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Transgender

Eine biblische und seelsorgerliche Orientierung der Britischen Evangelischen Allianz

1. Warum dieser Text? Warum jetzt?

“Wenn Sie eine Transgender-Person getroffen haben, dann haben Sie eine Transgender-Person getroffen. Jede einzelne Erfahrung ist eine Sache für sich.” 1Geäußert von einem Gesprächsteilnehmer in einem Gespräch, das der Autor mit einer Transgender-Selbsthilfegruppe durchführte.

Jesus liebte Menschen und er diskutierte Streitfragen. Die Evangelien sind voller Geschichten davon, wie völlig verschiedene Menschen Jesus begegnen und wie Jesus ihnen begegnet. Er suchte Menschen aus den äußersten gesellschaftlichen Randgruppen auf und nahm sich Zeit für sie. Seine Liebe kannte keine Grenzen, auch wenn er nicht immer derselben Meinung war wie seine Gesprächspartner.

Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass Transgender nicht einfach nur ein Thema ist, das diskutiert werden muss; es wirft elementare Identitätsfragen für Menschen auf, die genau wie wir alle das Bedürfnis haben, geliebt zu werden. Alle Gruppen, mit denen in der Vorbereitung des vorliegenden Materials gesprochen wurde, betonten die Hoffnung, dass die Kirche ein Ort wäre, an dem man willkommen geheißen wird, selbst wenn die Kirche noch nicht wüsste, wie sie auf alle Fragen antworten soll, die an sie gerichtet werden.

Der Begriff “Transgender” wurde erst 1971 geprägt und “Trans” (ein britischer Begriff) erst 1996.2htpps://www.theguardian.com/lifeandstyle/2010/jun/02/brief-history-transgender-issues (Zugriff am 30/08/18). Es gibt jedoch historische Berichte von Personen, die sich als drittes Geschlecht, als Eunuchen identifizierten oder von solchen, die auf verschiedene Weise Geschlechtergrenzen überschritten. Trotz dieser langen Geschichte hat sich die Transgender-Konversation in den letzten Jahren schnell verlagert und dabei neue Probleme und Fragen für Christen und Nichtchristen aufgeworfen.

Transgender-Rechte waren über viele Jahre hinweg eine Randerscheinung. Das spiegelte sich in der Tatsache wider, dass es mit dem verwandten, aber dennoch davon zu unterscheidenden Thema der sexuellen Anziehung identifiziert und dort angehängt wurde - daher das T in LGBT. Doch nun ist Transgender als Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Im Juni 2015 präsentierte die Zeitschrift Vanity Fair Caitlyn Jenner auf ihrem Cover, als diese sich als Trans* outete. The Danish Girl, ein Film über Lili Elbe, eine der ersten Personen, die sich einer Geschlechtsangleichung unterzogen, ist ein weiteres Beispiel dafür, dass das Thema inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Gesetzgeber beginnen Gesetze zu ändern, um es Leuten zu ermöglichen, ihr Geschlecht auch ohne eine vorangehende operative Geschlechtsumwandlung oder einen medizinischen Eingriff selbst zu bestimmen.

Diese kurze Einführung möchte Christen, sowohl als Einzelpersonen wie auch als Gemeinschaft, dabei helfen, Transgender-Personen einerseits sowie die größere ideologische, also weltanschauliche Transgender-Bewegung anderseits zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Ihr Ziel ist es, praktisch, barmherzig und ehrlich unser christliches Verständnis davon herauszuarbeiten, was es bedeutet, Mensch zu sein. Bei dem Versuch, sich kurz zu fassen, besteht immer die Gefahr, zu wenig differenziert zu sein. Um das zu vermeiden, finden sich am Ende dieses Textes Hinweise auf weitere Materialien.

Tims Geschichte

“Ich reiste mit einem Dad nach Brighton und kam mit einer neuen Mom zurück.”

Tim

Tim ist Pastor einer florierenden Community Church. 2012 bat ihn sein Vater um ein Gespräch. Es war klar, dass es um etwas Ernstes ging; sein Vater hatte mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen gehabt, die Tim als Folgen von Stress aufgefasst hatte. Er dachte, sein Vater würde ihm erzählen, dass er todkrank sei.

Als sie sich am Küchentisch gegenübersaßen, schaute Tims Vater ihm in die Augen und sagte, dass er sich sein Leben lang wie eine Frau gefühlt habe, die im Körper eines Mannes gefangen war. Er würde nicht länger mit Tims Mutter zusammenleben und seinen Namen nun von Stephen zu Stephanie (aus Gründen der Anonymität verändert) ändern. Sein Vater erklärte Tim den Übergangsprozess zum Leben als Frau. Er würde erst gegengeschlechtliche Hormone einnehmen und dann nach 6-12 Monaten eine geschlechtsangleichende Operation anstreben. Tim hatte nicht geahnt, dass das kommen würde und war erschüttert. Doch seine spontane Reaktion bestand in der Einsicht, dass er die Reise mit seinem Vater antreten, dass er zu ihm halten müsse.

Tim fand heraus, dass seine Mutter bereits seit 34 Jahren wusste, dass sein Vater Transvestit war. 19 Jahre lang waren sie von seelsorgerlichen und medizinischen Diensten wegen psychischen Problemen unterstützt worden und hatten, in ihren Worten, versucht, ein Heilmittel zu finden. Während Tim dies alles verarbeitete, empfand er Zorn darüber, dass seine Familie enttäuscht worden war - nicht nur von ihrem Vater, sondern auch von den Beratungsdiensten, die sich nie für diejenigen interessiert hatten, die von dieser Entscheidung massiv betroffen sein würden.

Tims Mutter hatte das Gefühl, man hätte ihr ein Leben gestohlen, nachdem sie sich entschieden hatte, in Allem zu ihm zu halten, nur damit er sie am Ende doch verließ. Sie scherzte: “Er hat mich für eine andere Frau verlassen - sich selbst.” Doch hinter diesem Humor wurde ihre Welt auf den Kopf gestellt. Sie trauerte um jemanden, den sie verloren hatte, der zwar nicht tot, aber in vielerlei Hinsicht für sie gestorben war. Noch immer geht sie nicht oft aus, weil sie vor Angst und Scham wie gelähmt ist. Tims Schwester weigert sich, über das Thema zu reden oder es zu diskutieren.

Als wir über Namen und Pronomen sprechen, lächelt Tim. “Es ist kompliziert. Um Stephanie zu würdigen, würde ich Stephanie, wenn Stephanie hier wäre, als Stephanie vorstellen. Aber im Kontext einer Unterhaltung zwischen uns Dreien würde ich Papa sagen, weil das in erster Linie die Grundlage unserer Beziehung ist. Er ist mein Vater. Aber um zu würdigen, wo er oder sie steht, würde ich immer sagen ‘Das ist Stephanie.’” Tim spricht über das Gleichgewicht zwischen Würdigung und Bestätigung - er spricht über Stephanie, aber in unserem Gespräch verwendet er dazu meist männliche Pronomen.

Tim reiste mit seinem Vater für dessen OP nach Brighton. Sein Humor scheint durch, während er auf die Reise zurückblickt: “Ich reiste mit einem Dad nach Brighton und kam mit einer neuen Mom zurück.” Sein Vater besitzt jetzt eine weibliche Geburtsurkunde und einen weiblichen Pass. Ich frage Tim, wie zufrieden sich sein Vater jetzt nach mehreren Operationen und sechs Jahren in einem Leben als Frau fühlt. “Es hat sich nichts verändert, außer seinem äußeren Erscheinungsbild,” sagt er, “Die Probleme mit seiner Identität und damit, zu akzeptieren, wer er ist, sind geblieben.”

Tim pflegt weiterhin eine gute Beziehung zu seinem Vater. Die Herausforderung für Tim bestand und besteht darin, die Balance zwischen Gnade und Wahrheit zu finden. Es gibt Momente, in denen er Gespräche über Wahrheit führt. Und es gibt Zeiten, wo er wo er der Gnade Vorrang gibt, indem er seinen Zorn und seine Emotionen unter Kontrolle hält. Er bleibt im Leben seines Vaters die Konstante, während Familie, Freunde und Kollegen ihn abgelehnt haben. Nur wenige von denen, die ihn jetzt kennen, kannten ihn als Stephen.

Stephanie hat einen Glauben und sagt, er habe Gott gebeten, die Transsexualität von ihm zu nehmen. Als das nicht geschah, beschloss er, dass sie dann wohl zu ihm gehöre. Er war in einer Reihe von Glaubensgemeinschaften eingebunden und hat sich in ihnen auf verschiedene Weise engagiert, aber stets war es ein Kampf.

Tim reflektiert: “Ich bin davon überzeugt, dass es nicht Gottes Plan, Entwurf oder Wunsch für irgendjemanden entspricht, sich einer geschlechtsangleichenden Operation zu unterziehen. Ich betrachte dies als Selbstverletzung auf höchstem Niveau - emotional und körperlich. Man ändert das Äußere in der Hoffnung, es werde das Innere verändern. Mein Wunsch ist es, den Menschen Jesus auf eine Weise anzubieten, dass sie sich in Jesus und im Gegenzug auch in sich selbst verlieben. Unsere Identität ist in Jesus Christus - bis man das entdeckt wird man sich immer nur im Kreis drehen.”

Tim zögert, anderen Ratschläge zu geben - jede Situation sei anders. Wahrheit sei wichtig. Aber wir müssen immer ein herzliches Willkommen anbieten - “Es ist nicht so, dass ich ändern muss, wer ich bin. Aber ich darf keine Situation schaffen, in der die Kommunikation durch meine Antwort abbricht. Denn wenn einmal die Kommunikation abbricht, dann war’s das. Und manchmal gibt es dann keinen Weg zurück.”

2. Trans - Was ist das?

Es gibt nicht das eine transidente Erleben. Stattdessen ist Trans am ehesten als Sammelbegriff für Menschen aufzufassen, die ihre Geschlechtsidentität als abweichend von ihrem biologischen Geschlecht wahrnehmen. Allerdings gibt es in unserer Kultur diesbezüglich viel Verwirrung und Unklarheit. Erstens ist es daher hilfreich, zwischen intersexuellem und transsexuellem Erleben zu unterscheiden. Menschen, die mit einer Störung der Geschlechtsentwicklung geboren werden, werden getrennt von Transsexualität diagnostiziert und behandelt. Die beiden Begriffe sollten nicht vermischt werden. Zweitens wird Transgender verwendet, um sowohl Menschen mit einer Erkrankung - Gender-Dysphorie - zu bezeichnen als auch solche, die Teil einer größeren weltanschaulich-ideologischen Bewegung sind. Wir müssen also gute Absichten von schlechten Ideen unterscheiden.

Gender-Dysphorie ist eine seltene Erkrankung, die früher als Geschlechtsidentitätsstörung bezeichnet wurde. Sie wird vom National Health Service (NHS), also der staatlichen Krankenversicherung in Großbritannien, anerkannt: “Eine Person empfindet Unwohlsein oder Verzweiflung, weil zwischen ihrem biologischen Geschlecht und ihrer Geschlechtsidentität eine Diskrepanz besteht.”3https://www.nhs.uk/conditions/gender-dysphoria/ (Zugriff am 11/09/18) Trotz vielfältiger Behauptungen bezüglich “wissenschaftlicher Belege” besteht kein Einvernehmen darüber, wie und warum Gender-Dysphorie auftritt. Auch eindeutige diagnostische Kriterien fehlen. Es wird jedoch darüber debattiert, wie viele Menschen betroffen sind. In Großbritannien gibt es ungefähr 15.000 Geschlechtsidentitäts-Patienten - das entspricht 0,02 Prozent der Bevölkerung.4 https://www.theguardian.com/society/2016/jul/10/transgender-clinic-waiting-times-patient-numbers-soar-gender-identity-services (Zugriff am 01/11/17)

Für Deutschland ist von ähnlichen Anteilen auszugehen. Die Selbsthilfeorganisation Trans-Ident e.V. bezieht sich für ihre Zahlen auf Angaben des Bundesamtes für Justiz, das eine Statistik der Personen führt, die sich pro Jahr einem Verfahren nach dem Transsexuellengesetz (s.u.) unterziehen (Trans-Ident e.V.). Dieser Personenkreis umfasst 0,01 % der Bevölkerung, also ca. 80.000 Personen. Werden in anderen Quellen deutlich höhere Zahlen angegeben, dann liegt ihnen das weiter gefasste Verständnis von Transgender-Menschen zugrunde (die ihrem Selbstverständnis gemäß oft die vom Gesetz eröffneten Verfahrenswege in Anspruch nehmen.

Eine Geschlechtsinkongruenz bis zu einem gewissen Grad kann eine kurze Phase sein oder viel länger andauern. Die Inkongruenz oder Diskrepanz ist aber nicht ausreichend, um das Maß an Leiden zu verursachen, das für die Diagnose Gender-Dysphorie vorgeschrieben wäre. Die Person könnte sich als Transgender im engeren Sinne erweisen (also eine Geschlechtsumwandlung anstreben) oder das Geschlecht mit dem sie geboren wurde, weiter behalten.

