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Internetpornografie

Eine kritische Auseinandersetzung mit einem kontrovers diskutierten Thema

1. Beschreibung der Internetpornografie

a. Definitionen

Was ist Pornografie nach heutigem Sprachgebrauch?
Das aus dem Altgriechischen abgeleitete Kunstwort „Pornografie“ bedeutet wörtlich: „unzüchtige Darstellung“.

  • πόρνη = Dirne, Hure
  • πόρνος = Hurer, auch Unzüchtiger
  • πορνεία = Unzucht, Hurerei (im NT auch Götzendienst)
  • γραφειν = malen, schreiben, beschreiben

Nach heutigem Sprachgebrauch ist Pornografie „die direkte Darstellung der menschlichen Sexualität oder des Sexualaktes mit dem Ziel, den Betrachter sexuell zu erregen“. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde unter dem Begriff ‚Pornografie‘ lediglich das „Reden über Prostituierte oder Prostitution“ verstanden. Erst seit 1864 beschreibt der Begriff die explizite Darstellung der menschlichen Sexualität. Dabei bleibt festzuhalten, dass z.B. Inhalte von Magazinen wie Playboy von den meisten Menschen heute nicht mehr als ‚Pornografie‘ bezeichnet werden. So zeigt sich schon in der Entwicklung des Begriffs, dass Pornografie immer expliziter und härter geworden ist.

Pornografie lässt sich in 3 verschiedene Kategorien einteilen1Die meisten Forscher gliedern nur in zwei Kategorien: weiche (unter die auch Nacktdarstellungen fallen) und harte Pornografie.:

  1. In weiche Pornografie (dazu zählen: Nacktdarstellungen z.B. in Zeitschriften)
  2. In ‚normale‘ Pornografie (dazu zählen: Darstellung gewaltfreier sexueller Handlungen mit einer oder mehreren Personen)
  3. In harte Pornografie (dazu zählt: Gewalt-, Kinder-, Jugend- und Tierpornografie/Sodomie)

Vor allem die Verbreitung von harter Pornografie wird durch das Internet vorangetrieben. Nach §184a und §184b StGB ist die Herstellung, der Besitz und die Verbreitung von harter Pornografie unter Strafe gestellt. Legal wurden pornografische Darstellungen in Deutschland erst nach dem zweiten Weltkrieg, gänzlich erst 1975.

Was ist Internetpornografie?

„Internetpornografie ist Pornografie, die sich auf verschiedene Sektoren des Internets verteilt: Verbreitet wird sie hauptsächlich durch das World Wide Web in Form von Websites, Peer-to- Peer File Sharing oder Usenet Newsgroups.“2http://en.wikipedia.org/wiki/Cheggit#Peer-to-peer am 3. Januar 2010.

b. Geschichte

Pornografie wurde bereits von Anfang an, seit 1980, über das Internet verbreitet, wobei es erst ab 1991, durch die Erfindung des World Wide Web und der damit verbunden Öffnung des Internets für die breite Öffentlichkeit, zu einem regelrechten Pornografie-Boom kam, der bis in die heutige Zeit anhält. Das World Wide Web wird dabei häufig im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Internet gleichgesetzt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das World Wide Web jünger ist und lediglich eine mögliche Nutzungsform des Internets darstellt. Erst ab 1992 boten sich für die Öffentlichkeit die Möglichkeiten, über einen Internetbrowser auch Grafiken aufzurufen. Internetpornografie ist also ein recht neues Phänomen. Dabei ist das Internet, ähnlich wie in der Entwicklungsgeschichte von VHS und DVDs, zu einem populären Träger und Verteiler von Pornografie geworden.

Der Hauptgrund für die Popularität der Internetpornografie liegt dabei wohl in der Tatsache begründet, dass der (meist) freie Zugang zu (harter) Pornografie jedem Menschen (meist) schon von zu Hause aus möglich ist, sofern er Zugang zum Internet hat. Dabei spielt der Aspekt der Anonymität beim Zugriff auf Pornografie eine wesentliche Rolle. Bequem kann heutzutage vom privaten Bereich aus auf Pornografie im Internet zugegriffen werden, oft unabhängig von juristischen Einschränkungen (z.B. einer Altersbegrenzung), sozialen und gesellschaftlichen Gründen (z.B. Ächtung von Pornografie innerhalb einer bestimmten sozialen Schicht) oder religiös-moralischen Ansichten.

