegenheiten zur Durchbrechung von Eskalationsdynamiken unter keinen Umständen versäumt werden. Besonders die christlichen Kirchen stehen hier in der Pflicht, politische Verantwortungsträger bei aller Notwendigkeit zu militärisch-strategischen Überlegungen an die Kultivierung einer auf den Frieden ausgerichteten Gesinnung zu erinnern. Das christliche Gebot der Nächstenliebe ist hierfür ein geeignetes Ideal, weil es das Wohl jedes Menschen sucht, während Solidarität parteiisch bleibt und Konfliktverhärtungen vorantreiben kann. Letztlich hat ausgerechnet Deutschland ein weltgeschichtliches Paradebeispiel zum Gelingen einer gewaltfreien Versöhnung entzweiter Systeme erlebt: Die Leipziger Montagsdemonstrationen und Friedensgebete haben den Weg für die „friedliche Revolution“, der Wiedervereinigung von Ost und West am Kulminationspunkt der innerdeutschen Grenze, geebnet. Auch wenn im aktuellen Anwendungsfall der Krieg bereits ausgebrochen ist, verdeutlicht dieses Beispiel, wie sehr Friedensaufrufe und Gebete eine Konfliktkultur beeinflussen können. Die Anwendbarkeit des im Berliner Appell formulierten Ideals „Frieden schaffen ohne Waffen“ soll im Konfliktverlauf dauerhaft als vorzugswürdigste Option erwogen werden – wenn auch nicht zu jedem Preis. Eindrucksvoll ist zudem, dass einzelne mennonitische Kirchengemeinden in der Ukraine zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Angesicht schrecklicher Kriegsverbrechen weiterhin zur Gewaltlosigkeit aufrufen, in ihrer gemäßigten Form des christlichen Pazifismus die ukrainische Armee aber durch sonstige Hilfestellungen unterstützen. Sie tun das, obwohl die Verweigerung des Kriegsdienstes anders als in Deutschland weder ohne weiteres möglich noch gesellschaftlich angesehen ist.78Vgl. Clasen, Ohne Waffen (Kurzartikel ohne Seitenzahlen).

4.3 Abschließender Appell an Entscheidungsträger im ethischen Konflikt

Der gesamte Verlauf der biblischen Heilsgeschichte und besonders das Vorbild Jesu Christi mahnt zu Abrüstung und Friedfertigkeit an, wo immer es möglich ist, und schreitet auf die Verwirklichung eines ewigen Friedensreiches zu. Dauerhaften Frieden auf dieser Welt zu erwarten ist allerdings das trügerische Versprechen politischer Ideologie. Es verkennt aus christlicher Perspektive die dem Bösen zugeneigte Konstitution des Menschen nach dem Sündenfall. Wo immer gesellschaftliche Systeme auf das Gute im Menschen gehofft haben, mussten sie es durch Zwang hervorbringen, haben so ihr eigenes Ideal zerstört und sind entweder in den Totalitarismus abgeglitten oder ihm zum Opfer gefallen. Dennoch ist Christen eine Zeit versprochen, in der „Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Sicheln“ gemacht werden (Jesaja 2,4), „Löwe und Lamm friedlich nebeneinander grasen“ (Jes 65,25) und in der Jesus Christus als Friedefürst der Welt sein ewiges Friedensreich aufrichten wird (Jesaja 9,5). Diese Perspektive kann und soll schon heute als ethischer Kompass das Handeln in der Gegenwart prägen, muss aber dort zu Spannungen führen, wo Amtspersonen unter der verantwortlichen Beachtung der oben genannten Kriterien zum Wohl der Schutzbedürftigen die Ausübung von Gewalt und den Verlust von Menschenleben in Kauf nehmen müssen. Weil jedes Töten dem Willen Gottes widerspricht und den Verantwortlichen mit einer Schuld belädt, die auf den Abfall der Menschen von Gott zurückgeht und nur im Sühnetod Jesu Christi Vergebung finden kann, sei abschließend auf Dietrich Bonhoeffer verwiesen: In den Schrecken der NS-Zeit war Bonhoeffer als friedfertiger Christ und gleichzeitig als Beteiligter am Attentatsversuch auf Adolf Hitler wie kaum ein anderer zur Symbolfigur des ethischen Konflikts geworden. Sollte er nur „die Opfer unter dem Rad verbinden“? Oder dem „Rad selbst in die Speichen […] fallen“?79Bonhoeffer, DBW 12 (Die Kirche vor der Judenfrage), 353f. Er formuliert: „Allein der Mann des freien Gewissens kann Verantwortung tragen. […] Vor den anderen Menschen rechtfertigt den Mann der freien Verantwortung die Not, vor sich selbst spricht ihn sein Gewissen frei, aber vor Gott hofft er allein auf Gnade.“80Bonhoeffer, DBW 6 (Ethik), 283.