Die weltanschaulich-ideologische Transgender-Bewegung ist stark von der Queer-Theorie und den ihr zugrundeliegenden Vorstellungen bezüglich der Flexibilität des Geschlechts beeinflusst. Man muss demnach keine Dysphorie erleben oder die Absicht haben, sich dauerhaft umzuwandeln, um sich als Trans* bezeichnen zu können. Die Bewegung wird von Leuten unterstützt, die selber nicht transident, aber als Verbündete bekannt sind. Die Trans*Bewegung hat Themen der Identitätspolitik in die Diskussion gebracht und es geschafft, dass Vertretern anderer Meinungen praktisch jede Äußerung im öffentlichen Raum verwehrt bleibt.

Diese wachsende Bewegung umfasst viele widersprüchliche Ideen. Wenn sich beispielsweise eine Person mit männlichen Genitalien als Frau empfindet, dann setzt diese Diskrepanz einen binären Denkansatz voraus, der auf den zwei Kategorien männlich und weiblich basiert. Eine Person hingegen, die sich als nicht-binär beschreibt, lehnt die Kategorien männlich und weiblich ab und/oder betrachtet Gender als ein Spektrum von Möglichkeiten der Geschlechtsidentität. Wenn aber Geschlecht nicht binär (männlich oder weiblich), sondern spektral ist, dann ist letztlich jeder Mensch Trans*. Oder es gibt überhaupt keine Transgender-Personen. Zugleich gibt es Menschen, die sich als Transgender identifizieren, aber der weltanschaulichen Transgender-Bewegung kritisch gegenüberstehen.

Die Sprache, die in Trans*Konversationen verwendet wird, ist unglaublich wichtig. Sie wandelt sich ständig; die Bedeutung von Ausdrücken variiert und kann strittig sein. Wir haben einige der Schlüsselbegriffe in einem Glossar weiter unten zusammengetragen.

3. Was sagt die Bibel?

Es gibt nur wenige Bibelstellen, die das Phänomen Transgender direkt betreffen. 5. Mose 22,5 und 1. Korinther 6,9 sprechen über Transvestismus und über solche, die sich verweiblichen, um andere Männer anzuziehen.

Matthäus 19,12 spricht über drei verschiedene Typen von Eunuchen: Da sind erstens diejenigen, die bereits so geboren wurden (Intersexuelle), zweitens solche Menschen, die dazu gemacht wurden (Kastrierte), und drittens solche, die für Gottes Reich zölibatär leben. Den Zusammenhang des Textes bildet eine Diskussion über die Ehe, in der Jesus einen Fragesteller daran erinnert, dass wir als “Mann und Frau” in das Ebenbild Gottes geschaffen sind. Der Abschnitt ist ein Beispiel dafür, wie Jesus das göttliche Ordnungsmuster bestätigt und zugleich in unserem Denken Raum für Menschen und Situationen schafft, die nicht eindeutig in dieses Muster hineinpassen.

Philippus’ Begegnung mit dem äthiopischen Eunuchen in Apostelgeschichte 8 ist eine wichtige Geschichte darüber, dass am Rand stehende Menschen in die Erfüllung des Missionsbefehls einbezogen werden. Der Mann wird als Äthiopier, vermutlich ein Heide, und als eine Person beschrieben, die (aufgrund der Kastration) nicht in ein binäres Geschlechterverständnis hineinpasste. Er war auf dem Rückweg vom Tempel, wo er wahrscheinlich aus diesen Gründen nicht eingeladen worden war, im Tempel selbst zu beten. Doch auf dem Heimweg begegnet er (der Text identifiziert ihn als “er”) Gott.

Jesaja 56,4-5 spricht über Eunuchen und ist ein weiteres Beispiel dafür, wie der Außenseiter eingeladen wird. Es ermutigt Kirchen heute dazu, Raum für am Rand stehende Menschen zu schaffen und gleichzeitig zum Gehorsam anzuleiten.

Die große Geschichte

In seinem Buch Transgender wendet Vaughan Roberts eine klassische biblisch-theologische Struktur auf die komplexen Transgender-Fragen der heutigen Zeit an. Der Schöpfungsbericht spricht von zwei verschiedenen und einander ergänzenden biologischen Geschlechtern. Die Identifikation mit dem anderen Geschlecht ist von daher ein Problem, weil sie die Schöpfungsordnung von Mann und Frau verzerrt. Nun leben wir in einer gefallenen Welt, in der nicht jedes biologische oder psychologische Empfinden Gottes Willen reflektiert. In diesem Narrativ wird Gender-Dysphorie als die Folge des Lebens in einer gefallenen Welt gesehen, nicht als Konsequenz einer persönlichen moralischen Entscheidung.

Durch den Tod, die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu wurde uns das Geschenk der Erlösung angeboten. Die körperliche Auferstehung bestätigt die Bedeutung des menschlichen Körpers. Während wir in einer gefallenen Welt leben, werden wir zwischen unseren Sehnsüchten einerseits und dem Willen Gottes andererseits hin- und hergerissen. Gott rettet uns nicht aus dem Leid, aber er erlöst uns durch das Leid hindurch. In dem neuen Himmel und auf der neuen Erde werden wir uns über die Wiederherstellung unserer Körper und unseres Geistes freuen. Oliver O’Donovan bemerkt dazu: “Männlichkeit und Weiblichkeit definieren für immer einen wichtigen Aspekt der Beziehung, die Christus zu uns allen, zu seiner Kirche, hat.”5O’Donovan, Oliver, Resurrection and Moral Order: An Outline for Evangelical Ethics, 2nd ed. (Eerdmans, 1994) p. 5 Und weiter: “Welche Rolle unsere individuellen Geschlechtsidentitäten in der zukünftigen Welt einmal spielen werden, ist nicht offenbart. Aber Gott will, dass wir unsere Beziehung zu Jesus für immer in der Entsprechung zu einer monogamen, Mann und Frau miteinander verbindenden Beziehung denken.”6ebd.

Innerhalb dieses größeren Narrativs gibt es einige Schlüsselideen, die in Bezug auf Transgender zu beachten sind.

Der Körper: Der Körper hat im biblischen Text und im christlichen Verständnis – von der Schöpfung über die Menschwerdung zur Auferstehung und Himmelfahrt – eine große Bedeutung. Die biblischen Texte bestätigen die physischen Unterschiede zwischen Mann und Frau, da sie je verschieden geschaffen sind. Körper sind dabei nicht einfach nur Dinge, die wir bewohnen, sondern – verstanden als Leib – ein integraler Bestandteil unseres “In-der-Welt-Seins“, also davon, wer wir sind. Als Christen sind unsere Leiber „Tempel des Heiligen Geistes“ (1. Korinther 6,19).7Sofern nicht anders angegeben, sind alle Bibelzitate der Revidierten Elberfelder Übersetzung entnommen

Biologisches Geschlecht/Gender: Der erste biblische Verweis auf die Menschheit unterscheidet zwischen männlich und weiblich. Wir sind Personen, aber nicht nur Personen. Auf einer grundlegenden Ebene sind wir Männer und Frauen.

Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. (1. Mose 1,27).

Das binäre “männlich” und “weiblich” aus 1. Mose 1 wird zu den Nomen “Mann” (‘ish) und “Frau” (‘ishshah) weiterentwickelt, indem diese in 1. Mose 2,23 auf Adam und Eva angewandt werden. In der ganzen Bibel ist das biologische Geschlecht binär und wesentlich für die Persönlichkeit - das biologische Geschlecht soll das soziale Geschlecht („Gender“) offenbaren und bestimmen.

(Andrew Sloane bemerkt in Marriage, Family and Relationships: “Intersexualität sollte als Ausdruck dafür verstanden werden, wie die Zerbrochenheit einer gefallenen Welt bestimmten menschlichen Körpern eingeschrieben ist, und von daher als eine Behinderung oder Beschwernis angesehen werden, zumal wenn man bedenkt, wie sie die Fortpflanzungsbiologie erschwert.8Sloane, Andrew, ‘Male and Female He Created them’? Theological Reflections on Gender, Biology and Identity in Marriage, Family and Relationships: Biblical, doctrinal and contemporary perspectives, edited by Noble, Whittle & Johnston, (IVP, 2017), p. 233-4.)

Unser Verständnis von “Geschlecht” (Gender) ist zwar auch sozial geformt. Dennoch ist Geschlecht nicht nur ein soziales Konstrukt. Gott stellt die Existenz eines Mannes und einer Frau als wesentlich für seinen Schöpfungsplan dar. Die Unterteilung in männlich und weiblich bezeichnet sowohl eine grundlegende Realität (da unsere Männlichkeit bzw. Weiblichkeit eine Rolle darin spielen, Gottes Ebenbild widerzuspiegeln) als auch unsere zukünftige Bestimmung (wenn die Hochzeit zwischen Christus und seiner Braut, der Gemeinde, stattfinden wird).9Townsend, Christopher, Gender - Where next? Jubilee Centre, 2016. Verfügbar unter https://evangelicalfocus.com/jubilee-centre/2346/gender-where-next-christopher-townsend (Zugriff am 21/1/23) Siehe Epheser 5,21-33.

Kulturelle vs. biblische Normen: Während einige Menschen in unserer Kultur die Vorstellung davon, was es bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein, grundsätzlich infrage stellen, ist manche Kritik an Geschlechterstereotypen durchaus hilfreich. Wir müssen verstehen, was die Bibel damit meint, wenn sie sagt, dass wir als “Mann und Frau” geschaffen sind, und dürfen dabei nicht einfach unbewusst gesellschaftliche Stereotypen über Geschlecht und Gender in die biblischen Texte hineinlesen. Ein Junge zu sein hat wenig damit zu tun, zum Spielen und um Abenteuer zu erleben nach draußen zu gehen, und ein Mädchen zu sein hängt nicht daran, in häuslicher Sicherheit zu bleiben und mit Puppen zu spielen.

Individualismus und Ideologie: Wir leben in einer zutiefst individualistischen Kultur, die ihre Wurzeln in der Aufklärung hat. Der Individualismus bildet in Verbindung mit dem Wunsch nach Authentizität eine starke Strömung in der Transgender-Bewegung. Das letztendliche Ziel ist für viele einfach: Wir sollten die Freiheit haben, uns selbst so zu definieren, wie wir es wollen. Nicht einmal die Natur oder unsere Körper können uns darin einschränken. Die Frage hat sich von “Wer bin ich?” zu “Wie definiere ich mich?” verlagert. Diese Art, die Dinge zu sehen, betont das Gewählte statt des Gegebenen und die Veränderbarkeit statt der Stabilität.10Harrison, Glynn, Who am I today? The modern crisis of identity. Jubilee Centre, 2016. Verfügbar unter http://www.jubilee-centre.org/10178-2/ (Zugriff am 30/08/18) (leider nicht mehr online verfügbar)

Gnostizismus: Gnostizismus ist eine antike Idee, die ihre Wurzeln im fernöstlichen Mystizismus hat. Es handelt sich um ein komplexes Konzept, das einen besonderen Zugang aufgrund von Geheimwissen für sich in Anspruch nimmt. Aber im Grunde betrachtet es Materie und Körper als etwas Gefallenes und Minderwertiges. Wir finden diese Idee in Aussagen von Transgender-Personen über die Vorstellung von einem “echten Ich” wieder, das im falschen Körper gefangen sei. Leitend ist hier die Vorstellung, das innere Selbst habe Vorrang und man sei frei, seinen Körper so zu formen, dass er dem inneren Selbst entspreche.

Paulus sprach die Konsequenzen des Gnostizismus seiner Zeit an. Dazu gehörte zum einen die sexuelle Freiheit: Wenn der Körper unwichtig ist, dann bin ich frei, mit ihm zu tun, was mir gefällt. Zum anderen die Askese: Wenn der Körper unwichtig ist, sollte ich hart zu ihm sein. Paulus führte in 1. Korinther 6 jedoch deutlich aus, dass der Körper der “Tempel des Heiligen Geistes” ist und dass daher gilt: “Verherrlicht nun Gott mit eurem Leib!”

Jede Form von Christentum, die den Körper und die materielle Schöpfung überhaupt entwertet, ist zutiefst problematisch. Solche Vorstellungen haben mehr mit Gnostizismus oder mit antikem griechischem Platonismus zu tun als damit, Jesus nachzufolgen. Obwohl wir uns alle mit dem Wiederaufleben dieser antiken Vorstellungen in der gegenwärtigen Kultur auseinanderzusetzen haben, werfen diese Vorstellungen für Menschen besondere Probleme auf, die versuchen, in biblisch-theologisch verantwortlicher Weise mit Gender-Dysphorie zu leben.

4. Wie kann die Kirche seelsorgerlich antworten?

Wer Menschen, die mit Problemen im Bereich Transgender und Glaube ringen, eine Antwort auf ihre Fragen geben möchte, sollte dies theologisch verankert und zugleich in seelsorgerlicher Ausrichtung tun. Viele Menschen, die mit einer transsexuellen Identität und dem Glauben ringen, haben Probleme mit Scham, Isolation und Ablehnung. Die Kernfragen sind häufig: “Wer bin ich und wohin gehöre ich?” Die Kirche hat die Möglichkeit, solchen Menschen Unterstützung und Freundschaft anzubieten, die es in einer Welt schwer haben, die ihnen üblicherweise nur Verwirrung, Marginalisierung und oftmals Einsamkeit bietet. Manchmal kann die Kirche bei dem Versuch, die “korrekte” theologische Antwort geben zu wollen, die Gelegenheit verpassen, eine einladende Gemeinschaft zu sein. Probleme können entstehen, wenn in einer persönlichen bzw. seelsorgerlichen Gesprächskonstellation eine theologische bzw. „weltanschaulich-ideologische“ Antwort gegeben wird oder wenn umgekehrt im theologischen Gespräch auf die seelsorgerliche Ebene gewechselt wird.