Die Geschichte der Internetpornografie begann vor allem in den frühen 90ern, als Internet- User Bilder aus den entsprechenden Magazinen einscannten und in Newsgroups3Newsgroups/Communities können sich von anderen Themenbereichen im Netz durch Eintreten in die jeweilige Gruppe abgrenzen. des Internets stellten. Die Verbreitung war kostenlos und anonym. Dabei machte es gerade die Anonymität einfach, Copyright-Rechte der Hochglanzmagazine zu verletzen. In folgender Zeit verbreitete sich Pornografie vor allem über Bulletin Board Systems (so genannte BBS). Im Gegensatz zu den Newsgroups erforderte ein Zugriff auf pornografische Inhalte innerhalb eines BBS ein Kennwort. Interessenten mussten erst eine gewisse Summe Geld an die Betreiber überweisen, um in das BBS zu gelangen. Dies führte zu ersten kommerziellen „Online-Pornografie“, wobei hier noch nicht direkt von Internetpornografie im heutigen Sinne gesprochen werden kann.

Erst das World Wide Web trieb die kommerzielle und nicht-kommerzielle Verbreitung von Pornografie im Internet durch Photos, Video-Clips, Streaming und (Live-)Webcams voran. Das Internet hat sich von den frühen 90ern bis in die heutige Zeit zum Hauptträger für die Verbreitung von Pornografie entwickelt, dabei ist der Marktanteil und somit auch das volle Potential, das das Internet der kommerziellen Vermarktung von Pornografie bietet, längst noch nicht ausgeschöpft. Das Internet ist wirtschaftlich gesehen der Wachstumspartner Nummer 1 für die Pornografiebranche. Nach Schirrmacher war das Internet im Jahre 2006 erst mit 5% an dem weltweit jährlichen Umsatz von knapp 57-97 Milliarden $ beteiligt.4Schirrmacher 57 Milliarden, nach Ropelato 97 Milliarden. Das wiederum bedeutet, dass der eigentliche Pornografie-Boom über das Internet wohl noch vor uns liegen könnte.

c. Zahlen und Schätzungen

Konkrete Daten über Internetpornografie sind schwer zu ermitteln (u.a. weil sie nicht publiziert werden), so dass meist nur Schätzungen vorliegen. Charakteristikum des Internets ist die Unüberschaubarkeit der vorhandenen Angebote.5Vgl. mit Soziologie des Internet (1997). In Deutschland ist das Internet mit etwa 45 Millionen Usern wöchentlich der größte Onlinemarkt Europas.6Vgl. mit Hajok, „Pornografie und Darstellung von Sexualität im Internet“, 2009, S. 76. Insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es heute fest in den Alltag integriert. Dabei ist zu beachten, dass das Internet ein internationales Netzwerk ist, für das es keine international- verbindlichen Gesetze gibt. Jedes Land verfährt anders mit Pornografie im Internet. Diese Lücken wissen vor allem Produzenten von harter Pornografie, z.B. Kinderpornografie, zu nutzen.

Die Pornografie-Industrie als Ganzes erwirtschaftete im Jahre 2006 mehr Geld als die Firmen Microsoft, Google, Amazon, eBay, Yahoo!, Apple, Netfix und EarthLink zusammen. Der legale Verdienst durch Internetpornografie liegt zwischen 3-5 Milliarden $.7Er dürfte heute schon wesentlich höher sein. Dazu gibt es jedoch keine verlässlichen Angaben. Allein in den USA wird alle 39 Minuten ein neues Pornovideo produziert, welches den Weg ins Netz findet. Bereits 1996 überstieg der Umsatz von Hardcorevideos den Umsatz aller Hollywoodfilme. Glaubt man den TopTenREVIEWS-„Internet Pornography Statistics“ von 2006, so besitzen 420 Millionen Einzel-Websites8Zahlen von 2006! Renner schätze 2004 auf 260 Millionen Einzelseiten. pornografische Inhalte, dass sind etwa 12% aller Seiten im Internet. Dabei gehören diese Seiten weltweit nur rund 50 verschiedenen Firmen. 89% aller Seiten werden dabei in den USA gehostet, nur 4% der Einzel-Websites in Deutschland.9Nach Netzwelt.de und Ropelato. Und der Trend geht steil nach oben: Etwa 266 neue Seiten stoßen täglich dazu. Da verwundert es kaum, dass etwa 25% aller Suchanfragen im Netz10Nach Schirrmacher, die Zahl deckt sich mit den Angaben von Netzwelt.de. ebenfalls pornografischer Natur sind. Mehr als 585 Millionen Treffer erzielt Google.de mit dem Begriff "Sex", immerhin knapp 150 Millionen mit dem Begriff "Porno".