Simon Steinmüller

Simon Steinmüller

Detlev Katzwinkel

Detlev Katzwinkel

Endnoten

  • 1
    Originaltitel: Plokhy, The Russo-Ukrainian War. The Return of History” (2023).
  • 2
    Vgl. Putin, Historical Unity, 1-2; 5.
  • 3
    Vgl. Putin, Historical Unity, 6.13.15.
  • 4
    Putin, Historical Unity, 8.
  • 5
    Vgl. Putin, Historical Unity, 8-10.
  • 6
    Putin, Historical Unity, 9.
  • 7
    Vgl. Plokhy, Angriff, 30-31.
  • 8
    Plokhy, Angriff, 43.
  • 9
    Vgl. Plokhy, Angriff, 35-39.
  • 10
    Plokhy, Angriff, 50.
  • 11
    Vgl. Plokhy, Angriff, 53.
  • 12
    Zitiert bei Schattenberg, Sowjetunion (Artikel online ohne Seitenzahlen).
  • 13
    Vgl. Putin, Historical Unity, 10.
  • 14
    Putin, Historical Unity, 11.
  • 15
    Vgl. Plokhy, Angriff, 99-102. Der Originaltext liegt in einer Dokumentationsreihe der United Nations zu internationalen Abkommen vor (vgl. UN, Memorandum on security assurances in connection with Ukraine’s accession to the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%203007/v3007.pdf, 05.12.1994, 167-183, abgerufen am 08.09.2024.
  • 16
    Vgl. Plokhy, Angriff, 45-46; zit. 56.
  • 17
    Vgl. Plokhy, Angriff, 70-73.84.124; zit. 66-67.
  • 18
    Vgl. Plokhy, Angriff, 86.
  • 19
    Plokhy, Angriff, 145.
  • 20
    Vgl. Plokhy, Angriff, 144-145.
  • 21
    Vgl. Lech Wałęsa, zit. bei Plokhy, Angriff, 113.
  • 22
    Vgl. Putin, Historical Unity, 13-14.
  • 23
    Putin, Historical Unity, 12.
  • 24
    Putin, Historical Unity, 13.
  • 25
    Vgl. Putin, Historical Unity, 14-16.
  • 26
    Vgl. NATO, Bucharest Summit Declaration, https://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_8443.htm, 03.04.2008, abgerufen am 05.09.2024.
  • 27
    So Putin wörtlich in seiner Brandrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007. Zitiert bei Büchenbacher, Putins Weg der Radikalisierung (ohne Seitenangaben).
  • 28
    Putin, Historical Unity, 12f.
  • 29
    Putin, Historical Unity, 13.
  • 30
    Vgl. Plokhy, Angriff, 128. Für eine einleitende Übersicht siehe Sarotte, Versprochen und gebrochen? (im Originalartikel ohne Seitenangaben).
  • 31
    Vgl. Plokhy, Angriff, 97.
  • 32
    Vgl. Plokhy, Angriff, 132-136; 141f.; 158f.
  • 33
    Vgl. Büchenbacher, Putins Weg der Radikalisierung.
  • 34
    Vgl. Büchenbacher, Putins Weg der Radikalisierung.
  • 35
    Vgl. Plokhy, Angriff, 152f.
  • 36
    Plokhy, Angriff, 160.
  • 37
    Plokhy, Angriff, 156.
  • 38
    Vgl. Plokhy, Angriff, 172-176.
  • 39
    Vgl. Plokhy, 177-178.
  • 40
    Vgl. Plokhy, Angriff, 180-182.
  • 41
    Vgl. Plokhy, Angriff, 186-188.
  • 42
    Vgl. Putin, Historical Unity, 13.
  • 43
    Vgl. Putin, Historical Unity, 15.
  • 44
    Vgl. Putin, Historical Unity, 14.
  • 45
    Vgl. Putin, Historical Unity, 12.17.
  • 46
    Vgl. Putin, Historical Unity, 11.14.
  • 47
    Putin, Historical Unity, 14.
  • 48
    Vgl. Putin, Historical, 13.
  • 49
    Vgl. Plokhy, Angriff, 192-194; 326f.; 336.
  • 50
    Vgl. Plokhy, Angriff, 204-206; zit. 216.
  • 51
    Vgl. Plokhy, Angriff, 223-227; 234; 242f.; 331; zit. 227.
  • 52
    Plokhy, Angriff, 240.
  • 53
    Vgl. Plokhy, Angriff, 314-317; 362.
  • 54
    Vgl. Plokhy, Angriff, 323; 328.
  • 55
    Vgl. Plokhy, Angriff, 338-339.
  • 56
    Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Gulag-Verbrechen setzte nach dem Zerfall der Sowjetunion ein. Einführende Empfehlungen, in denen auch die ethnische Zusammensetzung der Inhaftierten untersucht wird, sind „Gulag. Willkür und Massenverbrechen in der Sowjetunion 1917-1951“ von Bernd Bonwetsch in „Gulag. Band II“ für die Bundeszentrale für Politische Bildung sowie das umfangreiche Werk „Der Gulag“ von Anne Applebaum (OT: Gulag: A History; 2003).
  • 57
    Joseph Biden, zit. bei Plokhy, Angriff, 312.
  • 58
    Vgl. Putin, Rede vom 14.06.2024.
  • 59
    Plokhy, Angriff, 24.
  • 60
    Vgl. Bundesregierung, Krieg in der Ukraine, https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/krieg-in-der-ukraine/lieferungen-ukraine-2054514, 19.08.2024, abgerufen am 05.09.2024.
  • 61
    Vgl. EKD, Denkschrift Frieden, 100f.; 103. Unter anderem wird von einem „Teufelskreis wechselseitiger Bedrohungswahrnehmungen“ gesprochen (103).
  • 62
    Vgl. Interview von Benedikt Schulz mit Anna-Nicole Heinrich, „Waffenlieferungen an die Ukraine sind gerechtfertigt“, https://www.deutschlandfunk.de/anna-nicole-heinrich-praeses-evangelische-kirche-deutschland-100.html, 17.04.2022, abgerufen am 02.09.2024).
  • 63
    EKD-Stellungnahme „Annette Kurschus: Einsatz von Waffen nur für Ende der Gewalt“, 22.02.2023, https://www.ekd.de/annette-kurschus-einsatz-von-waffen-nur-fuer-ende-der-gewalt-77511.htm, 22.02.2023, abgerufen am 02.09.2024).
  • 64
  • 65
    Vgl. ÖRK, Statement on the War in Ukraine, https://www.oikoumene.org/resources/documents/wcc-central-committee-statement-on-the-war-in-ukraine, 18.06.2022, abgerufen am 02.09.2024).
  • 66
    Vgl. VEF, Der Tyrannei Hoffnung und Taten entgegensetzen, https://www.vef.de/erklarungen/der-tyrannei-hoffnung-und-taten-entgegensetzen, 12.04.2022, abgerufen am 07.09.2024).
  • 67
    Vgl. EAD, EAD-Stellungnahme zur Situation in der Ukraine, https://www.ead.de/2022/maerz/04032022-ead-stellungnahme-zur-situation-in-der-ukraine/, 04.03.2022, abgerufen am 07.09.2024).
  • 68
    Frankl, Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, 233-280.
  • 69
    Bonhoeffer, DBW 12 (Christologievorlesung), 283.
  • 70
    Vgl. DeJonge, Luther, 77-142. Zur Interpretation der Verhältnisbestimmung zwischen Luther und Bonhoeffer im Blick auf ihre politisch-ethischen Entwürfe befindet sich eine Monografie des Autors im Veröffentlichungsprozess: Steinmüller, Zwei Naturen und Zwei Regimenter (s. Bibliografie).
  • 71
    Vgl. Luther, WA 11 (Von weltlicher Obrigkeit), 249f.263; Bonhoeffer, DBW 6 (Ethik), 43f., 49ff.
  • 72
    Eindrücklich ist, dass dieser mitunter bis zum Letzten aufopferungsvolle Pazifismus auch unter ukrainischen Gemeinden im Angesicht der russischen Invasion praktiziert wird, wie vom katholischen „Domradio“ berichtet wird. Vgl. Clasen, Ohne Waffen (Kurzartikel ohne Seitenangaben).
  • 73
    Luther, WA 11 (Von weltlicher Obrigkeit), 260 (zit. DDStA III, 251).
  • 74
    Vgl. Wannenwetsch, Just War, 255.
  • 75
    Vgl. Wannenwetsch, Just War, 257.
  • 76
    EKD, Denkschrift Frieden (2007), 68.
  • 77
    Vgl. Wannenwetsch, Just War, 255.
  • 78
    Vgl. Clasen, Ohne Waffen (Kurzartikel ohne Seitenzahlen).
  • 79
    Bonhoeffer, DBW 12 (Die Kirche vor der Judenfrage), 353f.
  • 80
    Bonhoeffer, DBW 6 (Ethik), 283.