Mark Yarhouse

Mark Yarhouse11Yarhouse, Mark, Understanding Gender Dysphoria: Navigating Transgender Issues in a Changing Culture, (InterVarsity Press, 2015). Yarhouse wurde von einigen Christen dafür kritisiert, dass er sich nicht ausreichend mit der Trans*Ideologie auseinandersetze. Es besteht die Sorge, dass ein therapeutisches Modell für die Seelsorge, das dem Empfinden der Personen, denen geholfen wird, zuhört, zulassen könnte, dass dieses Empfinden Lehre und Theologie über Gebühr formt., ein klinischer Psychologe und Christ, beschreibt drei verschiedene Linsen, durch die hindurch man Probleme der Geschlechtsidentität betrachten kann:

1. Der Integritätsrahmen

Diese Betrachtungsweise hebt die heilige Integrität von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Schöpfung sowie die Bedeutung ihrer Kompatibilität hervor. Das biologische Geschlecht ist ein wesentlicher Aspekt der Persönlichkeit. Es zu manipulieren bedeutet, etwas Heiliges abzulehnen. Die Sorge dreht sich hier darum, dass “die Integrität des eigenen Geschlechts abgelehnt und ein offener Versuch unternommen wird, das heilige Ebenbild der von Gott geschaffenen Männlichkeit und Weiblichkeit zu beschädigen.”12Robert Gagnon, p. 3, zitiert in Yarhouse p. 46

2. Der Störungsrahmen

Bei dieser Betrachtungsweise wird Gender-Dysphorie als eine moralisch neutrale Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit aufgefasst, bei der das biologische und das soziale Geschlecht nicht übereinstimmen. Daher ist sie mit Barmherzigkeit zu behandeln. Gender Dysphorie wird in Analogie zu jemandem verstanden, der unter einer Depression oder unter Angstzuständen leidet. Wir diskutieren ihren emotionalen Zustand dann nicht als eine moralische Entscheidung, sondern als eine Störung, die sich als eine Folge des Sündenfalls erweist. Eine Person mag als Reaktion auf die Symptome Entscheidungen treffen oder insgesamt eine Behandlungsmethode wählen, die eine ethische oder moralische Dimension haben. Doch die Betroffenen haben sich ihren Zustand nicht ausgesucht und sind für ihn auch nicht als im moralischen Sinne schuldig anzusehen.

3. Der Diversitätsrahmen

Bei dieser Ansicht werden Transgender-Themen als etwas betrachtet, das es als Teil der normalen menschlichen Vielfalt zu feiern und zu würdigen gilt. Sie beantwortet für viele Trans*Personen die Fragen nach Identität und Gemeinschaft, indem sie ihnen hilft, sich angenommen zu fühlen. In ihrer radikalsten Form versuchen Vertreter dieses Modells, biologisches und soziales Geschlecht komplett zu dekonstruieren. Weniger ausgeprägte Formen können jedoch helfen, das Empfinden einer Person anzuerkennen, indem sie ihr Lebenssinn und Gemeinschaft bieten.

Unter Gesundheitsexperten und in der Mehrheitskultur dominiert heute der Diversitätsrahmen. Er steuert auch vermehrt die Maßgaben für die öffentliche Ordnung. Als einen Schritt hin zur Entwicklung einer differenzierten christlichen Antwort für die Praxis, die Seelsorge und das Engagement in der öffentlichen Politik schlägt Yarhouse einen integrierten Rahmen vor. Dieser soll helfen, Gender-Dysphorie zu verstehen, um dadurch zu vermeiden, dass man aneinander vorbeiredet. Zudem soll er helfen, die Komplexität der Thematik anzuerkennen, helfen, das Beste, was jeder Rahmen bietet, aufzunehmen und spezifisch christliche Ressourcen anzubieten. Der integrierte Rahmen ermutigt Gemeindeleiter und andere Menschen dazu:

  • die Integrität von Geschlechtsunterschieden zu respektieren und zur Vorsicht zu raten, wenn stark invasive Verfahren in Erwägung gezogen werden; wo immer es möglich ist, im Licht der christlichen Sicht auf biologisches und soziales Geschlecht nach Weisheit und Reife zu streben;
  • im Umgang mit Gender-Dysphorie einfühlsam und mit Barmherzigkeit zu reagieren; zu versuchen, die am wenigsten invasiven Wege im Umgang mit Dysphorie in Erwägung zu ziehen;
  • Identitäts- und sinnstiftende Möglichkeiten innerhalb der Gemeinschaft anzubieten; zu helfen, die Person in eine breite, Unterstützung bietende Gemeinschaft bzw. in ein Familiennetzwerk einzubinden, das den Wert der Person bestätigt und sie darin unterstützt, Antworten im Blick auf die sich stellenden Herausforderungen zu erkunden.

Unsere Rolle ist es, eine Stimme neben anderen zu sein, die in das Leben einer Trans*Person hineinsprechen. Wenn Sie sich seelsorgerlich mit einer Trans*Person treffen, wird es wichtig sein, zu verstehen, welche diese anderen Stimmen sind und an wen Sie weiterverweisen können. Einige Akteure sind in dem untenstehenden Diagramm vermerkt. Eine Stimme aus dem Gesundheitswesen könnte das CAMHS sein. Es deckt eine Reihe von Diensten ab, die mit Kindern und jungen Menschen arbeiten, die Schwierigkeiten mit ihrem emotionalen und verhaltensbezogenen Wohlbefinden haben. Es ist eine gute Idee, sich Notizen und Aufzeichnungen von Treffen zu machen, für den Fall, dass später Bedenken aufgeworfen werden und sicherzustellen, dass andere Dienste in angemessener Weise involviert sind.

Erklärung: Da es ein statistisch höheres Risiko von Transgender-Personen für Selbstverletzung und Suizid gibt, sollten Christen und christliche Werke in ihrem Dienst an diesen Menschen Vorsorge für den Fall treffen, dass sie beschuldigt werden, für Selbstverletzungen oder Suizid(versuch) einer von ihnen begleiteten Person verantwortlich zu sein. Sie sollten sich zum einen mit Vertretern anderer Fachdisziplinen abstimmen und zum anderen ihre Bratungstätigkeit gewissenhaft dokumentieren. Aus der Dokumentation sollte zweifelsfrei hervorgehen, dass sie die ratsuchende Person gebeten haben, neben der seelsorglichen auch psychologische bzw. Medizinische Beratung in Anspruch zu nehmen.

Q: Welche Art von Unterstützung hätten Sie sich von der Kirche gewünscht?

A: “...jemanden, der mit mir weint, anstatt mich nur zu verurteilen. Hey, es ist gruselig zu sehen, dass Gott jemanden nicht von Krebs oder Schizophrenie [oder einer Störung der Geschlechtsidentität] rettet… aber lernen Sie, zuzulassen, dass Ihre Barmherzigkeit Ihre Angst und Ihren Widerwillen überwindet.” 13https://go.efca.org/sites/default/files/resources /docs/2016/01/9_postconference_mark_yarhouse_notes.pdf (leider nicht mehr online verfügbar)

Jesus am Brunnen

In Johannes 4 wird ausführlich die erstaunliche Begegnung zwischen Jesus und der Frau am Brunnen beschrieben. Sie ist Vorbild dafür, wie man denen begegnen und dienen kann, die sich an den Rand gedrängt fühlen.

Barmherzigkeit: Jesus ist in seiner Begegnung mit der Frau am Brunnen barmherzig, indem er ihr dort begegnet, wo sie ein nichtgestilltes Bedürfnis hat. Barmherzigkeit wird uns dazu anleiten, Menschen dort zu begegnen, wo sie Not haben, indem wir ihre gewählte Identität respektieren, ohne ihr notwendigerweise zuzustimmen. Sie wird die Komplexität von Geschlechtskonfusion anerkennen und das anbieten, was der christliche Psychologe Mark Yarhouse eine “stark auf die Beziehung setzende” Antwort nennt, bei der man mit denen mitgeht, die leiden.

Integrität: Am Brunnen findet auch eine Begegnung mit der Wahrheit statt – ein Moment göttlicher Offenbarung – im Zusammenhang mit dem Ehestand der Frau. Jesus sagt: “[F]ünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; hierin hast du wahr geredet.” Jesus geht schnell von Barmherzigkeit zu Integrität über, als er die Frau liebevoll in Bezug auf ihr Leben hinterfragt. Diese Reise kann bei uns viel länger dauern.

Erlösung: In einer Beziehung mit einer Transgender-Person sollten wir versuchen, über den Kulturkrieg hinauszugehen, der um das biologische und soziale Geschlecht geführt wird. Wir sollten das Individuum in den Raum des verändernden Werks und der verändernden Macht Jesu sowie des Heiligen Geistes hineinziehen. Die Begegnung in Johannes 4 führt letztendlich zu erlösten Beziehungen; die Frau erfährt Veränderung und läuft los, um dem ganzen Ort von Jesus zu erzählen.

Jüngerschaft

“...die Transgender-Revolution stellt eine der größten seelsorgerlichen Herausforderungen dar, vor der diese Generation von Christen stehen wird.”

Dr. R. Albert Mohler14Mohler, Albert, We Cannot Be Silent (Nelson Books, 2015) p. 69

Wir haben unterstrichen, wie wichtig es ist, dass die Kirche Transgender-Personen willkommen heißt. Aber wie sieht die Reise der Nachfolge für eine solche Person und die ganze Kirche vor Ort aus?

Sarah erlebte in einem sehr jungen Alter Gender-Dysphorie: Ihr biologisches Geschlecht und ihr Geschlechtsempfinden waren nicht im Einklang. Sarah wurde biologisch männlich geboren. Sie hatte sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen und gegengeschlechtliche Hormone eingenommen. Sie begegnen Sarah, die inzwischen Christin ist und zu Ihnen sagt: “Ich mag mit dem, was ich getan habe, gesündigt haben. Ich weiß nur, dass ich damals völlig verzweifelt war.” Dann fragt sie Sie: “Was sollte ich deiner Meinung nach jetzt tun?”15Illustration aus einem Q Ideas Podcast, Episode 039, The Transgender Conversation by Mark Yarhouse

Liebe

In seinem Buch God and the Transgender Debate unterstreicht Andrew Walker, wie wichtig es ist, Transgender-Personen als unsere Nächsten zu sehen und sie zu lieben.16Walker, Andrew, God and the Transgender Debate (The Good Book Company, 2017) ch. 8 Liebe fördert Würde, da sie jeden als Träger des göttlichen Ebenbilds sieht. Das bedeutet, dass wir aufstehen und diejenigen verteidigen müssen, die gemobbt oder misshandelt werden, weil sie anders sind. Es kommt nicht darauf an, ob wir mit dem Lebensstil einer Person einverstanden sind; wir müssen den Wert verteidigen, den jeder einzelne Mensch hat.

Liebe erfordert Empathie und Barmherzigkeit: Das bedeutet zuzuhören und die Andersartigkeit eines Menschen ebenso zu verstehen, wie dessen Gefühl, in seiner Identität in Frage gestellt zu sein. Gruppen wie Living Out17www.livingout.org helfen der Kirche, solche Menschen zu verstehen und ihnen zu dienen, die homosexuelle Anziehung empfinden. Es wird wichtiger werden, zu sehen, wie ähnliche Gruppen gegründet werden, die im Bereich von Trans*Identitäten helfen möchten. Liebe ist wahrhaftig. Sie wird angesichts der Bedeutung, die die Bibel dem biologischen Geschlecht und dem Körper beimisst, zu schwierigen Gesprächen führen. Aber Liebe ist auch geduldig und gütig.

Andrew Walker formuliert es folgendermaßen: “Obgleich der Dienst an Menschen mit Gender-Dysphorie neue Gespräche und Erfahrungen mit sich bringen mag, die viele von uns nicht verstehen werden, bedeutet dieser Dienst doch, mit jeder wertvollen Seele durch möglicherweise jahrelange psychische Täler zu gehen… Nur Christen, die demütig genug sind, um ihre eigene Zerbrochenheit zu erkennen, werden auch fähig sein, mit Menschen Kämpfe durchzustehen, die ganz anders als ihre eigenen erscheinen.”18https://www.thegospelcoalition.org/article/the-christian-response-to-gender-dysphoria (Zugriff am 30/08/2018)

Als die Britische Evangelische Allianz sich im Jahr 2000 zum ersten Mal dieser Thematik widmete, schloss unser Bericht damit, dass es nicht möglich sei, das biologische Geschlecht einer Person zu ändern.19Evangelical Alliance Policy Commission, transsexuality (London: EA Policy Commission/Paternoster Press, 2000) p. 84-85 Geschlechtsangleichende Operationen wurden nicht als eine normale, zulässige Option für Menschen, die Gender-Dysphorie erleben, gesehen. Der Bericht unterstrich außerdem den Mangel an Langzeitstudien in Bezug auf die Auswirkungen – ein Zustand, der weiter fortbesteht.