Etwa 25%11Nach Netzwelt.de 35%, also 10% mehr. des gesamten Datenverkehrs im Internet ist durch pornografischen Inhalt bestimmt, dabei werden 70% der pornografischen Inhalte an Werktagen zwischen 9 und 17 Uhr aufgerufen. Innerhalb von einer Sekunde schauen sich weltweit durchschnittlich 28.258 Internet-User pornografische Videos im Internet an. 35% aller Nutzer werden ungewollt mit pornografischen Material konfrontiert. NielsenOnline.com stellte im Jahr 2008 fest, dass in etwa 1⁄4 aller Arbeitnehmer schon während der Arbeitszeit nach Pornografie im Internet gesucht hat. Internetpornografie ist auch keine reine Männerdomäne mehr. 72% pornografischer Websites werden von Männern besucht, 28% von Frauen. Nach Zählungen in den USA schauen rund 40% aller Frauen einmal im Monat im Internet nach Pornografie. Rund 1⁄4 aller Internetsexsüchtigen sollen Frauen sein.

In Saudi Arabien, Iran, Syrien, Bahrain, Ägypten, Kuwait, Malaysia, Indonesien, Singapur, Kenia, Indien, Kuba und China wird Internetpornografie von staatlicher Seite aus gesperrt. Portale wie pornhub.com, youporn.com, redtube.com, pornotube.com oder maxporn.com zählen nach dem Internet-Statistik-Dienst alexa.com zu den 50 weltweit am meisten besuchten Websites. Auf Youporn.com können Privatpersonen ihre selbstgedrehten Pornovideos hochladen. Hauptsächlich professionell produzierte Pornos, als Trailer und auch in voller Länge, können kostenlos angeschaut werden. Die Seite ist seit 2007 im Netz und hat jetzt schon einen Marktanteil von ca. 1,6%. Mit einem Klick gelangen auch Minderjährige auf diese Seite. Die Betreiber der Seite sind unbekannt, aber zweifellos ist Youporn.com ein Teil der Pornoindustrie. Das Wenigste auf der Seite ist „homemade“ (von Amateuren hergestellt). Man findet vor allem Werbetrailer und Raubkopien. Mit einem einzigen Werbebanner auf dieser Seite können die Betreiber in einer Woche bis zu 30.000 $ verdienen. Youporn ist ein Marketinginstrument der Pornoindustrie geworden. Außerdem bietet Youporn einen Premium-Service an, ein Video-on-Demand-Portal, auf dem gegen Kreditkartennummer legal professionelle Pornos in voller Länge heruntergeladen werden können. Es scheint, als hätte das freie Portal herausgefunden, wie die unglaublichen Besucherzahlen in Geld umzuwandeln sind. Es ist die alte Regel: Wer seine Ware gratis anpreist, verkauft letztlich am meisten.

d. Das Problem der Kinderpornografie

Gerade die Verbreitung von so genannter harter Pornografie, unter die auch die Kinderpornografie fällt, wird durch die Anonymität des Internets begünstigt. So stellte das United States Department of Justice fest, dass das Internet die Produktionsweise und Verbreitungsmöglichkeit von Kinderpornografie radikal verändert hat. Verfügbarkeit, Zugriffsmöglichkeit und die Masse an Kinderpornografie wurden durch das Internet enorm vorangetrieben. Etwa 200 neue Bilder mit kinderpornografischem Inhalt werden täglich gepostet und ca. 100.000 Einzel-Websites, die kinderpornografisches Material enthalten, existieren derzeit. Täglich gibt es ca. 120.000 Suchanfragen nach Kinderpornografie. 91% der misshandelten Kinder sind dabei unter 12 Jahre alt, davon 80% weiblich und 20% männlich. Die meiste Verbreitung von Kinderpornografie findet in versteckten Ebenen des Internets statt, z.B. in verschlossenen Usenet Newsgroups. Organisierter und einfacher als jemals zuvor werden dabei auch gezielt Ländergrenzen überschritten. Die strafrechtliche Verfolgung ist schwierig, da für die Verbreitung von Kinderpornografie meist verschiedene internationale Server genutzt oder Bilder fragmentarisch versand werden.