Bibliografie

Bonhoeffer, Dietrich, Dietrich Bonhoeffer Werke, Eberhard Bethge / Ernst Feil u.a. (Hg.), 17 Bde., München 1986-1992, Gütersloh 1994-1999.

Büchenbacher, Katrin, Jochem, Cian, Putins Weg der Radikalisierung, https://www.nzz.ch/international/putins-radikalisierung-seine-wichtigsten-reden-in-der-analyse-ld.1689895, Neue Zürcher Zeitung am 26.07.2022, abgerufen am 05.09.2024.

Clasen, Bernhard, Ohne Waffen für die Ukraine. Wie die Mennoniten Widerstand und Pazifismus vereinen, https://www.domradio.de/artikel/wie-die-mennoniten-widerstand-und-pazifismus-vereinen, 11.08.2024, abgerufen am 29.10.2024.

DeJonge, Michael P., Bonhoeffers Reception of Luther, Oxford 2017.

Evangelische Kirche Deutschlands, Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2007.

Frankl, Victor E., Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk, München 1979.

Luther, Martin, D. Martin Luthers Werke: Kritische Gesamtausgabe (WA), Weimar 1883.

Luther, Martin, Martin Luther. Deutsch-deutsche Studienausgabe (DDStA), Schilling, Johannes et al. (Hg.), 3 Bde, Leipzig 2012-2016.

Plokhy, Serhii, Der Angriff: Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen für die Welt, Hamburg 2023.

Putin, Wladimir, On the Historical Unity of Russians and Ukrainians, http://en.kremlin.ru/events/president/news/66181, 12. Juli 2021 (English Version), abgerufen am 05.09.2024.

Putin, Wladimir, Rede des Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin bei dem Treffen mit den Führungskräften des Außenministeriums Russlands, Moskau, 14. Juni 2024, https://mid.ru/de/foreign_policy/news/1957107/, abgerufen am 24.10.2024.

Sarotte, Mary Elise, Versprochen und gebrochen?, in: Die ZEIT, Nr. 41/2014, https://www.zeit.de/2014/41/nato-russland-usa-deutsche-wiedervereinigung/komplettansicht, 01.10.2014, abgerufen am 08.09.2024.

Schattenberg, Susanne, Das Ende der Sowjetunion in der Historiographie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/59630/das-ende-der-sowjetunion-in-der-historiographie/, 30.11.2011, abgerufen am 05.09.2024.

Steinmüller, Simon, Zwei Naturen und zwei Regimenter. Die Bedeutung christologischer Denkfiguren für die Ethik Dietrich Bonhoeffers im Rahmen seiner Prägung durch Martin Luther, Gießen/Münster 2025 (zurzeit in Veröffentlichung).

Wannenwetsch, Bernd, Just War, in: McFarland, Ian u.a. (Hg.), The Cambridge Dictionary of Christian Theology, Cambridge 2011, 255-257.