Erklärung: Der Text nimmt an dieser Stelle auf eine frühere, deutlich umfangreichere Stellungnahme der Britischen Evangelischen Allianz Bezug (vgl. Fußnote 18). Die neuere kürzere Erklärung ersetzt diesen Text nicht, sondern präzisiert ihn und zudem verwendet die inzwischen gebräuchlich gewordene Sprache hinsichtlich der Beschreibung des Phänomen-Bereichs Transgender. Beide Texte stimmen darin überein, dass sie geschlechtsangleichende Operationen biblisch-theologisch nicht begründet sehen, die neuere Stellungnahme sagt aber nicht ausdrücklich, dass ein solcher Schritt in jedem einzelnen Fall als falsch zu verurteilen ist.

Namensgebung

Eines der umstrittensten Themen ist die Frage, wie eine Transgender-Person angesprochen und welches Personalpronomen für sie verwendet werden soll. Die Namensgebung ist in der Bibel eine äußerst wichtige Handlung und auch unsere Kultur weiß um die Macht von Namen. In der Trans*Community sind Namen ein wichtiger Teil der Identität. So wird es als „Deadnaming“ bezeichnet, eine Person, die ihren Namen geändert hat, weiterhin bei ihrem früheren Namen zu nennen.

Es kann hilfreich sein, einen Unterschied zwischen Namen und Personalpronomen zu erkennen. Viele Menschen in Großbritannien sind unter einem anderen (Ruf-)Namen bekannt, als dem z.B. im Personalausweis eingetragenen, und eine Person kann nach britischem Recht ihren Namen aus allen möglichen Gründen rechtlich ändern lassen. Die Personalpronomen (er/sie) sind demgegenüber viel klarer mit dem (biologischen) Geschlecht verbunden, als Rufnamen. Das Beharren mancher Trans*Personen darauf, als “xier”, “nin” oder “sier” bezeichnet zu werden, kann die Problematik weiter verschärfen. Zugleich wächst die Einsicht, dass es die Redefreiheit berühren kann, wenn jemand genötigt wird, für jemanden ein bestimmtes Pronomen zu verwenden.20Professor Jordan Peterson, ein kanadischer Psychologieprofessor an der University of Toronto machte das Thema bekannt. “Ich erkenne nicht, welches Recht eine andere Person hat, festzulegen, welche Pronomen ich verwende, um sie anzusprechen… Ich denke, dass es mich zu einem Werkzeug dieser Bestrebungen machen würde, wenn ich diese Wörter aussprechen würde.” https://torontolife.com/city/u-t-professor-sparked-vicious-battle-gender-neutral-pronouns/ (Zugriff am 30/08/2018)

Unter Christen besteht in diesem Punkt keine Einigkeit. Für einige von ihnen wird es Gnade und Wahrheit gleichermaßen gerecht, wenn man den von der Person bevorzugten Namen, aber nicht die dem entsprechenden Pronomen verwendet. Für andere ist es ein Gebot der Höflichkeit, sowohl den Namen als auch das bevorzugte Pronomen einer Transgender-Person zu verwenden. Für wieder andere ist es eine Frage der Integrität festzustellen, dass jeder Gebrauch von bevorzugten Namen oder Pronomen zu Verwirrung führt und letztendlich zur Folge hat, dass man an der Täuschung teilhat, der sich eine Trans*Person hingibt, und an ihrer Aufrechterhaltung mitwirkt.

Bei der Überlegung, ob man den bevorzugten Namen oder das bevorzugte Personalpronomen einer Person verwenden soll, gibt es vier bedenkenswerte Punkte:

1. Kontext: Das Alter der Person und die Art der Beziehung zu ihr wird Ihre Herangehensweise beeinflussen. Eltern eines fünfjährigen Kindes möchten vielleicht ein Kind, das neue Ideen ausprobiert, bremsen und anleiten. Auf der anderen Seite wird jemand, der eine Trans*Person erst nach der Operation kennenlernt, wahrscheinlich gar nichts über die Geschichte der Person einschließlich ihres früheren Namens wissen, ja vielleicht noch nicht einmal wissen, dass sie trans ist.

2. Die Gesetzeslage: Wenn Sie in Ausübung einer öffentlichen Rolle – z. B. als Lehrer oder Arzt – handeln, kann es sein, dass Sie gegen Arbeitsplatzrichtlinien verstoßen oder sich der Diskriminierung schuldig machen, wenn Sie eine Person nicht mit ihrem neuen Namen ansprechen. Außerdem kann eine Person – in Großbritannien – ihren Rufnamen legal ändern lassen, solange sie damit nicht die Absicht hat, andere zu betrügen. Eine Person kann ihren Namen auch mithilfe eines einfachen Formulars („Deed Poll“) ändern und ihren neuen Namen dadurch rechtlich gültig machen.

3. Beziehung: Den von jemandem bevorzugten Namen nicht zu benutzen kann ein weiteres Gespräch schwierig, wenn nicht gar unmöglich, machen.

4. Konsequenz: Wenn wir es ablehnen, den Namen einer Trans*Person zu verwenden, sollten wir uns konsequenterweise auch weigern, andere Namen zu verwenden, die sich auf eine Weltanschauung, Religion oder Ideologie beziehen, der wir vielleicht nicht zustimmen. Z. B. würde man Cassius Clay statt Mohammad Ali sagen müssen, also dem Namen, den der Boxer als Zeichen seiner Freiheit und seiner Zugehörigkeit zum Islam annahm.21https://www.independent.co.uk/news/people/muhammad-ali-death-cassius-clay-why-did-he-change-his-name-nation-of-islam-a7065256.html (Zugriff am 18/10/18)

Identität und Ideologie

Probleme können entstehen, wenn versucht wird, seelsorgerlich auf theologische Argumente einzugehen oder umgekehrt theologisch abstrakt auf eine Person zu reagieren, die vor ihnen steht und eine seelsorgerliche Antwort benötigt. Wir müssen sorgfältig überlegen, wie wir seelsorgerlich auf die Person reagieren, mit der wir es zu tun haben. Wird in der Begegnung mit Menschen nicht die jeweilige Ebene des Gesprächs beachtet, wird sich das Gespräch fast mit Sicherheit als Sackgasse erweisen. Damit ist das Nachdenken sowie das Diskutieren über die Rolle von Sprache jedoch nicht generell ausgeschlossen. Angesichts der Bedeutung, der Macht und dem Einfluss, der Sprache zukommt, sind Versuche, sie zu kontrollieren, problematisch. Es ist eine Sache, zu Recht Hassrede einzuschränken. Eine ganz andere Sache ist es jedoch, vorzuschreiben, wie jemand über eine andere Person zu reden hat. (Das Thema der Redefreiheit wird in Abschnitt sechs eingehender behandelt).

Taufe und Liturgie

Gemeinden werden ihre eigenen Schlüsse ziehen müssen, was Sachfragen hinsichtlich der Taufe und anderer liturgischer Anlässe betrifft. Die Kirche von England hat vor Kurzem darüber beraten, ob es eine Liturgie geben soll, die den Geschlechterwechsel einer Person markiert. Diejenigen, die diese Veränderung anstreben, wollen damit auf “das Bedürfnis von Transgender-Personen reagieren, nach ihrem langen, verzweifelten und oftmals komplizierten Übergangsprozess bestätigt zu werden”.22https://www.theguardian.com/world/2017/jul/09/anglican-church-vote-welcoming-transgender-people-general-synod (Zugriff am 30/08/18) Angesichts der oben dargelegten theologischen Überlegungen wäre dies jedoch höchst problematisch. Dennoch ist es gut, sich schon vor Auftreten des Falls Gedanken darüber zu machen, wie auf den Taufwunsch einer Transgender-Person reagiert werden soll. Obgleich viele Gemeinden einen einladenden Raum bieten wollen, muss das Taufen einer Person in ihre Trans*Identität (hinein) als ein Akt der Bejahung und/oder Bekräftigung verstanden werden. Es wird weise sein, sich im Voraus auf eine Regelung zu einigen, anstatt erst in Reaktion auf eine konkrete Anfrage mit dem Entwurf einer konkreten Regelung zu beginnen.

Praktische Schritte

Toiletten zur Verfügung zu stellen, die eindeutig zugänglich für Trans-Personen sind, wird ein wichtiger Bestandteil davon sein, dass Gemeinden und Wohltätigkeitsorganisationen einladend sind. Ein Schild mit der Aufschrift “Toilette - Zutritt für alle” an einer einzelnen Behindertentoilette anzubringen, wurde von einigen befragten Trans*Gruppen als hilfreich empfunden. Doch gibt es nicht die eine allgemein akzeptierte Lösung. Wenn eine solche Beschilderung an einer Behindertentoilette angebracht wird, ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Kennzeichnung für Behinderte deutlich erkennbar bleibt.

Im Kontext von Veränderungen in Einrichtungen und Wohnräumen ist es sinnvoll, die Angelegenheit mit denen zu besprechen, die davon betroffen sind. Junge Leute, die sich keiner Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, Pubertätsblocker nehmen oder sich im Prozess des Übergangs in ein anderes Geschlecht befinden, fühlen sich eventuell in einem eigenen Zimmer oder zumindest in einem eigenen Badezimmer wohler. Häufig ist es möglich, eine Unterbringung zu organisieren, die für alle funktioniert. (Das britische Gesetz erlaubt es Organisationen zudem, bei Badezimmern und Unterbringungen auf der Basis des biologischen Geschlechts zu unterscheiden. Daher kann eine Organisation darauf bestehen, dass nur biologische Mädchen bzw. Frauen die Frauentoiletten benutzen.)

5. Wissenschaft: Statistiken, Medizin und therapeutische Maßnahmen

Transidentität ist ein komplexes Sachgebiet, in dem die Forschung noch in den Kinderschuhen steckt und es nur wenige zuverlässige Statistiken gibt. Das wissenschaftliche und medizinische Verständnis von sozialem Geschlecht wird intensiv diskutiert.

Ein erstes Prinzip medizinischer Ethik besteht darin, “zuallererst nicht zu schädigen”. Das bedeutet sicherzustellen, dass jegliche “Behandlungen” oder Maßnahmen keine unvorhergesehenen oder unbeabsichtigten Nebenwirkungen haben, die Gefahr laufen, mehr Schaden anzurichten als Gutes zu bewirken. Lord Winston, ein Arzt und Medizinprofessor, äußerte in einem BBC-Interview seine Bedenken angesichts der “entsetzlichen” Folgen, die viele Personen erleben, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen.23https://www.telegraph.co.uk/news/2017/11/01/transgender-people-can-end-badly-damaged-says-lord-robert-winston/ (Zugriff am 30/04/18) Er hebt hervor, dass die “Grundlagen”, warum Menschen transgender sind, noch immer nicht ausreichend verstanden wurden: Wir wissen einfach noch nicht genug darüber, was die Faktoren in der kognitiven Entwicklung von Kindern sind, die ein Unbehagen mit dem eigenen Geschlecht hervorrufen.

Darüber hinaus haben wir keine ausreichende Zahl an verlässlichen Daten, die das Risiko rechtfertigen würden, eine wachsende Zahl von Kindern ungeprüften und nicht erprobten Maßnahmen auszusetzen, wie Hormonen, die die Pubertät verzögern oder “blockieren”. Ein neuerer wissenschaftlicher Überblicksartikel über die “sehr begrenzten Belege” schlussfolgerte, dass hormonblockierende Wirkstoffe, die vor-pubertären Kindern verabreicht werden, für sich allein genommen “Gender-Dysphorie nicht zu lindern scheinen.”24https://digest.bps.org.uk/2018/07/23/systematic-review-puberty-suppressing-drugs-do-not-alleviate-gender-dysphoria/ Der Überblicksartikel hob außerdem das Fehlen von Daten aus Langzeitstudien hinsichtlich der Wirkungen und Folgen dieser Maßnahmen sowie ihrer psychosozialen Auswirkung auf die Entwicklung eines jungen Menschen hervor.

Richard Horton, der Chefredakteur der Fachzeitschrift The Lancet, hat den Zustand der wissenschaftlichen Forschung generell kritisiert. Er sagte: “Die gegen die Wissenschaft zu erhebende Anklage ist einfach: Vieles an wissenschaftlicher Literatur, vielleicht die Hälfte, ist möglicherweise einfach nicht wahr. Mittels kleiner Stichprobenumfänge, dem Hinweis auf winzige Effekte, mit nicht validen explorativen Analysen und beeinträchtigt von offenkundigen Interessenkonflikten in Verbindung mit einer Besessenheit davon, modischen Trends von fragwürdiger Bedeutung zu folgen, hat die Wissenschaft eine Wendung in Richtung Finsternis genommen.”25Horton, Richard, “Offline: What is medicine’s 5 sigma?”, The Lancet, Vol 385, Issue 9976, 11-17 April 2015, p 1380. Verfügbar unter https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(15)60696-1/fulltext#articleInformation (Zugriff am 18/10/18) Angesichts der dürftigen Forschung in diesem Bereich, die aber durch die Intensität der Leidenschaft bei Aktivisten in allen Lagern Rückendeckung erhält, muss jeder sich des Ausmaßes fadenscheiniger Behauptungen bewusst sein, die sich auf eine fragwürdige Wissenschaft stützen.