Kinderpornografie ist in Deutschland, nach §184b StGB, verboten und schon allein das Suchen und der Besitz von ihr kann mit einer Freiheits- oder Geldstrafe belegt werden. Jedoch schreckt allein das Wissen um die Möglichkeit des „Ertappt-Werdens“ viele potentielle Täter nicht ab (auch nicht solche, die lediglich danach suchen). Aus diesem Grund fördert das Internet in einem gewissen Sinne den Kindesmissbrauch zur Herstellung von Kinderpornografie und hält durch Angebot und Nachfrage diesen illegalen Markt weiterhin aufrecht. Kinderpornografie ist ein Milliarden-Geschäft geworden, mit dem jährlich etwa 3 Milliarden US Dollar illegal verdient werden. Den Triebtätern stehen die so genannten Händler gegenüber, welche den sexuellen Missbrauch von Kindern gezielt inszenieren, um Geld damit zu verdienen.

e. Minderjährige und Internetpornografie

Jugendliche, die das Internet nicht nur schätzen, sondern im Alltag auch weitgehend unkontrolliert nutzen, haben so leicht wie nie zuvor Zugang zu Pornografie. Vor allem der fiktionale Charakter von Internetpornografie ist für Minderjährige schwer von der Realität zu unterscheiden. Gerade die Internetpornografie beschränkt sich meist auf explizite sexuelle Darstellungen ohne Rahmenhandlungen. Sex wird aus dem natürlichen Leben ausgeklammert. Wie bereits festgestellt ist das Internet, verglichen mit anderen Medien, ein weitgehend ungeregelter Raum, der auch aus anderen Medien längst verbannte Angebote enthält. Hinzu kommt das stark defizitäre elterliche Schutzhandeln gegenüber den eigenen Kindern. Viele Eltern in Deutschland kennen die Dauer und Nutzungsart des Mediums Internet ihrer Kinder kaum. Interneterfahrene 12-Jährige gelangen problemlos an sexuelle Darstellungen im Netz, ob gewollt oder ungewollt. Dabei ist zu beachten, dass nach §184 StGB die Verbreitung von Pornografie an Personen unter 18 Jahren untersagt ist. Generell dürfen in Deutschland pornografische Werke nicht an Minderjährige weitergegeben, angeboten oder zugänglich gemacht werden. Dennoch gibt es frei zugängliche Pornografieangebote ohne Altersverifizierung im Netz. Rechtlich gesehen ist dies in Deutschland eigentlich nicht verfassungsgemäß. Außerdem ist das Angebot pornografischer Inhalte an Minderjährige strafbar und wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe geahndet.

Nach deutschen Studien hatten bereits mehr als die Hälfte der 11-18-Jährigen Erfahrungen mit verschiedenen Darstellungen von Sexualität im Internet. Darunter fallen auch Darstellungen von strafrechtlich relevantem Ausmaß wie Sodomie, Nekrophilie oder sexueller Missbrauch.

Der Schutz der Kinder durch Filtersoftware ist schwierig, da diese meist nicht alles filtern können, was sexuelle Inhalte besitzt. Eine schnelle Lösung dieses Problems ist nicht in Sicht.

f. Die Internetpornografie-Debatte

These12Vgl. mit Schetsche in Soziologie des Internet (1997), S. 247-251.: Aufgrund seiner ihm eigenen strukturellen Charakteristika verändert das Internet die Pornografie und ihre Konsumenten.

Durch Verfügbarkeit zu jeder Zeit, kostengünstiges oder kostenloses Angebot, große Vielfalt an sexuellen Praktiken, ständig neues Material, interaktive Handlungsmöglichkeiten und die Anonymität bei der Beschaffung ist Pornografie im Internet anders einzustufen als andere pornografische Angebote. Multimedia- und Internettechnologien bauen weitere Schwellen ab: finanzielle, gesellschaftliche und moralische. Heute verfügt fast jeder in Deutschland über ein Mobiltelefon mit Kamera und einen Computer. Theoretisch ist also jeder in der Lage, selber einen Porno zu drehen oder entsprechende Fotos zu machen. Während Pornografie früher in Spezialgeschäften oder Videotheken gekauft oder ausgeliehen werden musste, hat heute jeder von zu Hause aus Zugang zu allen erdenklichen pornografischen Spielarten, auch zu illegalen. Die Grenzen zwischen Konsumenten und Produzenten verschwimmen, wer User ist, kann auch Anbieter sein.

Außerdem fördert das Internet die Ausbildung neuer sexueller Mikrokulturen. Es ermöglicht die Organisation auch ausgefallener Geschmäcker und damit sogar die Ausbildung neuer sexueller Kleinstkulturen. Dabei gibt die vergleichsweise große Anonymität viel Raum zum Experimentieren. Internetpornografie fördert den Wunsch nach ständig wechselnden Partnern, die man sich nach den eigenen Kriterien in Sexsuchmaschinen aussucht. Mit wenigen Klicks kann nach „Gay Sex“, „Groupsex“, „Blonde“, „Teen“, etc. gesucht werden. Pornografie im Internet zeigt zudem wesentlich deviantere Sexualitätsformen als Pornografie in andere Medien. Die leichte Verfügbarkeit und die Anonymität führen zudem zu einer höheren Suchtgefahr. Betroffene surfen oft mehrere Stunden täglichen in der Unüberschaubarkeit des Netzes und vereinsamen dadurch. Nach Grundner13The Skinner Box Effect (2000). wirkt das Internet dabei durch „operantes Konditionieren“. Es führt zu einem endlosen Sog auf der Suche nach der erhofften Befriedigung. Außerdem verbreitet das Internet Pornografie auch in nicht-westlichen Kulturen, die ihr eigentlich kritisch gegenüber stehen, und fördert dadurch eine moralisch fragwürdige Einheitskultur.