Intersex

Es ist wichtig, noch einmal Trans*Personen von der Gruppe der Menschen zu unterscheiden, die als intersexuell diagnostiziert werden. Ein winziger Bevölkerungsanteil wird mit einer Störung der Geschlechtsentwicklung – also mit nicht eindeutigen Chromosomen, Keimdrüsen oder Genitalien – geboren und kann daher nicht einfach als männlich oder weiblich identifiziert werden. Gelegentlich wird versucht, die Zahl intersexueller Menschen aufzublähen, um so zu beweisen, dass Geschlecht eine Art Spektrum – und nicht eine Polarität von männlich und weiblich – sei. Zu diesem Zweck werden sämtliche Personen mit Anomalien der Geschlechtsentwicklung mitgezählt, unabhängig davon, ob diese Anomalie auch tatsächlich zur Ausprägung einer nicht eindeutigen Geschlechtszugehörigkeit der Person führt.

Der Umgang mit den seltenen Störungen der Geschlechtsentwicklung ist oftmals schwierig und eine komplexe Angelegenheit. Intersexuelle Menschen müssen in christlichen Gemeinden verstanden, willkommen geheißen und unterstützt werden. Oft treffen Ärzte gemeinsam mit den Eltern eine Entscheidung darüber, welches das wahrscheinlichste oder beste Geschlecht ist, in dem das Kind aufgezogen werden soll. Doch die Umstände sind häufig für die betroffenen Personen komplex und schmerzhaft. In jungen Jahren werden heute operative Maßnahmen auf ein Minimum begrenzt. Doch während die Person heranwächst, mag eine korrektive d.h. geschlechtsvereindeutigende Operation erforderlich werden. Die meisten intersexuellen Personen betrachten sich selbst nicht als Transgender, während umgekehrt die große Mehrheit von Transgender-Personen nicht mit uneindeutigen Genitalien oder irgendeiner anderen Ambiguität bezüglich ihres biologischen Geschlechts geboren wurde. Die beiden Störungen sind tatsächlich verschieden voneinander und sollten nicht vermischt werden.

Gender-Dysphorie

Gender-Dysphorie ist eine “ausgeprägte Inkongruenz zwischen dem empfundenen/ausgedrückten Geschlecht einer Person und dem ihr zugeordneten Geschlecht, die mindestens 6 Monate andauert.”26American Psychiatric Association, Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th edition (DSM-5). (Washington, DC: American Psychiatric Publishing; 2013)

  • Studien legen nahe, dass circa 1 von 10.000 männlichen und 1 von 30.000 weiblichen Personen Gender-Dysphorie erleben.27Zucker KJ et al. “Gender Dysphoria in Adults,” Annual Review of Clinical Psychology, 2016 12:1, p. 217-247.
  • Kinder werden sich ihrer Geschlechtsidentität im Alter von 2 bis 4 Jahren bewusst. Daher kann Gender-Dysphorie sich in einem relativ jungen Alter entwickeln.
  • Es gibt keine Einigkeit hinsichtlich der Ursachen von Dysphorie, doch dürften genetische, neurologische und psychosoziale Entwicklungsfaktoren dazu beitragen.
  • Die klinische Erfahrung von Mark Yarhouse, einem führenden christlichen Psychologen, legt nahe, dass echte Gender-Dysphorie keine Entscheidung ist. Diejenigen, die sie erleben, empfinden sie generell als leidvoll und oftmals als isolierend, da das Phänomen bislang nicht gut verstanden wird.
  • Bemerkungen von James Barrett, einem der führenden Berater zu Gender-Dysphorie in Großbritannien, aus dem Jahr 2011 zeigen, welch schnellem Wandel dieser Phänomenbereich unterliegt. Er beobachtete, dass der Anteil von Menschen mit Gender-Dysphorie stabil und konstant zu sein schien. Er beschrieb die Behandlung als “drastisch und unumkehrbar” und merkte an: “Die am wenigsten verlässliche Diagnose ist die, die der Patient stellt. Er trifft sie ohne jegliche Ausbildung oder Objektivität.”28James Barrett, “Disorders of Gender Identity” Advances in psychiatric treatment (2011), vol. 17, p. 381–388 Seit Barrett seinen Artikel veröffentlichte, hat eine bedeutende Verschiebung stattgefunden. Die Einweisungsraten steigen rasch an, die Sichtweise bzw. das Empfinden der betroffenen Person steht im Mittelpunkt und die Zahl der geschlechtsangleichenden Operationen wächst.

Therapeutische Maßnahmen

Es gibt allgemein drei verschiedene Vorgehensweisen, die in Frage kommen bzw. geprüft werden:

  1. Der Geschlechtsidentität einer Person den Vorrang geben, indem man ihren Körper durch Hormone, Brustbinder oder Chirurgie verändert, damit er dieser Identität entspricht.
  2. Dem biologischen Geschlecht einer Person den Vorrang geben, indem man sie dazu ermutigt, eine psychische Behandlung oder Seelsorge in Anspruch zu nehmen, die zum Ziel hat, die Wahrnehmung ihrer Geschlechtsidentität zu verändern.
  3. Die Person durch die widersprüchlichen Emotionen, die sie erlebt, hindurch unterstützen.

Eine Veröffentlichung des National Health Service über Gender Identity Clinics merkte an: “Es gibt momentan keine einheitlichen Maßstäbe für den Erfolg bzw. den Ausgang für den Patienten. Das macht es sehr schwierig zu definieren, wie eine gute Patientenversorgung aussieht.”29Operational Research Report Following Visits and Analysis of Gender Identity Clinics in England, Analysis Intelligence & Resource Unit, November 2015, p. 38. Verfügbar unter https://www.england.nhs.uk/commissioning/wp-content/uploads/sites/12/2015/11/gender-ident-clncs-rep-nov15.pdf (Zugriff am 21/01/23)

Bedenken wurden dahingehend geäußert, dass eine Trans*Person sich mit ihrem neuen Geschlecht bei einem Hausarzt registrieren kann, ohne irgendeinen Vermerk, aus dem ihr Geburtsgeschlecht hervorgeht. Das könnte dazu führen, dass Patienten nicht an automatischen Screening-Programmen teilnehmen, die im Zusammenhang mit dem biologischen Geschlecht erfolgen (z. B. Zervixabstrich), was schwer-wiegende negative Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Bei Erwachsenen bevorzugt es Yarhouse, Patienten mit Gender-Dysphorie dabei zu helfen, sich, wenn irgend möglich, mit ihrem Geburtsgeschlecht zu versöhnen. Falls das scheitert, empfiehlt er die am wenigsten invasive Vorgehensweise.

Kinder und Heranwachsende

Es gibt zwei große Trends, die beachtenswert sind. Erstens ist die Zahl von Kindern, die in die Tavistock Child and Adolescent Gender Clinic eingewiesen wurden, in den letzten sechs Jahren um nahezu 1000 Prozent gestiegen.

Zweitens waren zwar historisch betrachtet Kinder mit der Diagnose Gender-Dysphorie überwiegend männlich (58 Prozent in den Jahren 2009-2010), doch in den Jahren 2016-2017 waren fast 70 Prozent der Eingewiesenen weiblich geboren.30https://gids.nhs.uk/number-referrals (Zugriff am 09/05/18) Dennoch bleibt die absolute Zahl der Einweisungen niedrig.

Die Mehrheit der Kinder, die 2016-2017 in die Gender Identity Clinic im Tavistock Centre eingewiesen wurden, war älter als 13 Jahre. Der Altersschwerpunkt der Patienten lag zwischen 15 und 16 Jahren. Es liegen keine Information darüber vor, bei wie vielen von ihnen eine Gender-Dysphorie diagnostiziert wurde. Manche Experten haben eine neue Erscheinungsform von Gender-Dysphorie entdeckt, die kurz nach dem Beginn der Pubertät ohne irgendeinen vorange-gangenen Hinweis auf Geschlechtskonfusion oder -unzufriedenheit auftritt. Diese jüngste Entwicklung wurde als „Rapid Onset Gender Dysphoria“ bezeichnet. Sie betrifft vor allem Mädchen im Teenageralter. Dabei handelt es sich um ein neues und umstrittenes Phänomen. Eine Studie gibt Hinweise darauf, dass Internet und Peer-Group die Häufigkeit des Auftretens beeinflussen, bis dahin, dass sich einige Teenagermädchen innerhalb eines Freundeskreises gemeinsam als transgender “outen”.31Lisa L Littman, “Rapid Onset of Gender Dysphoria in Adolescents and Young Adults: A Descriptive Study,” Journal of Adolescent Health, 2017 Die Trans*Community lehnt jedoch solche auf soziale oder kulturelle Faktoren bezogene Hinweise ab, insofern sie die These vom Angeboren-Sein von Transgender schwächen und es schwieriger machen, medizinische Eingriffe zu rechtfertigen.

Eingriffe bei Kindern

Ein Eingriff erfordert eine korrekte Diagnose, die jedoch bei Menschen in jungen Jahren kaum verlässlich zu treffen ist. Es fällt auf, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Nonkonformität der Geschlechtsrolle bei Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum siebenfach höher ist als bei anderen jungen Menschen.32https://www.nationalgeographic.com/magazine/2017/01/how-science-helps-us-understand-gender-identity/ (Zugriff am 30/04/2018) Es bedarf weiterer Untersuchungen, um diesen Zusammenhang zu verstehen.

Die Zeitung The Times führte ein Interview mit Dr. Polly Carmichael, der beratenden klinischen Psychologin, die die Gender Development Services leitet. Der Artikel stellt fest: “Circa 80 Prozent der Kinder, die vor der Pubertät nach Tavistock kommen, ändern schließlich ihre Meinung. Viele von ihnen entscheiden, dass sie homosexuell oder bisexuell sind. Im Gegensatz dazu sind die Zahlen derer, die während der Pubertät kommen, umgekehrt. 80 Prozent von ihnen verfolgen eine Geschlechtsangleichung weiter.”33https://www.thetimes.co.uk/article/inside-britains-only-transgender-clinic-for-children-pdtqcf9nk (Zugriff am 30/04/18)

Der trans-bestätigenden Herangehensweise zufolge sollte ein Kind in einem vierstufigen Prozess behandelt werden: sozialer Übergang, Pubertätsblocker, gegengeschlechtliche Hormone und schließlich Operation.34Anderson, Ryan T, When Harry Became Sally: Responding to the Transgender Movement (Encounter Books, 2018) p. 20-21 Jeder dieser Schritte wirft Fragen auf.

  1. Der soziale Übergang umfasst den Kleidungswechsel, einen neuen Namen und neue Pronomen. Außerdem wird das Kind so behandelt, als gehöre es dem anderen Geschlecht an. Die etablierte Herangehensweise ist jedoch die des “beobachtenden Abwartens.” Sie erforscht die Faktoren, die dem Empfinden des Kindes, es gehöre dem anderen Geschlecht an, möglicherweise zugrunde liegen, und versucht das Kind darin zu unterstützen, die Entkopplung von Geist und Körper aufzulösen. Dagegen erfordert die neue Herangehensweise, die für viele mehr von Ideologie als von Forschung bestimmt wird, eine unhinterfragte Bestätigung des vom Kind bevorzugten Geschlechts.
  2. Wenn das Kind auf die Pubertät zugeht, besteht der zweite Schritt darin, Pubertätsblocker zu verschreiben, um den normalen Reife- und Entwicklungsprozess zu verhindern. Dadurch wird die Pubertät hinausgezögert und möglicherweise werden sogar Geschlechtsmerkmale, die schon entwickelt sind, zurückgebildet. Diese Behandlung ist die einzige, die vom NHS für Kinder unter 16 Jahren empfohlen wird. Die Medikamente, die dabei verwendet werden, wurden ursprünglich als Medikamente zur Anwendung bei terminalem Prostatakrebs zugelassen und werden nun “zulassungsüberschreitend” angewandt.35https://www.transgendertrend.com/puberty-blockers/ (Zugriff am 10/05/18) Klärungsbedarf besteht hinsichtlich der Einwilligung sowie im Blick auf die unzureichende Forschung zu den langfristigen Folgen und Nebenwirkungen, zu denen auch das Risiko der Unfruchtbarkeit gehört.
  3. Die dritte Stufe umfasst das Verabreichen von gegengeschlechtlichen Hormonen. Jungen wird Östrogen verabreicht, Mädchen Testosteron, um den Prozess der Pubertät im anderen Geschlecht nachzuahmen. Die Richtlinien des NHS empfehlen, diese Hormone erst Jugendlichen zu verabreichen, die 16 Jahre und älter sind. Bei einem Allgemeinmediziner wurde die unüberwachte Behandlung von Transgender-Patienten eingeschränkt. Zudem untersucht das General Medical Council (GMC) Beschwerden, er habe Kindern im Alter von 12 Jahren geschlechtsumwandelnde Hormone verabreicht.36https://www.bbc.co.uk/news/uk-wales-41213534 (Zugriff am 10/04/18)
  4. Schließlich können sich Personen einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Dazu gehört die Entfernung oder Modifikation der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, auf die ein plastisch-chirurgischer Eingriff folgt, bei dem neue Geschlechtsmerkmale geformt werden. Ganz gleich, wie realistisch das Resultat erscheinen mag, erschafft die plastische Chirurgie an den Fortpflanzungsorganen jedoch nicht die Organe des anderen Geschlechts, sondern bildet sie lediglich nach.