Gegenthese: Pornografie im Internet unterscheidet sich nicht von Pornografie in anderen Medien.

Das Internet stellt lediglich eine mögliche Form der Beschaffung von pornografischem Material dar. Man findet keine Darstellungen im Internet, die man nicht auch auf anderem Wege erhalten könnte. Auch im Internet dominiert die so genannte weiche Pornografie, harte Pornografie ist nicht leicht zu finden und auch nicht weit verbreitet. Lediglich die Art der Distribution wird durch das Netz verändert, nicht aber das Material selbst oder seine Produktionsweise. Das schon vorhandene wird nur noch einmal „neu“ verteilt und in die Netzzirkulation eingebracht. Wer Pornos sucht, der findet sie auch außerhalb des Internets - dies gilt für Erwachsene ebenso wie für Minderjährige. Auch bezüglich des Geschlechterverhältnisses gilt im Internet: Material von Männern für Männer.

Ein Teil dieser These trifft sicherlich zu (z.B. findet man gleiche Inhalte in einer Videothek). Dennoch hat das Internet, wie bereits gezeigt, die Produktion von harter Pornografie begünstigt. Gerade dort kann sie sich gut verbreiten. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Pornografie im Internet jegliche Rahmenhandlung ausklammert und lediglich „Sex“ in allen möglichen Weisen zeigt. Tatsache ist auch, dass der Zugriff auf Pornografie für Minderjährige über das Internet sehr einfach ist. Die höhere Suchtgefahr, begünstigt durch Anonymität, Verfügbarkeit und kostenlose Angebote, ist nicht von der Hand zu weisen. In diesem Sinne unterscheidet sich die Pornografie im Internet von anderen Medien. Bezüglich des Geschlechterverhältnisses ist der Gegenthese sicherlich zuzustimmen.

2. Biblisch-theologische und psychologische Beurteilung der Internetpornografie

a. Biblisch-theologische Beurteilung

These14Siehe Martin Pöhler, S. 22-25.: Herstellung und Konsum von Pornografie ist πορνεία.

Zunächst muss festgestellt werden, dass der Begriff „Pornografie“, wie er heute verwendet wird, in der Bibel nicht vorkommt. Dies mag wohl daran liegen, dass es in der antiken Zeit keine derart öffentliche Verbreitung von grafischer Darstellung der Sexualität gab, wie sie heute vorkommt. Jedoch kommt das Lexem, wie bereits bei der Untersuchung des Begriffs „Pornografie“ deutlich geworden ist, aus dem Altgriechischen. Wörter wie πορνεία, πόρνος und πόρνη finden wir auch im Neuen Testament. Vor allem der Begriff πορνεία, die „Unzucht“, wird in diesem Zusammenhang immer wieder verwendet.
Der Begriff beschreibt zunächst „außerehelichen Geschlechtsverkehr auf profane oder kultische Weise“.15Hauck/Schulz, „pornae, pornos, porneia, porneuo, ekporneuo“, ThWNT, S. 581. Dies gilt auch für das außerbiblische Gebiet. Die Entwicklung im Spätjudentum lässt erkennen, wie sich der Sprachgebrauch von πορνεία erweitert hat. Das Bedeutungsspektrum von „Hurerei und außerehelichem Geschlechtsverkehr“ weitet sich auf „geschlechtliche Vergehen jeglicher Art“ wie auch auf „widernatürliche Sexualpraktiken“ aus.16Ebd., S. 587. πορνεία beschreibt dabei im Gegensatz zum Ehebruch, der eine bestehende Ehe voraussetzt, sexuelle Vergehen außerhalb solcher rechtlichen Beziehungen.

Das Neue Testament ist gekennzeichnet durch die konsequente Ablehnung jedes außerehelichen oder widernatürlichen Geschlechtsverkehrs. Denn nicht nur die leiblich vollzogene Tat gilt als Sünde, sondern gerade „die im Herzen wohnende“, von hier aufsteigenden Gedanken geschlechtlicher Unzucht verunreinigen den Menschen (Mt 15,18f). Jesus verweist darauf, dass schon das Begehren einer anderen Frau als der eigenen vor Gott einem Ehebruch gleichkommt (Mt 5,27f). Das hebräische Gegenwort zu πορνεία im Alten Testament ist זְנוּנִים. Das Wort beschreibt im übertragenen Sinne auch die untreue Israels gegenüber Gott als „Unzucht“.

Ein anderer Hinweis im Alten Testament ist das Verbot des Aufdeckens der „Blöße" (עְרוָה). Der Begriff kann sich „auf den reinen Anblick der Schamteile beziehen“.17Hos 2,11f; Hab 2,15. Darüber hinaus verbietet das AT Ehebruch, Inzest und andere sexuelle Verirrungen.18Ex 20,14; Lev 18,6-23; Deut 22,13-29,1; 27,20-23.

Sexualität ist nach dem biblischen Befund für zwei rechtlich und emotional miteinander verbundene Menschen gedacht, einen Mann und eine Frau. Den rechtlichen Rahmen dafür bietet die Ehe. Dabei ist zu beachten, dass unter Sexualität mehr als nur der bloße Geschlechtsakt zu verstehen ist, wie er z.B. in der Pornografie dargestellt wird. Der Geschlechtsakt ist Symbol für die zuvor miteinander geschlossene innigste Gemeinschaft zweier Menschen. Außerehelicher Geschlechtsverkehr wird in der Bibel dagegen immer negativ dargestellt (z.B. 2Sam 11), im Gegensatz zur Sexualität an sich (vgl. das Hld; Pred 9,9; Spr 5; 1Kor 7,3). Erotik ist gottgewollt und darf Vergnügen bereiten. Sie ist in den biblischen Texten nirgendwo etwas Negatives, wichtig ist jedoch der richtige Rahmen und Umgang mit ihr.

Demnach ist πορνεία eine Form sexueller Betätigung, die sich außerhalb einer monogamen Ehe bewegt. Außerdem gehört der Sexualverkehr nicht in das Blickfeld Dritter, sondern bleibt im Intimbereich des Paares.

Hinzu kommt, dass die gottgegebene Würde der Frau in pornografischen Filmen und Bildern oft mit Füßen getreten wird. Frauen dienen lediglich der Lustbefriedigung des Mannes. Somit kann schon bei der Herstellung von Pornografie von πορνεία gesprochen werden.

Wenn πορνεία die Praxis illegitimen Sexualverkehrs ist, so ist Pornografie die grafische Darstellung dieser Praxis. Somit ist schon der gedankliche Konsum (durch das Begehren) von Pornografie als πορνεία einzuordnen. Paulus rät deshalb, der πορνεία zu fliehen (1Kor 6,18).

b. Psychologische Beurteilung

These19Siehe hierzu Schirrmacher (2008), sowie die Diplomarbeit von Bleil, Kristina, Generation Porno – Eine Studie über den Umgang von Jugendlichen mit pornografischen Inhalten im Internet, Universität Wien: Wien, 2009, S. 27f.: In der säkularen Psychologie wird (Internet-)Pornografie mehrheitlich als schädlich eingestuft.

Positiv bewertet die Psychologie das Einsetzen von Pornografie zum Therapieren von sexuellen Störungen. Sexuelles Fehlverhalten könne durch Pornografie umkonditioniert werden, wie z.B. die Überwindung sexueller Hemmungen, sexbezogener Schuldgefühle oder mangelndes Lustempfinden. Des Weiteren fördere Pornografiekonsum den eigenen sexuellen Horizont.

Dennoch steigt die Zahl der Männer, die therapeutische Hilfestellung aufgrund von Internetpornografie-Sucht suchen. Ergebnisse psychologischer Studien zeigen, dass das Betrachten pornografischen Materials bis zu 50% höhere sexuelle Erregung bringt, als die bloße Phantasie. Bei Männern führt die Erregung meist zu weiteren sexuellen Handlung, wie z.B. der Masturbation. Dies wiederum führt erneut zu einem vermehrten Konsum. Durch den häufigeren Konsum von Pornographie über einen längeren Zeitraum werden abnormale Sexualpraktiken sowie Promiskuität als normal eingestuft.20Siehe hierzu D. Zillmanns Ergebnisse (2004).