Erklärung: Unter 3. wird hier Bezug genommen auf die gerichtliche Verurteilung der Allgemeinmedizinerin Helen Webberley aus Wales, die sich für ihre Behandlung von Transgender-Personen nicht in der für Wales vorgeschriebenen Weise hatte registrieren lassen, weshalb sie nicht der für solche Behandlungen gesetzlich erforderlichen Supervision und Kontrolle unterlag.

Ein umfassender Überblicksartikel über eine Vielzahl von Studien stellte jedoch fest, dass zum Zeitpunkt der Verlaufsuntersuchung im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter die Gender-Dysphorie bei 84 Prozent der Kinder abgeklungen war.37Steensma et al., ‘Factors Associated With Desistence and Persistence of Childhood Gender Dysphoria: A Quantitative Follow-Up Study’, Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, p 582-590, Vol. 52, No. 6, June 2013 Das spricht dagegen, einen frühen sozialen Übergang oder die Pubertätsunterdrückung zu erleichtern. Die Rate derjenigen, die sich dauerhaft nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht identifizieren können (Persistenzrate) rangiert bei biologisch männlichen Personen zwischen zwei und 30 Prozent. Obwohl sie bei weiblichen Personen leicht höher liegt, wird statistisch die Mehrheit der unter Achtzehnjährigen, die sich als Trans* identifizieren, über kurz oder lang zu ihrem Geburtsgeschlecht zurückkehren.

Bezüglich der Behandlung von Kindern sagt das NHS: “Die meisten Maßnahmen, die in dieser Phase angeboten werden, sind eher psychologisch als medizinisch oder chirurgisch. Das liegt daran, dass die Mehrheit der Kinder, bei denen eine Gender-Dysphorie vermutet wird, diese Störung nicht mehr haben, wenn sie die Pubertät erreichen. Psychologische Unterstützung bietet Heranwachsenden und ihren Familien die Gelegenheit, ihre Gedanken zu besprechen und Unterstützung zu bekommen. Das hilft ihnen, den emotionalen Stress der Störung zu bewältigen, ohne überstürzt drastischere Maßnahmen zu ergreifen.”38https://www.nhs.uk/conditions/gender-dysphoria/treatment/ (Zugriff am 01/07/18)

„Detransitionieren“

In den Medien hat es eine wachsende Zahl von Berichten über Personen gegeben, die detransitionieren, also sich nach einer Phase des Trans wieder mit ihrem Geburtsgeschlecht identifizieren. Professor Miroslav Djordjevic ist ein weltweit führender Spezialist für rekonstruktive Genitalchirurgie, der vor fünf Jahren zum ersten Mal gebeten wurde, eine “Umkehroperation” durchzuführen.39https://www.telegraph.co.uk/health-fitness/body/gender-reversal-surgery-rise-arent-talking/ (Zugriff am 10/05/18) Professor Djordjevic sagt, diejenigen, die sich eine Detransition wünschten, hätten von Depressionswellen gesprochen, die ihrem Geschlechtswechsel folgten, und einige von ihnen Suizid in Erwägung gezogen hätten. Er führt circa 100 Operationen pro Jahr durch und verlangt von seinen Patienten, sich zunächst einer psychiatrischen Evaluation von mindestens ein bis zwei Jahren zu unterziehen. Djordjevic äußerte “echte Bedenken angesichts des Levels von psychiatrischer Evaluation und Beratung, das Leute anderswo erhalten, bevor eine geschlechtsangleichende Operation stattfindet.”40https://www.telegraph.co.uk/health-fitness/body/gender-reversal-surgery-rise-arent-talking/ (Zugriff am 10/05/18) Ryan Anderson widmet ein ganzes Kapitel seines Buches den – zum Teil im Originalton der Betroffenen wiedergegebenen – Geschichten von Personen, die sich nach einer Phase des Trans wieder mit ihrem Geburtsgeschlecht identifizierten.41Anderson, Ryan T, When Harry Became Sally: Responding to the Transgender Movement (Encounter Books, 2018) p. 49-76 Er beobachtet, dass immer wieder Themen wie Mobbing in der Kindheit begegnen, aber auch der Druck, sich bestimmten Geschlechterstereotypen anzupassen, sowie die Eile mancher medizinischer Fachleute, zum Geschlechtswechsel zu ermutigen.

Die Rate der Suizidversuche unter Personen, die sich als Trans* identifizieren, ist leider sehr hoch: Sie liegt bei 27 Prozent für junge Trans*Personen verglichen mit 11 Prozent für die Altersgruppe insgesamt.42https://www.stonewall.org.uk/sites/default/files/trans_stats.pdf (Zugriff am 11/09/18) Noch tragischer ist, dass die Wahrscheinlichkeit, durch Suizid zu sterben, für diejenigen, die eine geschlechtsangleichende Operation hatten, 19 mal höher ist, als für den Bevölkerungsdurchschnitt.43Cecilia Dhejne et al., “Long-term follow up of transsexual persons undergoing sex reassignment surgery: cohort study in Sweden,” PLOS ONE 6 (February 2011): e16885

Gesetzeslage, Bildung und Redefreiheit

Die Gesetzeslage zu Themen, die Trans* betreffen, ist in Großbritannien komplex, oftmals uneindeutig und unterliegt einem stetigen Wandel. Daher stellt diese Einführung keine Rechtsberatung und keinen Rechtsleitfaden dar und darf auch nicht so interpretiert werden, als täte sie es.

Es gibt Entwürfe für eine Gesetzesänderung in ganz Großbritannien, die Menschen über ihr eigenes Geschlecht entscheiden lassen und jede Frage nach dem biologischen Geschlecht einer Person im nächsten Zensus freiwillig machen soll. Die Entwürfe werfen bedeutende Rechtsfragen auf, insbesondere solche nach medizinischer Behandlung für Kinder, nach Beschränkungen für das Mitspracherecht der Eltern bei minderjährigen Kindern und den Auswirkungen auf eine Ehe, wenn ein Ehepartner sein Geschlecht ändert.

Manche Feministinnen stehen diesen Entwürfen kritisch gegenüber. Sie betrachten sie als Teil eines wachsenden Trends, jede Erwähnung eines biologischen weiblichen Geschlechts zu eliminieren. Germaine Greer, eine Schriftstellerin und Akademikerin, sagte, dass biologische Frauen “überall den Kürzeren ziehen.” Sie fügte hinzu: “Ich bin es wirklich leid. Wir argumentieren immer noch, dass Frauen alles gewonnen haben, was sie gewinnen müssen. Dabei haben sie noch nicht einmal das Recht zu existieren gewonnen.”44https://www.thetimes.co.uk/article/no-sex-please-this-is-the-census-sswntgs5z (Zugriff am 05/02/18) In Anbetracht der Tatsache, dass das Konzept von “Weiblichkeit” in manchen Trans*- und Queer-Ideologien so flexibel und unbestimmt ist, werden Frauenrechte bedeutungslos.

Manche Christen stimmen den Bedenken bezüglich der Sicherheit von Frauen zu, die von Frauenrechtsgruppen und anderen geäußert wurden. Sie teilen auch deren grundlegende Bedenken, dass hier die weibliche Identität überhaupt in Frage gestellt werde. Jemanden, der als Mann geboren wurde, sich aber selbst als Frau identifiziert, auf Kandidatenlisten mit Frauenquote zuzulassen oder ihm die Arbeit in einer Unterkunft für Frauen zu erlauben, die häusliche Gewalt erlebt haben, ist sehr umstritten. Bedenken gibt es auch, was Frauen-Schwimmkurse, Umkleidekabinen und die Toilettenbenutzung angeht. Einige Gesetzentwürfe könnten zudem die Rede- und Religionsfreiheit einschränken, indem sie Menschen dazu zwingen, eine bestimmte Ausdrucksweise zu verwenden oder zu vermeiden.

Gesetzeslage

Der Gender Recognition Act 2004 ermöglicht es einer Person, ein Gender Recognition Certificate zu erhalten, wenn sie medizinisch mit einer schweren Dysphorie diagnostiziert wurde und die Bewertung erfolgt, dass es ihr für mindestens zwei Jahre gelungen ist, sich im Alltag mit ihrem erworbenen Geschlecht darzustellen.

Im Dezember 2015 veröffentlichte das House of Commons Women and Equalities Committee seinen Bericht Transgender Equality. Das britische Unterhaus folgt darin der schottischen Regierung, die Entwürfe zu einer Änderung des Antragsstellungsprozesses für ein Gender Recognition Certificate vorgelegt hat. Demnach soll dieser Prozess bereits für Personen, die erst 16 Jahre alt sind, ausschließlich auf der Selbsteinschätzung des Antragstellers basieren. Es wird auch vorgeschlagen, die Geschlechtsidentität anstelle des biologischen Geschlechts oder der Geschlechtsangleichung zu einem geschützten Merkmal zu machen. Damit würde sich jedoch der rechtliche Schutz auf ein gänzlich subjektives Kriterium verlagern, was höchst problematisch ist.

Der Equality Act 2010 machte die Diskriminierung von Personen, die sich einer Geschlechtsangleichung unterzogen haben (bemerkenswerterweise nicht von Transgender-Personen generell) gesetzeswidrig. Unter dem Data Protection Act 1998 wurden Transidentität und Geschlechtsangleichung als im rechtlichen Sinne “sensible Daten” eingestuft. Dies bleibt auch unter der Datenschutz-Grundverordnung der Fall. Weitere Informationen sind auf der Webseite der britischen Datenschutzbehörde zu finden.

In Deutschland ist in juristischer Hinsicht das Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 maßgeblich. Allerdings wurden einzelne Bestimmungen dieses Gesetzes 2008 vom Bundesverfassungericht für verfassungswidrig und unwirksam erklärt. In mehreren Änderungen, zuletzt im Jahr 2017, sind die Maßgaben der Karlsruher Richter umgesetzt worden.

Das TLG regelt zwei Verfahren: zum einen die Anpassung des Vornamens an die empfundene Geschlechtsidentität („kleine Lösung“), zum anderen die Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister („große Lösung“). In beiden Fällen ist es erforderlich, dass die Trans-Person ein Verfahren beim zuständigen Amtsgericht beantragt, das seinerseits zwei psychologische Gutachten anfordert. Die Gutachter haben zu prüfen, ob der transsexuelle Wunsch wirklich stabil und unumkehrbar ist. Dieser Verfahrensweg steht im Zentrum der Kritik der Lobbyverbände.

Seit Jahresbeginn 2019 besteht in Deutschland die Möglichkeit eines dritten Geschlechtseintrags („divers“). Das Gesetz adressiert intersexuelle Menschen, bei denen also eine abweichende biologische Geschlechtsentwicklung vorliegt. Solche Personen können den genannten dritten Eintrag wählen oder auf den Geschlechtseintrag verzichten. Außerdem können sie einen neuen Vornamen annehmen. Dafür müssen sie ein medizinisches Gutachten vorlegen, das eine „Variante“ der biologischen Geschlechtsentwicklung attestiert. Intersexuelle Personen, denen bereits als Baby operativ ein Geschlecht zugewiesen wurde und die darüber keinen Nachweis besitzen, können eine eidesstattliche Erklärung abgeben, in der sie ihre Zugehörigkeit zur intersexuellen Personengruppe bestätigen.

Bereits wenige Monate nach Einführung des Gesetzes zum dritten Geschlecht wurde bekannt, dass transsexuelle Personen das neue Gesetz für sich in Anspruch nehmen und Ärzte eine „Variante“ der biologischen Geschlechtsentwicklung attestieren, obwohl das biologische Geschlecht eindeutig ist. In der politischen Diskussion wird der Hinweis auf solche Fälle mit der Forderung verbunden, die hohen Hürden des TSG endlich zu beseitigen, da Transsexuelle im Verhältnis zu Intersexuellen, die Vornamen und Geschlechtseintrag mit weniger Aufwand ändern könnten, diskriminiert würden. Was die rechtliche Zuordnung von Trans-Personen als Eltern eines Kindes angeht, orientieren sich deutsche Gerichte bislang an der biologischen Prämisse, wonach Mutter eines Kindes die Person ist, die das Kind geboren hat bzw. – unter bestimmten Bedingungen –, von der die Eizellen stammen, während eine Person, die den Samen beigetragen hat, nur als Vater eingetragen werden kann. Ein Frau-zu-Mann-Transsexueller gilt damit auch weiterhin als Mutter des von ihm geborenen Kindes, ein Mann-zu-Frau-Transsexueller, von dem der Samen stammt, kann nur als Vater des Kindes eingetragen werden. In beiden Fällen treten der Geschlechtseintrag und die elterliche Geschlechterrolle somit in einen Widerspruch. Es ist damit zu rechnen, dass anstehende Änderungen im Abstammungsrecht diesen Widerspruch dahingehend auflösen werden, dass bei Transsexuellen auch die elterliche Geschlechterrolle geändert werden kann, der „Erzeuger“ also als „Mutter“, die einst Schwangere als „Vater“ des Kindes eingetragen werden

Bildung

Bildung ist ein extrem wichtiger und komplexer Bereich, der in diesem Text nur kurz angesprochen werden kann. Es ist grundlegend, dass Schulen eine sichere Lernumgebung für alle Schüler bieten. Es ist nötig, diejenigen zu schützen, die Gender-Dysphorie erleben. Auch ist es unbedingt erforderlich, dass Schulen sich jeglicher Art von Mobbing entgegenstellen, damit auch des Mobbings, das Trans*Schüler erleiden.