Außerdem werden wichtige Bereiche der Sexualität ausgeblendet. Zärtlichkeit und Bindung kommt in der Pornografie im Internet so gut wie gar nicht vor. Genauso wenig Rücksicht, Verletzlichkeit, Unsicherheit oder emotionale Intimität. Psychologen stellen fest: Der Konsum von Pornografie kann zu einem Mangeln an echter Intimität führen. Menschen, die echte Intimität auf diesem Weg sexueller Erfahrungen suchen, finden nur sexuelle Erlebnisse, nicht aber die emotionale Berührung, die sie eigentlich suchen.21Vgl. mit Berger, Jörg, Faszination Ich: Grenzen der Selbstverwirklichung, S. 47. Pornografie wird dadurch zu einer Ersatzbefriedigung. Doch Ersatzbefriedigungen sind flüchtig, langfristig verstärken sie den emotionalen Hunger. Aus diesem Grund werden viele Männer von der Pornografie abhängig. Zudem lenkt die Pornografie von der eigentlichen Aufgabe ab: zu echter Intimität fähig zu werden.

Übermäßiger Pornografiekonsum führt zu Minderwertigkeitskomplexen und Leistungsdruck, sowie Enttäuschung über die Realität. Dauerpotenz und Penisgröße des Mannes, Aussehen und Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr der Frau werden unwirklich22Nymphomanie-Mythos: Frauen sind unersättliche Wesen, indifferent bei der Partnerwahl, die sogar Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen (Vergewaltigungsmythos), wenn nicht brutale Gewaltanwendung tolerieren und am Schluss genießen. Frauen sind reines Sexual-Objekt, dem man keine emotionale Zuwendung oder auch nur respektvolle Verhaltensweise entgegenbringen muss, wenn nicht gar Verachtung oder offenen Hass (Misogynie). dargestellt. Dies kann zur Erotophobie bzw. Frigidität führen.

Entgegen der Katharsis-Theorie23Von κάθαρσις, „Reinigung“. Dahinter steht die Überlegung, dass Aggression, Verlangen etc. abgebaut werden müssen. Die Theorie nimmt an, dass durch das alleinige Betrachten von Gewalt beispielweise die eigene Gewaltneigung sinkt. Dies wird auf den Pornografiekonsum übertragen. weckt Pornografie Wünsche, die dort gezeigten Handlungen selbst auszuführen. Sie erhöht die Erwartungen an sexuelle Beziehungen und verstärkt das Verlangen nach weiterer Pornografie (bis hin zur Sucht). Die Studie von Christine Altstötter-Gleich hat gezeigt, das Minderjährige, die auf pornografisches Material treffen, meist Wut und Hass empfinden, wobei Erregung und negative Gefühle hier oft eng beieinander liegen. Im Gegensatz zur Katharsis-Theorie wird bei Jugendlichen eher ein negatives Gefühl erzeugt. Martin Dannecker, 30 Jahre lang Sexualforscher an der Universität Frankfurt am Main, stellt fest: Pornografie im Internet generiert sexuelle Wünsche, die in die Realität umgesetzt werden wollen.

Pornografiekonsum als krankhafte Sucht bedingt weitere Probleme in Beziehungen, Beruf, Sozialleben und führt zur Entwicklung abnormaler Sexualinteressen oder sogar zum Konsum von devianterer, illegaler Pornografie.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Internet durch seine leichte Zugänglichkeit, finanzielle Erschwinglichkeit und Anonymität die Nutzung pornografischer Angebote begünstigt. Es konditioniert den Konsumenten durch seine Struktur anhand eines variablen Ratenplans dazu, immer länger und mit mehr Verlangen pornografisches Material zu suchen. Dies kann zu einer klinisch erfassbaren Sucht führen.

Online-Hilfe für Betroffene

Der vorliegende Text ist Grundlage für ein mündliches Referat des Seminars „Ethik/Apologetik“ an der Freien Theologischen Hochschule Gießen am 12.01.2010 gewesen.