In vielen Situationen wird es angebracht sein, den Child and Adolescent Mental Health Service zu kontaktieren, um Rat zu erhalten, da die Schule nicht der Hauptakteur in der Arbeit mit einem einzelnen Kind sein wird. Bei der Erarbeitung von Richtlinien wird es für Schulen wichtig sein, eine Vielzahl von Gruppen zu befragen, um um die Ausgewogenheit der Richtlinien sicherzustellen. Die Mehrheit der Transgender-Schulrichtlinien wurde allerdings von Transgender-Organisationen und LGBT-Gruppen verfasst, was die Gefahr birgt, eine bestimmte weltanschauliche Überzeugung zu privilegieren. Transgender Trend, eine säkulare Organisation, die sich mit dem aktuellen Trend beschäftigt, “geschlechtsabweichende” Kinder als Transgender zu diagnostizieren, hat eine Materialsammlung für Schulen erstellt, die für Lehrer nützlich sein könnte.45https://www.transgendertrend.com/wp-content/uploads/2018/02/Transgender-Trend-Resource-Pack-for-Schools.pdf Transgender Trend ist eine Gruppe von Eltern, die in Großbritannien ansässig ist. Sie ist besorgt angesichts des aktuellen Trends, “geschlechtsabweichende” Kinder als Transgender zu diagnostizieren. Wir würden nicht allen ihren Berichten zustimmen. Dennoch bildet sie ein nützliches Gegen-Narrativ zu der komplett akzeptierenden Herangehensweise anderer Quellen Ihr Bildungsmaterial stellt Teile der vorherrschenden Transgender-Ideologie infrage.

Schulen müssen Lernumgebungen bieten, die es Schülern erlauben, unterschiedliche Ansichten zu haben. Kinder ringen vielleicht mit ihrer Geschlechtsidentität und werden dabei Unterstützung benötigen. Gleichermaßen ringen Kinder vielleicht damit, einen Schüler zu verstehen, der Gender-Dysphorie oder ein gewisses Maß an Geschlechtsinkongruenz erlebt, und auf ihn zu reagieren. Es bleiben wichtige Fragen bezüglich der Gewissens- und Redefreiheit berührt, wenn ein Kind oder Lehrer genötigt wird, das bevorzugte Pronomen oder den bevorzugten Namen eines anderen Schülers zu verwenden. Mobbing-Richtlinien müssen dahingehend klar definiert werden, dass sie Raum für Meinungsunterschiede lassen.

Es existiert keine rechtliche Definition von Mobbing. Bullying UK definiert es als “wiederholtes Verhalten, das die Absicht hat, eine Person entweder emotional oder körperlich zu verletzen. Es richtet sich häufig gegen bestimmte Personen aufgrund ihrer Rasse, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung oder aufgrund irgendeines anderen Aspekts wie Aussehen oder Behinderung.”46https://www.bullying.co.uk/general-advice/what-is-bullying/ (Zugriff am 30/08/18) Mobbing ist mehr, als nur der modernen Gender-Theorie zu widersprechen. Sollte zum Beispiel ein junges Kind als transphob abgestempelt werden, weil es nicht das Pronomen verwendet, das ein anderes Kind oder die Eltern dieses Kindes bevorzugen? Es besteht die Gefahr, dass bei dem Versuch, ein Kind zu schützen, die Rechte sowie die Rede-, Gedanken- und Gewissensfreiheit eines anderen Kindes verletzt werden. Erlaubt die Freiheit der Meinungsäußerung es einem Kind, sein bevorzugtes Geschlecht zu wählen, so erlaubt dieselbe Freiheit einem anderen Kind, nicht etwas sagen zu müssen, was es nicht versteht oder dem es nicht zustimmt, sowie eine Sprache zu verwenden, die es ohne Zwang benutzen kann, und ohne seine Überzeugungen zu beugen. Dies sind schwierige Themen, mit denen sich politische Entscheidungsträger auf lokaler und nationaler Ebene auseinanderzusetzen haben.

Redefreiheit

Wachsende Bedenken bestehen angesichts der Auswirkungen der Transgender-Ideologie auf die Redefreiheit. Wiederum ist die in Abschnitt zwei dieses Materials vorgenommene Unterscheidung zwischen Personen, die Gender-Dysphorie erleben und Barmherzigkeit erfordern, und der größeren Ideologie, die infrage gestellt werden muss, wichtig. Sich zu entscheiden, den bevorzugten Namen einer Person aus Respekt und um der Beziehung willen zu verwenden, ist etwas Anderes, als vom Staat verpflichtet und gezwungen zu werden, ein bestimmtes Pronomen zu verwenden. Einige Personen versuchen auch, Diskussionen und Auseinandersetzungen zu verhindern, indem sie bereits Meinungsunterschiede als Hassrede, Hassrede als Gewalt und Gewalt als einen Terrorakt umdefinieren. Dieses Vorgehen höhlt den Freiraum dafür aus, anderer Meinung zu sein, und untergräbt letztlich die Fundamente unserer freien Demokratie.

Jede zukünftige Gesetzgebung sollte ausdrücklich die Redefreiheit schützen. Dazu sollte der Schutz der Meinungsverschiedenheit bei der Frage gehören, welche Personalpronomen verwendet werden. Diese Freiheit sollte auf alle Angestellten angewendet werden, einschließlich derjenigen, die eine öffentliche Gleichstellungspflicht haben. Dies nicht zu tun wird zu erzwungener Rede führen, also dazu, dass eine Person gezwungen wird, etwas sagen zu müssen, was ihren tiefsten Überzeugungen widerspricht.

6. Die kulturellen Trends

Die aktuelle weltanschaulich-ideologisch motivierte Trans*Debatte kommt nicht von ungefähr. Andrew Walker stellt in seinem Buch God and the Transgender Debate fest: “Viele Ströme münden in der Transgender-Debatte - wir sind hier nicht zufällig gelandet.”47Walker, Andrew, God and the Transgender Debate: What does the Bible actually say about gender identity? (The Good Book Company, 2017) p. 21 Das Tempo des Wandels ist zwar überraschend, doch liegt dies im Verschmelzen verschiedener mächtiger kultureller Einflüsse begründet. Im Folgenden betrachten wir kurz einige der zentralen kulturellen Trends.

Der Relativismus sagt, Sinn und Wahrheit seien relativ sind und es gebe keinen “richtigen” Weg, die Welt oder uns selbst zu verstehen. In einer Welt ohne absoluten Bezugspunkt habe niemand die Autorität irgendwem zu sagen, wie er leben soll.

Das Post-Christentum beschreibt die Tatsache, dass wir im Westen in einer Gesellschaft leben, in der der kulturelle Einfluss des Christentums abnimmt. Da jedoch jede Gesellschaft eine Form von Moral habe, sei es wahrscheinlich, dass irgendein neues System dominieren werde.

Der Individualismus gibt der Würde der Person unbedingten Vorrang, doch in seiner radikaleren Form besagt er, jeder Mensch schreibe sein eigenes Drehbuch. Der Fokus auf Familien und Gemeinschaften wird durch die Hervorhebung der Einzelperson ersetzt, die Individualrechte hat und frei von allen Verbindlichkeiten ist.

Die sexuelle Revolution der 1960er versprach mehr Sex und größeres Glück, doch sie lieferte weder das Eine noch das Andere. Sie löste Sex sowohl von der Ehe als auch von der Fortpflanzung und lehrte die Menschen, ihre Körper gehörten ihnen und sie könnten damit tun, was sie wollen.

Der Gnostizismus betrachtet die physische Welt der Materie als schlechte und gebrochene Welt. Er betont, dass das Empfinden einer Person sich von der gefallenen und niederen Daseinsform der Materie (damit auch des Leibes) unterscheiden könne und ihr gegenüber den Ausschlag gebe. Er ermöglicht es einer Person, ein authentisches, inneres Selbst zu suchen und diesem den Vorzug zu geben, wobei das innere Selbst von dem äußeren oder körperlichen Du unabhängig und ihm überlegen ist.

Der Dualismus bezieht sich auf bestimmte Formen der aufklärerischen Philosophie (z. B. jene, die von Descartes beeinflusst wurden), die Rationalismus und die Autorität des Geistes über den Körper privilegieren, sodass die mentale Selbstwahrnehmung als etwas gesehen wird, das den gegebenen biologischen Status übertrumpft.

Der Feminismus umfasst Teile der feministischen Bewegung, die die Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht entwickelt haben. Dabei wird das soziale Geschlecht als ein soziales Konstrukt oder ein Verhalten angesehen. Das hat den Raum dafür geschaffen, dass die Trans*Konversation sich rasant entwickeln konnte. Andere Feministinnen standen und stehen der Trans*Bewegung sehr kritisch gegenüber, weil diese stereotypisiere, was eine Frau ist, und damit die Rechte biologischer Frauen untergrabe.

Der Post-Strukturalismus wird von Schriftstellern wie Derrida und Focault vertreten. Sie erkannten die Macht von Sprache und versuchten, die weltanschaulich-ideologischen Vorurteile über Rasse, Geschlecht, Politik und Kultur zu “dekonstruieren”, die sich auf unser Verständnis der Geschichte ebenso auswirken wie unsere religiösen und philosophischen “Wahrheiten”. Dekonstruktivisten wollen die Gegensätze zwischen männlich und weiblich oder Gut und Böse nicht einfach nur in Frage stellen oder auf den Kopf stellen, sondern sie gänzlich abschaffen, kurz: dekonstruieren.

Die Queer-Theorie folgt dem Post-Strukturalismus und hat zum Ziel, “Heteronormativität”, also die Normalisierung von Praktiken und Institutionen, die Heterosexualität privilegieren, zu dekonstruieren. Sie stellt die These auf, Identitäten seien nicht festgelegt und bestimmten nicht, wer wir sind.

Der Kulturmarxismus folgte dem Marxismus, der für den Widerstand der Arbeiter gegen die Besitzer der Produktionsmittel eintrat. Kulturmarxismus ist ein umstrittener Begriff, der verwendet wird, um den Kampf derer zu beschreiben, die durch kulturelle Normen unterdrückt werden - Frauen, Farbige und Menschen, die sich selbst als Transgender oder genderfluid identifizieren. Denker wie Marcuse and Gramsci behaupteten, man müsse die Kultur transformieren, um die Gesellschaft zu transformieren. Im Westen bedeute das, sie vom Juden- und Christentum zu entkoppeln. Sie forderten einen “langen Marsch durch die Kultur”, um Familie, Kirche und die Zivilgesellschaft neu zu definieren.

Konsumerismus kann über Waren und Dienstleistungen hinausreichen, bis hin zur Kommerzialisierung unseres eigenen Wesens und unserer Identität. Das bedeutet, dass die Person, die wir sein wollen, für unser wahres Ich gehalten wird - daher der Slogan, dass wir “sein können, was immer wir sein wollen.”

Die Technologie hat das Tempo des Wandels erhöht, indem sie es ermöglicht, dass sich Ideen schnell verbreiten und unterstützende Gemeinschaften schnell aus dem Boden sprießen. Manche Forschungsarbeiten weisen darauf hin, dass dies zu einer sozialen Ansteckung führen könne.

“So ist das Recht zurückgedrängt, und die Gerechtigkeit steht ferne. Denn die Wahrheit ist gestürzt auf dem Marktplatz, und die Geradheit findet keinen Eingang.”

Jesaja 59,14 (ELB)

7. Fazit

Es besteht eine große kulturelle Verwirrung bezüglich Transgender; die Informationen und Meinungen ändern sich permanent. Christen sind zu häufig in der Defensive gewesen und haben nur langsam auf die gesellschaftlichen Veränderungen bezüglich Geschlecht und Gender-Dysphorie reagiert. Es ist notwendig, dass jeder von uns als Einzelperson und als Teil von versammelten Gemeinschaften Transgender-Menschen versteht, liebt sowie Beziehungen zu ihnen herstellt und sich gleichzeitig mit der größeren Bewegung auseinandersetzt und sie kritisch hinterfragt.