Alexander Gasnik

Endnoten

  • 1
    Die meisten Forscher gliedern nur in zwei Kategorien: weiche (unter die auch Nacktdarstellungen fallen) und harte Pornografie.
  • 2
  • 3
    Newsgroups/Communities können sich von anderen Themenbereichen im Netz durch Eintreten in die jeweilige Gruppe abgrenzen.
  • 4
    Schirrmacher 57 Milliarden, nach Ropelato 97 Milliarden.
  • 5
    Vgl. mit Soziologie des Internet (1997).
  • 6
    Vgl. mit Hajok, „Pornografie und Darstellung von Sexualität im Internet“, 2009, S. 76.
  • 7
    Er dürfte heute schon wesentlich höher sein. Dazu gibt es jedoch keine verlässlichen Angaben.
  • 8
    Zahlen von 2006! Renner schätze 2004 auf 260 Millionen Einzelseiten.
  • 9
    Nach Netzwelt.de und Ropelato.
  • 10
    Nach Schirrmacher, die Zahl deckt sich mit den Angaben von Netzwelt.de.
  • 11
    Nach Netzwelt.de 35%, also 10% mehr.
  • 12
    Vgl. mit Schetsche in Soziologie des Internet (1997), S. 247-251.
  • 13
    The Skinner Box Effect (2000).
  • 14
    Siehe Martin Pöhler, S. 22-25.
  • 15
    Hauck/Schulz, „pornae, pornos, porneia, porneuo, ekporneuo“, ThWNT, S. 581.
  • 16
    Ebd., S. 587.
  • 17
    Hos 2,11f; Hab 2,15.
  • 18
    Ex 20,14; Lev 18,6-23; Deut 22,13-29,1; 27,20-23.
  • 19
    Siehe hierzu Schirrmacher (2008), sowie die Diplomarbeit von Bleil, Kristina, Generation Porno – Eine Studie über den Umgang von Jugendlichen mit pornografischen Inhalten im Internet, Universität Wien: Wien, 2009, S. 27f.
  • 20
    Siehe hierzu D. Zillmanns Ergebnisse (2004).
  • 21
    Vgl. mit Berger, Jörg, Faszination Ich: Grenzen der Selbstverwirklichung, S. 47.
  • 22
    Nymphomanie-Mythos: Frauen sind unersättliche Wesen, indifferent bei der Partnerwahl, die sogar Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen (Vergewaltigungsmythos), wenn nicht brutale Gewaltanwendung tolerieren und am Schluss genießen. Frauen sind reines Sexual-Objekt, dem man keine emotionale Zuwendung oder auch nur respektvolle Verhaltensweise entgegenbringen muss, wenn nicht gar Verachtung oder offenen Hass (Misogynie).
  • 23
    Von κάθαρσις, „Reinigung“. Dahinter steht die Überlegung, dass Aggression, Verlangen etc. abgebaut werden müssen. Die Theorie nimmt an, dass durch das alleinige Betrachten von Gewalt beispielweise die eigene Gewaltneigung sinkt. Dies wird auf den Pornografiekonsum übertragen.

Bibliografie

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Berger, Jörg, Faszination Ich: Grenzen der Selbstverwirklichung, Hg. Thomas Schirrmacher, Kurz und Bündig, Holzgerlingen: SCM Hänssler, 2009.

Bleil, Kristina, Generation Porno – Eine Studie über den Umgang von Jugendlichen mit pornografischen Inhalten im Internet, Universität Wien: Wien, 2009.

Faust, Volker, „Pornografie in den Medien“, Psychiatrie Heute.
(siehe: http://www.psychiatrie-heute.net/psychiatrie/medien_pornographie.html)

Schetsche, Michael, „Sexuelle Botschaften via Internet – Ausgewählte Ergebnisse einer explorativen Studie“, Soziologie des Internet: Handeln im elektronischen Web-Werk, Hg. Gräf, Lorenz / Krajewski, Markus, Beiträge zur empirischen Sozialforschung, Frankfurt am Main: Campus, 1997.

Grundner, Tom M., The Skinner Box Effect: Sexual Addiction and Online Pornography, Lincoln: Writers Club, 2000.

Hajok, Daniel, „Pornografie und Darstellungen von Sexualität im Internet: Ein kurzer Überblick auf eine zentrale Problemdimension“, TV Diskurs 47, 2009, S. 76-79.

Hauck, Friedrich / Schulz, Siegfried, „pornae, pornos, porneia, porneuo, ekporneuo“, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 6, Stuttgart u.a.: W. Kohlhammer, 1959, S. 579-595.

König, Sabine, Kinderpornografie im Internet: Eine Untersuchung der deutschen Rechtslage unter besonderer Berücksichtigung des Internationalen Strafrechts, Inaugural-Dissertation, Julius-Maximilians-Universität: Würzburg, 2003.

„Liebe in Zeiten des Internets“, Öko-Test Kompakt Sexualität, Frankfurt: Öko-Test, 2009, S. 59-67.

Pöhler, Martin, „Entfliehe der Pornographie!“: Seelsorgerliche Hilfestellung auf Grund biblisch-theologischer und psychologischer Betrachtungen für männliche Christen, die Pornographie konsumieren, Wissenschaftliche Hausarbeit, Freie Theologische Akademie: Gießen, 2007.

Ropelato, Jerry, Internet Pornography Statistics, TopTenReviews, 2006.
(siehe: http://internet-filter-review.toptenreviews.com/internet-pornography-statistics.html)

Schirrmacher, Thomas, Internetpornografie: … und was jeder darüber wissen sollte, Holzgerlingen: SCM Hänssler, 2008.

Zillmann, Dolf, „Pornografie“, Lehrbuch der Medienpsychologie, Hg. Roland Mangold / Peter Vorderer u.a., Göttingen: Hogrefe, 2004.