Die Kirche muss mit Erbarmen reagieren. Die Kirche kann ein einladender Ort für jeden und insbesondere für diejenigen sein, die sich marginalisiert fühlen, und ist es auch oft. Wenn wir diejenigen, die mit Gender-Dysphorie ringen, verstehen wollen, müssen wir damit anfangen, uns ihre Geschichte anzuhören. Die Störung selbst ist häufig schmerzvoll und quälend und diejenigen, die sie erleben, haben überproportional starke psychische Probleme. Der Weg zur Versöhnung zwischen dem Körper einer Person und ihrer empfundenen Identität ist oftmals lang und schmerzhaft. Daher müssen wir darauf vorbereitet sein, ihnen und ihren Familien langfristige Unterstützung und Fürsorge anzubieten. Damit ist das Selbstverständnis der Kirche als Nachfolgegemeinschaft nicht in Abrede gestellt. Als diese Gemeinschaft soll sie insbesondere auch unter denjenigen leben, die sich in der weltanschaulich-ideologischen Trans*Bewegung engagieren, die vielfach im Widerspruch zu einer von der Bibel her zu gebenden Antwort steht.

Die Kirche muss in diesem schwierigen Bereich Klarheit suchen. Wir versuchen, diejenigen zu unterstützen, die mit Gender-Dysphorie kämpfen. Zugleich müssen wir Formen der Transgender-Ideologie ablehnen und ihnen entgegentreten, die alternative, radikal säkulare Vor-stellungen davon anbieten, was es bedeutet, Mensch zu sein. Die Bibel hat viel darüber zu sagen, was es bedeutet, Mensch zu sein, über biologisches und soziales Geschlecht, über den Körper und über das Leben in einer gefallenen Welt. Die Erlösung durch die Gemeinschaft mit Jesus Christus eröffnet eine Hoffnung für unsere Herzen, unseren Verstand und unsere Körper, die alle vom Sündenfall und von anhaltender Sünde betroffen sind. Die Kirche muss darauf achten, seelsorgerlich auf Einzelpersonen zu reagieren, während sie zugleich die Herausforderungen und Komplexitäten erkennt, die Transgender umgeben.

Schließlich sollte die Kirche in aller Demut einigen ihrer Bedenken Ausdruck verleihen. Die Kirche wird, wie viele andere, vorsichtig gegenüber invasiven und nicht reversiblen medikamentösen und anderen Verfahren insbesondere bei Kindern sein. Viele Christen werden Verständnis für die Bedenken haben, die von Frauengruppen bezüglich der Sicherheit von Frauen, beispielsweise in Frauenhäusern, geäußert werden, aber noch grundsätzlicher dafür, dass ihre ganze Identität infrage gestellt wird. Es besteht in zunehmend polarisierenden öffentlichen Debatten die stets gegenwärtige Gefahr, missverstanden zu werden. Daher müssen wir danach streben, gute Beziehungen aufzubauen und sicherstellen, dass wir stets mit Gnade und Respekt sprechen.

John Stott forderte, Karl Barth zitierend, Christen bekanntlich dazu heraus, die Bibel in der einen und die Zeitung in der anderen Hand zu haben. Die Zeitungsberichte über Trans* unterscheiden sich von Zeitung zu Zeitung und sie wandeln sich von Tag zu Tag, wenn sie versuchen, über dieses schwierige und schnelllebige Gebiet zu berichten. Die Bibel bietet einen verlässlichen Rahmen und ein fesselndes Narrativ, um uns zu helfen, uns mit der Vielfalt der Menschen und Situationen auseinanderzusetzen, denen jeder von uns begegnet. Wir hoffen, dass dieser Text helfen wird, barmherzigere Gespräche und verändernde Begegnungen zu ermöglichen.

8. Glossar

Der größere Kontext

Es ist wichtig, den größeren Rahmen, in dem sich die Trans*Debatte ereignet, zu verstehen.

Geschlecht (biologisches Geschlecht; engl.: sex): Die Definition einer Person als männlich oder weiblich basierend auf Geschlechtsorganen, Reproduktionsfähigkeit und Chromosomen. Eine Operation (häufig als “Umwandlung” bezeichnet) oder die Verwendung von Hormonen ändert das biologische Geschlecht nicht.

Geschlecht = weiblich - intersexuell - männlich

Geschlechtsidentität:  Das Empfinden einer Person, ein bestimmtes Geschlecht zu haben. Dieses kann, muss aber nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht übereinstimmen.

Geschlechtsidentität = Frau - Genderqueer/Nicht-Binär - Mann

Geschlechtsausdruck:  Wie eine Person ihr subjektives Geschlechtsempfinden ausdrückt oder öffentlich darstellt.

Geschlechtsausdruck = feminin - androgyn - maskulin

Sexuelle Anziehung/Orientierung: Bezieht sich darauf, zu wem sich eine Person abhängig von ihrem biologischen/sozialen Geschlecht in Beziehung zu anderen Personen hingezogen fühlt.

Sexuelle Orientierung = heterosexuell - bi/pan/asexuell - homosexuell48Verwendet Material aus einem Vortrag, den Dr. Paul Coulter vom Belfast Bible College gehalten hat

Allgemeine Begriffe

Cisgender oder cissexuell:  Ein umstrittener Begriff, der verwendet wird, um jemanden zu beschreiben, dessen subjektives Empfinden seiner Geschlechtsidentität dasselbe ist, wie das Geschlecht, das er bei seiner Geburt hatte. Das Gegenteil von Transgender. (cis = auf derselben Seite.)

Soziales Geschlecht (engl.: gender): Dieser Begriff wird umstrittener. Er wurde historisch oft synonym mit biologischem Geschlecht verwendet. Heute wird er generell verwendet, um die psychologischen, sozialen und kulturellen Aspekte von Männlichkeit oder Weiblichkeit zu bezeichnen. Er umfasst Geschlechtsidentität und -ausdruck. Die Weltgesundheitsorganisation definiert ihn als “die sozial konstruierten Charakteristika von Frauen und Männern - wie beispielsweise Normen, Rollen und Beziehungen innerhalb und zwischen Gruppen von Frauen und Männern.”49https://www.who.int/gender-equity-rights/understanding/gender-definition/en/ (Zugriff am 30/08/18)

Gender-Dysphorie: Das Unbehagen oder der Disstress, den eine Person aufgrund ihrer Wahrnehmung einer “Diskrepanz” oder Inkongruenz zwischen ihrer Geschlechtsidentität und ihrem biologischen Geschlecht erlebt.

Genderfluidität: Wird von Leuten verwendet, die ihr Geschlechtsempfinden nicht als entweder auf männlich oder weiblich festgelegt wahrnehmen, sondern auf einem Kontinuum zwischen den beiden pendeln.

Gender Recognition Certificate:  Ein Dokument, das einer Person die legale Anerkennung unter einem neuen Geschlecht ermöglicht.

Geschlechtsangleichung (früher: Geschlechtsumwandlung): Medizinische Maßnahme, die, wenn angemessen, mit Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen beginnt. Operationen können eine vollständige Hysterektomie, bilaterale Mastektomie, Brustaufbau oder -vergrößerung, Geschlechtsaufbau und gewisse plastisch-rekonstruktive Gesichtschirurgie umfassen.

Genderqueer: Ein Sammelbegriff für Geschlechtsidentitäten, die nicht ausschließlich männlich oder weiblich sind. Andere Bezeichnungen sind nicht-binär, pangender und polygender. Im Zusammenhang damit hat die Queer-Theorie, wie sie seit den frühen 1990ern von Judith Butler und anderen vorangetrieben wurde, die sozial-konstruierte Beschaffenheit sowohl von Geschlecht als auch von sexuellen Identitäten hervorgehoben.

Intersex: Intersexuelle Störungen werden getrennt von Transgender diagnostiziert und behandelt und die beiden sollten nicht vermischt werden. Intersex ist eine Bezeichnung, die Entwicklungsbedingungen beschreibt, bei denen eine Person mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen oder uneindeutiger Geschlechtsanatomie – gonadal, genital oder selten chromosomal – geboren wird, die keine eindeutige Identifizierung als männliches oder weibliches Geschlecht zulassen.

Nicht-binär: Ein Oberbegriff, der von Personen verwendet wird, die sich selbst weder als männlich noch als weiblich identifizieren.

Transgender: Dies ist ein Sammelbegriff, um solche Menschen zu beschreiben, deren soziales Geschlecht nicht dasselbe ist wie das biologische Geschlecht, das sie bei ihrer Geburt hatten, oder nicht gut damit vereinbar ist. Er wird häufig mit “Trans*” abgekürzt.

Weiteres Material und Literaturhinweise

Weitere Materialien, Artikel und Filme der Evangelischen Allianz finden Sie unter eauk.org/trans.

In diesem Fachgebiet besteht ein Versorgungsmangel und es gibt nur wenige Dienstleister, auf die hingewiesen werden kann. Menschen, die unter Gender-Dysphorie leiden, sollten bei ihrem Hausarzt oder dem örtlichen Child and Adolescent Mental Health Service (CAMHS) ärztliche Hilfe suchen. Es besteht Bedarf an aktiverer christlicher Unterstützung in diesem Bereich. Die folgenden Materialien könnten ebenfalls helfen.

Anderson, Ryan T, When Harry Became Sally: Responding to the Transgender Movement (Encounter Books, 2018) à

-> Eine umfangreiche, lesenswerte, evidenzbasierte Fallstudie, um die Thesen der Transgender-Bewegung zu hinterfragen.

Grant, Jonathan, Divine Sex: A Compelling Vision for Christian Relationships in a Hypersexualized Age (Brazos Press, 2015)

-> Thematisiert nicht ausdrücklich Transgender, aber ein sehr nützliches Buch über den größeren Kontext von Sexualität und Beziehungen, das die größeren kulturellen Trends hervorhebt.

Harrison, Glynn, A Better Story: God, Sex and Human Flourishing (IVP UK, 2017)

-> Thematisiert nicht ausdrücklich Transgender, aber es hält Christen dazu an, eine bessere Geschichte zu erzählen - eine in der Bibel verwurzelte moralische Vision für Sexualität und Beziehungen.

Noble, Whittle and Johnston eds., Marriage, Family and Relationships: Biblical, Doctrinal and Contemporary Perspectives (IVP, 2017)

-> Ein Sammelband mit breitgefächerten Aufsätzen über Sexualität, Ehe, Familienleben, Ehelosigkeit, gleichgeschlechtliche Beziehungen, Gewalt gegen Frauen, Anthropologie, Gender und Kultur.

Roberts, Vaughan, Transgender: Christian compassion, convictions and wisdom for today’s big questions (The Good Book Company, 2016)

-> Ein großartiges Buch zur Einführung, das die christliche Weltanschauung darlegt und versucht, diese Prinzipien auf die vielen komplexen Fragen anzuwenden, die das Thema Geschlechtsidentität umgeben.

Thomas, Rick and Peter Saunders, ‘Gender Dysphoria’, CMF File 59 (2016). Verfügbar unter https://www.cmf.org.uk/resources/publications/content/?context=article&id=26419

-> Ein hilfreicher Artikel von Rick Thomas, der die medizinischen und biblischen Perspektiven auf das Thema zusammenführt.

Townsend, Christopher, Gender – Where next? Jubilee Centre, 2016. Verfügbar unter https://evangelicalfocus.com/jubilee-centre/2346/gender-where-next-christopher-townsend (Zugriff Januar 2023)

-> Ein kurzer Überblick über verschiedene Auffassungen von Gender, biblische Überlegungen zum Körper, zu biologischem und sozialem Geschlecht, sowie Herausforderungen, mit denen Christen im Kontext von Geschlechtskonfusion konfrontiert sind.

Transgender Trend – https://www.transgendertrend.com

-> Diese Webseite wird von einer Gruppe von Eltern betrieben, die in Großbritannien ansässig ist. Sie ist angesichts des aktuellen Trends besorgt, “geschlechtsabweichende” Kinder als Transgender zu diagnostizieren. Sie ist eine nützliche säkulare Quelle, die das aktuelle Trans*Narrativ infrage stellt.

True To Form (gender and sexuality), Primer Issue 3 (The Good Book Company, 2016)

-> Hilfreiche Aufsätze von verschiedenen Autoren, die biblische und seelsorgerliche Antworten auf Fragen zu Sexualität und Geschlecht geben.

Walker, Andrew, God and the Transgender Debate: What does the Bible actually say about gender identity? (The Good Book Company, 2017)

-> Dieses Buch hilft Christen, zu verstehen, was die Bibel über Geschlechtsidentität sagt, und sich auf reflektierte Weise mit einer der explosivsten kulturellen Diskussionen unserer Zeit auseinanderzusetzen.

Yarhouse, Mark, Understanding Gender Dysphoria: Navigating Transgender Issues in a Changing Culture (InterVarsity Press, 2015)

-> Yarhouse ringt mit der psychologischen und theologischen Komplexität des Trans*Themas und bietet eine seelsorgerlich einfühlsame Antwort.

Yarhouse, Mark, Q Ideas talk, What is Gender Dysphoria? Verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=0_l_grc5Imk (Zugriff Januar 2023)

-> Ein kurzer einführender Vortrag über die aktuellste Forschung zu Gender-Dysphorie und einen Rahmen, in dem wir gut über die Debatte zu Identität nachdenken können.

Übersetzung: Svenja Lueg

Redaktion und grau unterlegte Texte: Christoph Raedel

© Britische Evangelische Allianz, 2018
Rechte der deutschen Übersetzung beim Institut für Ethik & Werte, 2019

Endnoten